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Prinzregent Luitpold

 

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Der Prinzregent als „des Königreichs Bayern Verweser“ für König Ludwig II. und König Otto

Bekanntmachung der Fortführung der Regierung von Prinzregent Luitpold nach dem Tod Ludwigs II. Blüten vom Blumenstrauß Kaiserin Elisabeths von Österreich für die Aufbahrung Ludwigs II. (1886)
Postkarte mit dem Bildnis König Ottos I. von Bayern Verfassung des Königreichs Bayern aus dem Jahr 1818
Verfassung des Königreichs Bayern aus dem Jahr 1818, Erste Seite „Bekanntmachung vom 10. Juni 1886, die Uebernahme der Regentschaft und die Einberufung des Landtages betreffend“
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Vom Privatleben zur Herrschaft

Die Politik war für Prinz Luitpold kein vorrangiges Tätigkeitsfeld, obwohl der seit seinem 18. Geburtstag 1839 in der Ersten Kammer des bayerischen Landtags, der Kammer der Reichsräte saß und außerdem einen Sitz im Staatsrat inne hatte.

 

Eine mögliche Erbfolge auf dem griechischen Thron nach seinem kinderlosen Bruder Otto I., die Ende der 1830er und Anfang der 1840er Jahre im Raum stand, scheiterte früh an Luitpolds Weigerung, zum orthodoxen Glauben überzutreten.

Luitpold lebte sehr zurückgezogen und wurde in der Öffentlichkeit kaum beachtet. Einzig im Revolutionsjahr 1848 war der Prinz präsenter in der öffentlichen Wahrnehmung. Er stellte sich an die Seite seiner Mutter, Königin Therese, als die Affäre seines Vaters mit der spanisch-irischen Tänzerin Lola Montez bekannt wurde. Als Ludwig I. gezwungen war, sich von Lola Montez loszusagen und abzudanken, hatten Prinz Luitpold und eine Frau Auguste dennoch versucht, zwischen dem König und seinen Untertanen zu vermitteln. In der Bevölkerung war Luitpold dadurch populärer als sein ältester Bruder Maximilian, der dann die Thronfolge als Maximilian II. antrat.

Im Lauf der Jahre musste Luitpold immer mehr repräsentative Aufgaben für seinen Bruder wahrnehmen, der häufig krank war. 1853 gab es sogar Gerüchte, König Maximilian II. werde wegen seines schlechten gesundheitlichen Zustands abdanken und Luitpold die Herrschaft übernehmen. Dies bewahrheitete sich nicht. Nach dem frühen Tod Maximilians II. trat dessen Sohn Ludwig 1864 als Ludwig II. die Herrschaft an. Auch dieser ließ sich zunehmend in der Öffentlichkeit von seinem Onkel vertreten.



Luitpold als „des Königreichs Bayern Verweser“

Seine politischen und repräsentativen Aufgaben als König von Bayern hatte Ludwig II. im Lauf seiner Herrschaft zunehmend weniger wahrgenommen.   

Eine wirkliche Regierungskrise, die sogenannte Königskrise, entstand aber erst in den letzten beiden Jahren seiner Herrschaft: Bereits 1884 hatte Ludwig seine Privatschatulle, von der nicht nur er, sondern die ganze Familie der Wittelsbacher lebte, schwer mit Schulden für seine Bauprojekte belastet. 8,25 Millionen Mark – das entspricht den Baukosten von vier mittelgroßen Textilfabriken – standen zu Buche. Baufirmen und Künstler forderten nachdrücklich ihr Geld ein. Zwangsvollstreckung und Zivilklagen kündigten sich an. Konnte ein König in Konkurs gehen? Ein Skandal drohte. Finanzminister Emil Freiherr von Riedel (1832-1906) vermittelte ein großzügiges Darlehen, für das die Familie Wittelsbach auf Jahre hinaus haftete. Auch Bismarck stellte eine größere Summe zur Verfügung. Zusammen hätte man die Krise bewältigen können. Ludwig war jedoch nicht bereit, sich finanziell einzuschränken. Trotz eindringlicher Ermahnungen und Bitten setzte er die Bauvorhaben fort und plante sogar neue Projekte. Bereits im Sommer 1885 war ein neuer Höchststand erreicht. Die Schulden beliefen sich jetzt auf mehr als 14 Millionen Mark.

Die Schulden des Königs waren zunächst seine Privatsache. Als sich jedoch weitere Kredite ohne öffentliche Bürgschaften nicht beschaffen ließen, forderte er von seinen Ministern Unterstützung. Da sie seiner Bitte nicht nachkamen, drohte der König mit Entlassung und Einschaltung des Landtags. Jetzt kamen die Minister in Bedrängnis, ihnen blieb nur die Flucht nach vorne. Sie wollten ihre eigene Machtposition nicht gefährden und neben der Finanz- nicht auch noch eine Regierungskrise heraufbeschwören. Wie konnte der König aber entmachtet werden? Da eine freiwillige Abdankung Ludwigs nicht zu erwarten war, gab es dafür nur einen verfassungsmäßigen Weg: Es musste nachgewiesen werden, dass Ludwig II. aus gesundheitlichen Gründen die Amtsgeschäfte nicht mehr ausüben konnte. 

 

Grundlage der Überlegungen bildete § 11 des Titels II der bayerischen Verfassung von 1818. Hier war die Einsetzung einer „Reichs-Verwesung“ und somit der Entzug der Regierungsgeschäfte des König bei besonderen Umständen geregelt:

„Sollte der Monarch durch irgend eine Ursache, die in ihrer Wirkung länger als ein Jahr dauert, an der Ausübung der Regierung gehindert werden, und für diesen Fall nicht selbst Vorsehung getroffen haben oder treffen können, so findet mit Zustimmung der Stände, welchen die Verhinderungs-Ursachen anzuzeigen sind, gleichfalls die für den Fall der Minderjährigkeit bestimmte gesetzliche Regentschaft statt.“
(Verfassungs-Urkunde des Königreichs Baiern, München 1818, Titel II, § 11)

 

In Titel II, § 10 der der Verfassung war geregelt, wer die „Reichs-Verwesung“, also die Regentschaft, übernehmen sollte:


„Dem Monarchen steht es frey, unter den volljährigen Prinzen des Hauses den Reichs-Verweser für die Zeit der Minderjährigkeit seines Nachfolgers zu wählen.
In Ermanglung einer solchen Bestimmung gebührt die Reichs-Verwesung demjenigen volljährigen Agnaten, welcher nach der festgesetzten Erbfolge-Ordnung der Nächste ist.

Wäre der Prinz, welchem dieselbe nach obiger Bestimmung gebührt, selbst noch minderjährig, oder durch ein sonstiges Hinderniß abgehalten, die Regentschaft zu übernehmen, so fällt sie auf denjenigen Agnaten, welcher nach ihm der Nächste ist.“
(Verfassungs-Urkunde des Königreichs Baiern, München 1818, Titel II, § 10)

 

Der nächste in der Thronfolge nach dem kinderlosen König Ludwig II. war sein jüngerer Bruder, Prinz Otto, der allerdings einige Jahre zuvor wegen seiner Geisteskrankheit unter Gewahrsam gestellt und entmündigt worden war. Daher fiel nun Luitpold, dem Onkel Ludwigs II. und Ottos die Regentschaft zu.

 

Beim Nachweis für die Regierungsunfähigkeit Ludwigs kam die Psychiatrie ins Spiel. Professor Bernhard von Gudden (1824-1886) galt als renommiertester „Irrenarzt“ Bayerns. Er bot an, ein Ferngutachten über den König zu erstellen. Dieses Schriftstück, in dem Gudden Ludwig eine Geisteskrankheit attestierte, war der Schlüssel zur Entmündigung.

Prinz Luitpold, der seinerseits um das Vermögen seiner Familie fürchten musste, erklärte sich, nach anfänglichem Zögern, zur Übernahme der Regentschaft bereit.

 

Am 9. Juni 1886 verlas der Vorsitzende des bayerischen Ministerrats, Johann von Lutz (1826-1890), im Kreis aller Minister und in Anwesenheit von Prinz Luitpold das ärztliche Gutachten. Die Regierungsunfähigkeit König Ludwigs II. wurde von der Konferenz der bayerischen Minister offiziell bestätigt. Luitpold übernahm, noch unter Vorbehalt der Zustimmung des Landtags, die Regentschaft. Tags zuvor hatte er den deutschen und den österreichischen Kaiser sowie weitere Monarchen vom bevorstehenden Regentenwechsel in Bayern informiert.

Am 10. Juni 1886 erfolgte die öffentliche Bekanntmachung zur Regentschaft des 65-jährigen Prinzen Luitpold als „des Königreichs Bayern Verweser“. Auf Betreiben der Regierung wurde Ludwig II. als König abgesetzt, entmündigt und in Gewahrsam genommen. Wenige Tage später, am 13. Juni 1886 kam er unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben.

 

Einen Tag nach dem Tod König Ludwigs II. wurde in einer weiteren öffentlichen Bekanntmachung abermals die Übernahme der Regentschaft durch Luitpold öffentlich gemacht. In diesem „Thronfolge- und Regentschaftspatent“ wurde das Volk über Ludwigs Tod informiert und auf den Geisteszustand Ottos verwiesen, der eine Übernahme der Herrschaft durch den nächsten Agnaten, also Luitpold, verlange:

 

„Im Namen seiner Majestät des Königs.

Bayerns Königliches Haus und sein in Glück und Unglück treu zu Demselben stehendes Volk ist vom schweren Schicksalsschlage getroffen.

Nach Gottes unermesslichem Rathschlusse ist Seine Majestät König Ludwig II. aus dieser Zeitlichkeit geschieden. (…)

Indem Wir, im Namen seiner Majestät des Königs, die Reichsverwesung hiemit übernehmen, versehen Wir Uns zu allen Angehörigen der Bayerischen Erblande, daß sie Seine Majestät den König als ihren rechtmäßigen und einzigen Landesherrn so willig als pflichtmäßig erkennen, und Allerhöchst-Demselben und Uns, als dem durch die Verfassung berufenen Regenten, unverbrüchliche Treue und unweigerlichen Gehorsam leisten.“

(Thronfolge- und Regentschaftspatent, München, 14.6.1886, in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Bayern, Nr. 26 vom 14.6.1886, S. 301f.)

 

 

Vereidigung als Prinzregent vor dem bayerischen Parlament

Ende Juni 1886 billigten beide Kammern des bayerischen Parlaments die Fortführung der Regentschaft durch Luitpold auch unter Otto I., der, obwohl regierungsunfähig, der neue König war. Die Kammer der Reichsräte stimmte geschlossen dafür, die Kammer der Abgeordneten nach einer längeren Debatte ebenfalls. Der Vorsitzende im Ministerrat, Johann Ritter von Lutz, hatte sich am 26. Juni in einer langen Rede vor den Abgeordneten für sein Vorgehen bei der Entmündigung Ludwigs II. gerechtfertigt.

Am 28. Juni legte Luitpold so seinen Eid als Prinzregent auf die Verfassung ab.

 

 

Die Rechte Luitpolds als „Reichsverweser“

Laut Verfassung besaß ein bloßer Regent nicht das Recht neue Ämter einzuführen. Außerdem sollten alle Ämter nur provisorisch besetzt sein – ausgenommen Ämter der Justiz. Ebenso sollte ein Verweser keine Krongüter verkaufen und Titel sowie andere Privilegien nicht neu vergeben können. Diese Bestimmungen ließ Luitpold jedoch schon ein Jahr nach Herrschaftsantritt zu seinen Gunsten uminterpretieren. 

 

In finanzieller Hinsicht hatte der Prinzregent nur begrenzte Mittel. Frei zur Verfügung standen ihm jährlich 800.000 Reichsmark – weit weniger, als seinem „Vorgänger“ Ludwig II. Über zusätzliche Gelder aus der Zivilliste, oder aus Vermögensinstituten des Königlichen Hauses, die formell dem regierungsunfähigen König Otto zustanden, konnte Luitpold als Prinzregent nicht eigenständig verfügen. Hier bedurfte es der Zustimmung des Regentschaftsrats, also des Ministeriums. Dennoch ging Luitpold seit Herrschaftsantritt zügig daran, die Schulden Ludwigs zu tilgen, die den Zivilfonds der Wittelsbacher belasteten.

  

 

Probleme nach dem Antritt der Regentschaft

Die Absetzung Ludwigs II. bildete für Luitpold jedoch eine schwere Hypothek. Vor allem um den rätselhaften Tod Ludwigs II. am 13. Juni 1886 rankten sich bald Legenden. Sollte Ludwig am Ende ermordet worden sein? Vor allem die bayerischen Patrioten im Parlament kritisierten die Absetzung Ludwigs und die Regentschaft Luitpolds. Luitpold selbst soll nach einem Bericht Ferdinand von Millers ausgerufen haben „Man wird sagen, ich sei der Mörder.“ Er verließ das Palais mehrere Tage nur im geschlossenen Wagen. Bis in die frühen 1890er-Jahre gab es vereinzelte Protestaktionen. So wurde noch 1894 in Garmisch eine Büste Luitpolds in die Loisach gestoßen.