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Ludwig III.

 

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Prinzregent Luitpold als Integrationsfigur

Album zur 800-Jahrfeier der Burg Wittelsbach am 28. Mai 1914 Beisetzung von Prinzregent Luitpold, 1
Beisetzung von Prinzregent Luitpold, 2 Beisetzung von Prinzregent Luitpold, 3
Beisetzung von Prinzregent Luitpold, 4 Das Reiterstandbild Prinzregent Luitpolds in München
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Der Prinzregent als Gegenpol zu Ludwig II.
In bürgerlich-gebildeten Kreisen wurde in den ersten Jahren der Herrschaft von Prinzregent Luitpold zunehmend Kritik am verstorbenen Ludwig II. laut. Man warf ihm vor, er habe durch seine Zurückgezogenheit keinen Anteil an seinem Volk und Land genommen. Als König sei er nicht mehr wahrzunehmen gewesen. Einen Gegenpol hierzu zu bilden lag also im Interesse von Prinzregent und Ministerium gleichermaßen. Luitpold sollte dem Volk wieder zeigen, dass es einen Monarchen gab, sodass das Volk nicht länger über die Umstände von Tod und Entmachtung Ludwigs II. spekulierte.
 
 
Luitpold als volksnaher Regent
Bereits kurz nach Herrschaftsantritt begann Luitpold daher, wie dies für einen neuen Herrscher üblich ist, mit Reisen durch ganz Bayern, um in allen Landesteilen Präsenz zu zeigen. Bei diesen Reisen, bei Empfängen in Städten und Gemeinden, bei Ehrungen und Denkmalenthüllungen kamen dem Prinzregenten sein Pflichtbewusstsein, seine Geduld, seine Hilfsbereitschaft, auch seine Leutseligkeit und seine unprätentiöse Art zugute. Luitpold vereinte so seine bescheidene Lebenshaltung mit dem sicheren Empfinden für monarchische Repräsentation, die hohe Stellung seiner eigenen Person wie des Hauses Wittelsbach.
 
Zu den öffentlichkeitswirksamsten Auftritten gehörten seine jährlichen Besuche auf dem Oktoberfest, das in Zeiten der Monarchie den Charakter eines bayerischen Nationalfestes besaß. Zu meist fuhr er im offenen Wagen am Hauptsonntag über die von Menschenmassen gesäumte Strecke zur Theresienwiese. 
Auch bei zahlreichen kirchlichen Anlässen zeigte Luitpold Präsenz. Eine besondere Stellung nimmt die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession in München ein, bei der der Prinzregent alljährlich „mit der Kerze in der Hand“ hinter dem Allerheiligsten einherschritt.
Zu den öffentlichen Auftritten kamen viele private Reisen. Hervorzuheben sind hier vor allem seine Jagdausflüge.
All diese Gelegenheiten wurden auch genutzt, um den Prinzregenten, mittels Gedenk- oder Grußpostkarten, massenwirksam in Szene zu setzen. Hunderte dieser Sammelbilder wurden unters Volk gebracht, um die Nähe des Regenten zu seinem Untertanen darzustellen. Sie sind ein Beispiel für den Einsatz zeitgenössischer moderner „Massenmedien“ zur – heute würde man sagen – „Imagepflege“.
 
 
Luitpold und die Jagd
Nicht zuletzt die große Begeisterung Luitpolds für die Jagd trug zur Popularität des Prinzregenten bei. Der rüstige Herrscher, der auch gerne ritt und zum Bergsteigen ging, unternahm bis ins hohe Alter zahlreiche Jagdausflüge und begab sich dazu mehrmals jährlich in verschiedene Regionen des Königreichs. Neben dem Hochgebirge im Allgäu und im Berchtesgadener Land war auch der Spessart sein Jagdgebiet. Später ging er in der Münchner Gegend auf Entenjagd, unter anderem beim „Aumeister“ im Englischen Garten. Luitpold war ein ausgezeichneter Schütze. Er ließ sich die Tiere nicht wie oftmals üblich vor den Gewehrlauf treiben, sondern ging selbst auf die Pirsch. 
 

Die Tierliebe des Prinzregenten war allseits bekannt. So gibt es zahllose Fotografien, die Luitpold bei einer ihm sehr lieben Beschäftigung zeigen: dem Füttern von Schwänen. Auch dies wurde genutzt, um ein positives Bild des milden und naturverbundenen Herrschers zu zeichnen.

 
Gerade um die Jagdausflüge ranken sich zahllose Anekdoten, die von der einfachen Lebensweise und der Leutseligkeit des Prinzregenten berichten. Luitpold ging in einfacher Kleidung auf die Jagd: Kurze Lederhose, abgetragener Janker, Hut mit Gamsbart – das stand für Heimatverbundenheit, Heimatliebe, Tradition und Erfindung der Tracht sowie Neubelebung der Volksbräuche, die vor allem vom Bürgertum ausging. Unter anderem auf seinen Jagdausflügen, aber auch zu anderen Anlässen verschenkte der Prinzregent Zigarren – um diese „Relikte“ entwickelte sich geradezu eine kultische Verehrung. Der Prinzregent selbst rauchte täglich bis zu einem Dutzend Zigarren und frequentierte die Münchner Zigarrenhandlungen häufig: In der Residenz musste immer ein kleiner Notvorrat verschiedener Sorten, besonders Havannes, gelagert werden. 
 
 
„Vater Luitpold“
Wichtig für die Popularität des Prinzregenten war auch sein hohes Alter, mit dem sich Attribute wie Milde und Weisheit verbanden.
Die lange Dauer seiner Regentschaft und die „biedermeierliche“ Prägung seines Lebensstils schufen zudem ein Gefühl der Kontinuität in Zeiten des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Wandels.
So wurde der Prinzregent zum Garant für Tradition und Ordnung in einer sich rasch wandelnden  Welt.
 
 
Legitimistische Einstellung
Bis zuletzt begnügte sich Luitpold als Prinzregent zu herrschen, ohne König Otto I. absetzen und sich selbst zum König krönen zu lassen. Auch diese legitimistisch geprägte Einstellung brachte ihm Anerkennung in der bayerischen Bevölkerung ein. 
Somit feierte ein Prinzregent, das Jubiläum der 100-jährigen Erhebung Bayerns zum Königreich im Jahre 1906.
 
 
Das Bürgertum als Stütze Luitpolds
Das heimatverbundene Bürgertum unterstützte Luitpold nicht nur, der Regent gab sich selbst gut bürgerlich. Schon vor 1886 hatte er Kontakte zu Wissenschaftlern und Künstlern gepflegt, Kunst und Kunstgewerbe gefördert. Auch legte er eine eigene Kunstsammlung an und bewirkte, dass es in besseren Kreisen en vogue wurde, sich für die Förderung der Künste zu engagieren. Dieser großbürgerlich anmutende Lebensstil brachte ihm die Sympathien des Bürgertums ein.
 
Der Kunstsinn des Herrschers, der demjenigen seiner Vorgänger in nichts nachstand, tat ein Übriges, seine Popularität zu steigern. Zwar wirkte Luitpold nicht aktiv bei der Planung von Bauwerken mit, dennoch erlebte besonders die Landeshauptstadt München unter seiner Regierung eine Zeit der kulturellen Blüte: Neue Bauten gaben dem Kunstsinn Luitpolds sichtbaren Ausdruck, sein Mäzenatentum wurde bei Kunstausstellungen und Atelierbesuchen sowie bei der Förderung der Pläne zur Errichtung eines technischen Deutschen Museums von Oskar von Miller sichtbar.
 
 
Zeichen der Zuneigung
Die breite Sympathie, die Luitpold in allen Bevölkerungsteilen und -schichten erfuhr, wurde besonders an Feierlichkeiten anlässlich seiner runden Geburtstage 18911901 und vor allem 1911 deutlich. Anlässlich des 90. Geburtstags am 12. März 1911 wurde in München-Schwabing ein Park eröffnet, dem der Prinzregent seinen Namen gab: der bis heute bestehende Luitpoldpark. Im ganzen Königreich wurden dem Regenten Parks und Plätze gewidmet, Standbilder und Brunnen gestiftet. Unter anderem der Brunnen vor der Würzburger Residenz, den die Schutzpatronin Frankens, die Franconia, krönt und der 1891 zum 70. Geburtstag des Stadtsohnes errichtet worden war, oder das 1913 von Adolf von Hildebrand geschaffene Reiterstandbild Luitpolds vor dem Bayerischen Nationalmuseum in der nach Luitpold benannten Prinzregentenstraße, die in der Prinzregenten- oder Luitpoldbrücke mündet.
Die Kreation der nach Luitpold benannten „Prinzregententorte“ symbolisiert die Integrationskraft des Herrschers auf ihre Weise: Die acht Schichten, aus denen sie besteht, stehen für die acht bayerischen Bezirke in Altbayern, Franken, Schwaben und der Pfalz.

Die große Menschenmenge, die an der Beisetzung Luitpolds, am 19. Dezember 1912 teilnahm, war ebenfalls Ausdruck der Zuneigung.
 
 
Die „Prinzregentenzeit“ als die „gute alte Zeit“ im Spiegel des Ersten Weltkriegs
Prinzregent Luitpold wurde im Lauf seiner über 25-jährigen Regentschaft zu einer Integrationsfigur für alle Bevölkerungsschichten, besonders aber für die großbürgerliche, nationalliberal gesinnte Elite. So wurden ihm Namen wie „edler Fürstengreis“, „Segen seines Hauses“ oder „Vater Luitpold“ zuteil. 
Die Prinzregentenzeit wurde schon bald verklärt, als die Zeit des Friedens, des wirtschaftlichen Aufschwungs und Wachstums, der kulturellen Blüte, des zivilisatorischen Fortschritts und des gesellschaftlichen Wandels. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 war diese Epoche schlagartig beendet und musste angesichts des mörderischen, technisierten Kriegs viele als „gute alte Zeit“ erscheinen.