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„Die Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit“ war nicht erst das politische Gebot seit Ende des Zweiten Weltkrieges, sondern stand schon das ganze 19. Jahrhundert über auf der Tagesordnung. Der Deutsche Bund von 1815 war ein loser Verband deutscher Staaten. Liberalismus und nationale Bewegung forderten, ihn zu einem geeinten Staat mit einem nationalen Parlament gewählter Volksvertreter umzuformen. Die Revolution von 1848/49 versuchte diese Ziele durchzusetzen. Obwohl schließlich sogar eine Verfassung für das neu zu gründende Deutsche Reich verabschiedet wurde, scheiterte die Revolution zuletzt am Widerstand der Monarchien und ihrer Anhänger.
Die nationalstaatliche Bewegung bis 1848
Die deutsche Revolution nahm im März 1848 ihren Anfang. Sie wurde daher als Märzrevolution bekannt, ihre lange Vorgeschichte seitdem als „Vormärz“ bezeichnet. Seit den Befreiungskriegen hatten sich liberale, demokratische und nationale Kräfte um eine Einigung Deutschlands bemüht, um die Einführung von Bürger- und Menschenrechten auf nationaler Ebene sowie um eine wirtschaftliche Einigung der deutschen Staaten. Mit den Zollunionen von 1828 und 1834 war bereits ein wesentlicher Schritt unternommen. Die wirtschaftliche Einigung Deutschlands sollte der politischen vorausgehen.
Der Beginn der Revolution
Wie schon 1789 und 1830 war es Frankreich, von dem der revolutionäre Funke auf Europa übersprang. Die Nachricht vom Sturz des französischen Königs Louis-Philippe in Paris im Februar 1848 ließ auch im Deutschen Bund Proteste laut werden. Liberale und Demokraten versammelten sich in den Städten, um für Freiheitsrechte und Mitbestimmung in ihren Ländern zu demonstrieren. In allen deutschen Staaten forderten die Revolutionäre demokratische Wahlen, die Aufhebung der Pressezensur und des Versammlungsverbots, eine Reform des Justizwesens sowie die Verantwortlichkeit der Regierung vor dem Parlament.
Während in Bayern die Proteste im März 1848 mehr oder weniger friedlich verliefen, kam es andernorts in Deutschland zu massiven Auseinandersetzungen. In Leipzig versammelten sich Demonstranten um den radikalen Demokraten Robert Blum (1807–1848). Ein Protestmarsch nach Dresden wurde abgewendet, als König Friedrich August II. (1797–1854) mit Zugeständnissen reagierte. In Berlin tobten im März Barrikadenkämpfe, bei deren Niederschlagung die königliche Garnison ein Blutbad anrichtete. Friedrich Wilhelm IV. verneigte sich anschließend vor den Opfern und versprach eine Verfassung für Preußen.
In Wien trat Staatskanzler Metternich, der Inbegriff des repressiven Systems der vergangenen Jahrzehnte, auf Druck der Öffentlichkeit zurück. Er hatte das Militär gegen die Aufständischen in der Stadt einsetzen wollen. Inzwischen drohte gar der Zerfall der Habsburgermonarchie. In Böhmen, Mähren, Ungarn, Galizien und Oberitalien organisierten sich Volksbewegungen, die die Gründung eigener Nationalstaaten forderten. In der Monarchie kam es zu bürgerkriegsähnlichen Konflikten. Dem österreichischen Heer gelang es nur mit russischer Hilfe, im Lauf des folgenden Jahres die Aufstände niederzuschlagen. Kaiser Ferdinand I. (1793–1875) war schon im März 1848 mit seiner Familie nach Innsbruck geflohen. Im Dezember 1848 überließ er das Kaisertum seinem Neffen Franz Joseph (1830–1916).
Die Lage in Bayern
In Bayern hatte es bereits seit Beginn des Jahres 1848 vielerorts Unruhen und Proteste gegeben. Missernten im Vorjahr führten zu den höchsten Lebensmittelpreisen seit 1800, gleichzeitig sanken die Löhne auf ein Rekordtief.
Der Unmut in der Hauptstadt München hatte sich konkret seit 1846/47 an der Affäre um Lola Montez entzündet. Ludwig I. hatte seiner Geliebten den Titel einer Gräfin Landsfeld verliehen, um ihr das Heimatrecht in Bayern zu gewähren. Er ließ ein eigenes Palais in der Barer Straße für sie errichten und ermöglichte ihr einen kostspieligen Lebenswandel. Damit nicht genug, nahm die Gräfin Einfluss auf die Regierungsgeschäfte. Proteste hiergegen verstand der König als Anfeindung seiner Person. Die übertriebenen Maßnahmen gegen Kritiker (Schließung der Universität München, Entlassung von Ministern) verschärften die Situation. Im Februar 1848 sah sich der König auf die anhaltenden Proteste hin gezwungen, die Gräfin Landsfeld des Landes zu verweisen.
Ludwigs Ansehen in der Bevölkerung hatte durch die Affäre schweren Schaden genommen. In dieser Situation traf die Nachricht von der Revolution in Paris ein (Februarrevolution). Die Kundgebungen in München, Augsburg und Nürnberg brachen nicht mehr ab.
Die Ereignisse Anfang März 1848
Am 3. März unterschrieben tausende Bürger im Münchner Rathaus eine Petition mit der Forderung nach weiteren Reformen und Freiheitsrechten. Als Demonstranten am 4. März das Zeughaus in München stürmten und sich eigenmächtig bewaffneten, war es Prinz Carl, der Bruder des Königs und Generalfeldmarschall der bayerischen Armee, dessen Erscheinen für Ruhe sorgte.
Am 6. März gab der König in einer Proklamation (Märzproklamation) bekannt, er wolle umgehend die Ständeversammlung einberufen und Reformen veranlassen. Noch am selben Tag wurde die Armee auf die Verfassung vereidigt. In Nürnberg und andernorts versammelten sich die Bürger, um die Reformankündigung mit Jubel zu feiern.
Die Märzproklamation und die Abdankung Ludwigs I.
Ludwig hatte mit der Märzproklamation, die ihm freilich von seinem Minister Oettingen-Wallerstein regelrecht diktiert worden war, auf die Unruhen und Demonstrationen reagiert. Die Krise schien beseitigt. Dann aber gab König Ludwig am 19. März 1848 seine Abdankung bekannt, freiwillig und letztlich ohne Not – die öffentliche Meinung stand nach den Zugeständnissen vom 6. März wieder hinter ihrem Monarchen. Ludwig I. kam daher nicht durch die Revolution zu Fall wie etwa Fürst Metternich oder Louis Philippe von Frankreich.
Der neue König Maximilian II.
Es lag somit an Ludwigs Nachfolger Maximilian, die versprochenen Reformen zu gewähren und der revolutionären Stimmung in Bayern zu begegnen. Die Märzproklamation seines Vaters band den neuen König Maximilian II. an ein Programm, dessen Umsetzung aus Bayern erst eigentlich eine konstitutionelle Monarchie machte und dem Rechtsstaat zum Durchbruch verhalf.
Die Reformen gaben dem Landtag mehr Mitbestimmung, sorgten für die Befreiung der Bauern, die weitere Emanzipation der Juden, die Öffentlichkeit der Gerichte, für die Verbesserung des Wahlrechts und des Strafrechts, für Pressefreiheit und die Neuordnung der Landwehr als Teil der bayerischen Armee.
Die Mehrzahl der Reformen wurde auf dem Landtag (der nun auch so bezeichnet wurde) vom März bis Mai 1848 verabschiedet. Die übrigen Reformen wurden damals nur in Aussicht gestellt und erst Jahre später beschlossen. Für den Augenblick hatte der sogenannte Reformlandtag von 1848 die Lage in Bayern entspannt.
Die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt am Main (1848/49)
Unruhen schwelten jedoch in Teilen Frankens, Schwabens und der Pfalz. Unter dem Eindruck der revolutionären Bewegung im übrigen Deutschland bildeten sich hier radikale Gruppen, die sogenannten „Märzvereine“. Sie forderten einen nationalen Einheitsstaat sowie die Abschaffung der Monarchie zugunsten einer Republik. Ihr politischer Zulauf blieb vorerst jedoch begrenzt. Dies umso mehr, als die Bundesversammlung in Frankfurt Anfang April demokratische Wahlen zu einer Nationalversammlung beschlossen hatte; sie fanden bereits am 25. bzw. 28. April statt. Die neugegründeten „Märzvereine“ hatten somit kaum Gelegenheit, sich den Wählern bekannt zu machen. In der Nationalversammlung wurde Bayern, insbesondere Altbayern, von gemäßigten, teils auch regierungsnahen Abgeordneten vertreten.
Am 18. Mai 1848 trat die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammen. In den folgenden Monaten wurde über eine gesamtdeutsche Verfassung beraten, ebenso über den Umfang und das Regierungssystem eines künftigen deutschen Nationalstaates. Die Debatten zogen sich hin, in der Zwischenzeit hatten die deutschen Monarchen Gelegenheit, gegen die Beschlüsse der Paulskirche Vorkehrungen zu treffen.
Die Haltung der bayerischen Monarchie
König Maximilian II. lehnte die Paulskirchenversammlung wie die gesamte Revolution innerlich ab, nicht anders als die übrigen deutschen Fürsten. Die Reformen in Bayern vom Frühjahr 1848 nahmen der Opposition den Wind aus den Segeln und ließen die Gegner der Monarchie vorübergehend verstummen.
Der neue König verfügte im März 1848 eine Generalamnestie für alle politischen Verbrechen und Vergehen sowie für alle Fälle von Wald- und Forstfrevel (ein Entgegenkommen für die damals von Missernten geplagte Landbevölkerung). Im Generalpardon vom 7. Juni 1848 wurden alle Fälle von Ungehorsam und Widerstand gegen die Konskription durch die bayerische Armee für nichtig erklärt. Der König ließ auch die Gehälter für Beamte und Offiziere anheben, die während der Regierungszeit Ludwigs I. praktisch niemals erhöht worden waren.
Maximilian und seine Regierung begannen eine neue Pressepolitik. 1848 stieg die Zahl der Zeitungen in Bayern wie in Deutschland für kurze Zeit sprunghaft an. Der König besaß seitdem eine eigene Staatszeitung (die ehemalige „Münchner politische Zeitung“, nun „Neue Münchner Zeitung“), er ließ Redakteure anderer Blätter bezahlen oder Berichte und Gegendarstellungen lancieren. Zudem wurde ein eigenes Pressebüro der Regierung eingerichtet. Alle diese Maßnahmen dienten dem Zweck, die Öffentlichkeit in Bayern auf die Seite des Königs zu ziehen.
Während sich der König einerseits reformwillig und dialogbereit zeigte, wurde andererseits die bayerische Armee mobilisiert, um für Ruhe zu sorgen. Bayern hatte seit Frühjahr 1848 Truppenkorps in der Pfalz und in Schwaben stationiert, ebenso wurde Militär nach Baden, Frankfurt am Main, in die thüringischen Staaten und nach Schleswig-Holstein entsandt.
Das Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung
Die Nationalversammlung in Frankfurt legte am 27. Dezember 1848 eine Charta der Grundrechte des deutschen Volkes vor. Die bayerische Regierung lehnte das Reichsgesetz am 5. Januar 1849 ab, mit der Begründung, Änderungen der Bayerischen Verfassung seien nur mit einer Zweidrittelmehrheit des Landtags möglich.
Am 23. April 1849 lehnte die bayerische Regierung auch die Vorlage einer Deutschen Reichsverfassung ab. Diese Verfassung sah ein nationales Parlament, ein oberstes Reichsgericht, eine gemeinsame Regierung mit einem deutschen Kaiser an der Spitze sowie Grundrechte für alle Bürger vor. Die bayerische Regierung verwahrte sich jedoch gegen den Ausschluss Österreichs aus dem künftigen Deutschen Reich, gegen den Verlust von Hoheitsrechten an den neuen Staat wie auch gegen die Einführung eines Erbkaisertitels für den preußischen König.
Obgleich 28 deutsche Staaten ihre Zusage zur Reichsverfassung gegeben hatten, folgte nun auch das Königreich Hannover dem Nein Bayerns. Damit hatten sich neben Preußen und Österreich die beiden größten deutschen Mittelstaaten gegen die Verfassung ausgesprochen. Dies brachte das gesamte Werk der Paulskirche zu Fall. Die Nationalversammlung brach auseinander, ein Rumpfparlament tagte im Juli 1849 in Stuttgart weiter, ehe es von württembergischen Truppen aufgelöst wurde.
Die Ablehnung der Reichsverfassung durch die Regierungen wurde in Bayern wie in anderen Teilen Deutschlands nicht widerspruchslos hingenommen. Noch einmal radikalisierte sich die Lage, ähnlich wie schon zu Beginn der Revolution. In Franken, Schwaben und der Pfalz traten die Märzvereine mit ihren Forderungen nach Abschaffung der Monarchie erneut auf den Plan. Ebenso forderten sie nun die Abspaltung Frankens und der Pfalz vom Königreich. Durch Unterschriftenaktionen in Nürnberg, Würzburg, Bamberg, Augsburg, Kempten, Krumbach oder Illertissen wandten sich die Bürger an den König, er möge der Reichsverfassung doch noch zustimmen.
Auch im Landtag gab es heftige Empörung gegen die Regierung. Die Mehrheit der Abgeordnetenkammer war für die Reichsverfassung. Dennoch war das Land gespalten. In den Städten und Märkten Altbayerns hatte die Ablehnung der Paulskirchenverfassung überwogen, in Neubayern waren die Befürworter in der Mehrheit. Anfang Mai 1849 beschloss eine Versammlung in Nürnberg mit über 10 000 Teilnehmern die Trennung von Bayern. Das Festkomitee des Frankentags von 1849 in Nürnberg ersuchte die Frankfurter Nationalversammlung um Entsendung eines Reichsverwesers für Franken. In Neustadt in der Pfalz wurde im Mai 1849 die Republik ausgerufen.
Die bayerische Regierung ging nun gegen die Oppositionellen vor. Sie verbot die Märzvereine im Juni 1849 und sorgte für ihre Auflösung. Der Aufstand republikanischer Kräfte in der Pfalz wurde mit Hilfe preußischen Militärs blutig niedergeschlagen.
Die Revolution wird beendet
Im Sommer 1849 bereisten König Maximilian und Königin Marie Friederike viele Städte in Bayern. Ihr Erscheinen trug wesentlich zur Entspannung der Lage bei. In der Bevölkerung überwog zwar die Enttäuschung über das Scheitern der nationalen Einigung und Verfassunggebung. Gleichzeitig hatte die Monarchie viele Reformen ermöglicht und das Bürgertum vor einem vermeintlichen Umsturz durch die Arbeiterschaft bewahrt.
Der Landtag war Mitte Juli 1849 aufgelöst worden. Er trat nach Neuwahlen im Herbst wieder zusammen. Der neue Innenminister von der Pfordten (1811-1880), ein konservativer Gegner der Revolution, legte den Kammern weitere Reformgesetze vor – vor allem das Gesetz über Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, dessen Verabschiedung die Opposition besänftigte.
Die Revolution von 1848/49 scheiterte keineswegs allein am Veto Bayerns und anderer gegen die Reichsverfassung. Die Märzrevolution stand vielmehr vor der Schwierigkeit, die Verfassungsfrage für Deutschland ebenso klären zu müssen wie die Soziale Frage und die Frage einer groß- oder kleindeutschen Einigung.
In Bayern hatte es König Maximilian II. verstanden, die konservativen Kräfte ebenso wie viele Liberale für seine Politik zu gewinnen, ehe sich die Regierung seit Beginn des Jahres 1849 gegen die Paulskirche stellte. Für die Loyalität der bayerischen Bevölkerung ist die Angst vor einer Radikalisierung der Revolution ebenso entscheidend gewesen wie die Reformpolitik des Königs. Das Reformwerk Maximilians II. ist zwar mit der Revolution von 1848/49 eng verbunden, es lässt sich jedoch nicht alleine durch sie erklären.