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Ludwig I.

 

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Entmachtung und Tod Ludwigs II.

angebliche Mordwaffe beim Tod Ludwigs II. – Windbüchse, System Girandoni Bekanntmachung der Fortführung der Regierung von Prinzregent Luitpold nach dem Tod Ludwigs II.
Blüten vom Blumenstrauß Kaiserin Elisabeths von Österreich für die Aufbahrung Ludwigs II. (1886) König Ludwig II. auf der Totenbahre
Postkarte König Ludwig II. und Dr. Gudden im Starnberger See Postkarte „Bayerns Stolz – Bayerns Leid“
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Wohl kein Kapitel in der Biografie Ludwigs II. erregte und erregt so viel Interesse und wird bis heute so kontrovers diskutiert wie die Vorgänge um die Entmachtung und den ungeklärten Tod des bayerischen Königs. Diese Ereignisse müssen im Kontext der gesamten Regierungszeit Ludwigs II. betrachtet werden, die Entmündigung und Inverwahrnahme des Königs waren das dramatische Ende eines vielschichtigen und längeren Prozesses.

 

Die Vorgeschichte der Entmachtung

Seit der Reichsgründung 1871 und dem damit verbundenen Verlust der Eigenstaatlichkeit Bayerns resignierte der König zunehmend, kam seinen Repräsentationspflichten immer weniger nach und zog sich auf seine Schlösser und Königshäuser in den Bergen zurück. Diese Haltung zog im Lauf der Jahre immer mehr Kritik nach sich, auch wenn der König, insbesondere bei der Bevölkerung in den Gebieten seiner Bauprojekte Verehrung fand. Seine politischen Aufgaben erfüllte Ludwig II. bis zum Schluss gewissenhaft, er leistete die notwendigen Unterschriften und behinderte somit den Fortgang des politischen Tagesgeschäfts nicht. Doch Ludwig II. verweigerte wesentliche herrscherliche Erwartungen. Weder zeigte er sich seinem Volk im Rahmen der wichtigen Inszenierungen der Königswürde wie etwa bei den Fronleichnamsprozessionen, im Königszelt des Oktoberfestes oder im Rahmen größerer Festlichkeiten wie dem 700-jährigen Jubiläum der Wittelsbacher im Jahr 1880. Immer mehr mied er offizielle und repräsentative Verpflichtungen. Diese Aufgaben übernahmen seit Jahren Ludwigs Onkel Luitpold und dessen Söhne. Auch die Minister und Kabinettssekretäre empfing Ludwig II. seit 1884 nicht mehr zum persönlichen Gespräch. Seit Mai 1885 ließ er sich nicht mehr in seiner Residenzstadt sehen. Die Abwesenheit Ludwigs II. von München und der Rückzug aus den politischen Geschäften stärkte die Position der Minister. Dem Ansehen des Monarchen schadete die mangelnde Präsenz. Es entstand Raum für allerhand Gerüchte über den König. 

 

Die Königskrise von 1884

Die königlichen Großbaustellen Herrenchiemsee und Neuschwanstein verschlangen große Summen, die anwachsende Verschuldung seit den frühen 1880er-Jahren wurde zunehmend zum Problem. Im Frühjahr 1884 waren die Schulden Ludwigs II. auf über 8,25 Millionen Mark angewachsen. Erste Baufirmen und Künstler begannen, dem König mit Zivilklagen und Zwangsvollstreckung zu drohen. Nun entstand akuter Handlungsbedarf, denn ein König, der „auf die Gant“ kam, war ein unabwägbares Risiko für das Ansehen der Familie und der Monarchie insgesamt. Finanzminister Emil von Riedel versuchte dem König in einem Brief den Ernst der Lage klarzumachen. Es gelang ihm durch ein langfristiges Darlehen, für das die Wittelsbacher Familie haftete, und durch die Hilfe Bismarcks mit einem Zuschuss von einer Million Mark, die Krise beizulegen. Die Beruhigung der finanziellen Situation war jedoch nicht von langer Dauer. Der König verwendete das Darlehen nicht zur Schuldentilgung, sondern kaufte die Burgruine Falkenstein an und stürzte sich in die Planung weiterer Projekte wie den Bau eines byzantinischen und eines chinesischen Palastes. Bereits ein Jahr später, im Sommer 1885, waren die Schulden des Königs auf über 14 Millionen Mark angewachsen.

 

Im August 1885 wies Ludwig II. seinen Finanzminister erneut an, weiteres Geld für die Baumaßnahmen zu beschaffen. Der König hatte bisher die Baukosten aus seiner Privatschatulle beglichen, doch mit dieser Anweisung wurde das „Privatproblem“ zum Staatsproblem. Im Herbst 1885 wurde die erste Zahlungsklage gegen die königliche Zivilliste eingereicht. Ludwig II. versuchte nun auf allen erdenklichen Wegen, Geld zu beschaffen. Dabei war dem König der Ernst der Lage vermutlich nicht im vollen Umfang bewusst. Seit Sommer 1885 machten viele Pressemitteilungen negative Stimmung gegen den König. Neben der Finanzkrise wurde nun auch mehr oder minder deutlich über den ungewöhnlichen Lebenswandel Ludwigs II. und den Aufenthalt von Reitersoldaten bei Hofe berichtet.

 

Auf Anraten Otto von Bismarcks, an den sich Ludwig II. gewandt hatte, beauftragte der König im April 1886 das Finanzministerium, die Bewilligung der notwendigen Gelder vor dem Landtag zu beantragen. Doch Ludwig II. konnte sich nicht dazu durchringen, persönlich vor den Abgeordneten zu sprechen. Diese lehnten schließlich eine Unterstützung ab. Nachdem von den Ministern keine Hilfe mehr zu erwarten war, sandte Ludwig seinen Leibfriseur aus, um ein neues Ministerium zu bilden. Auch eine Kontaktaufnahme zum Wortführer der Patrioten, Arbogast von Franckenstein, erfolgte. Doch die Patriotenpartei, die im Landtag die Mehrheit besaß, wollte in dieser ausweglosen Situation die Regierungsverantwortung nicht übernehmen. Die Lage war verfahren, zumal die Vorgänge von seiten der Politiker als skandalöser Affront gegen die Kernprinzipien des Parlamentarismus betrachtet wurden.

 

Zu diesem Zeitpunkt stellten sowohl Prinz Luitpold von Bayern, der nächste Anwärter auf die Krone, wie auch Johann von Lutz, seit 1880 Vorsitzender des Ministerrats, Überlegungen an, wie man den König entmündigen könnte. Luitpold hatte Lutz im Lauf des Frühjahrs 1886 bereits signalisiert, dass er bei einer eventuellen Übernahme der Regentschaft die liberale Regierung im Amt belassen würde. Damit war eine neue Koalition aus Regierung und dem künftigen Regenten entstanden. Es musste nur ein Weg gefunden werden, den König auf legalem Wege abzusetzen.

 

Das Gutachten

Die Lösung der schwierigen Frage bot sich mit Professor Bernhard von Gudden an, dem Münchner Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Leiter der Oberbayerischen Kreisirrenanstalt. Der renommierte Irrenarzt betreute Ludwigs geisteskranken Bruder Otto und hatte dadurch intime Kenntnisse über das Königshaus. Gudden war auch von der Geisteskrankheit Ludwigs II. überzeugt. Bei einer Unterredung mit Minister von Lutz am 23. März 1886 erklärte sich Bernhard von Gudden bereit, ein psychiatrisches Gutachten über den König zu erstellen. Im April und Mai wurden Zeugen vernommen, die sich hauptsächlich aus dem Kreis des königlichen Dienstpersonals und des Kabinettssekretariats rekrutierten. Auch schriftliche Beweise zur Untermauerung der Geisteskrankheiten wurden gesammelt, darunter die zahllosen Handschreiben Ludwigs II. Die Problematik einer Ferndiagnose war den Beteiligten durchaus bewusst, dennoch wurde eine persönliche Untersuchung aus Angst vor den Folgen nicht erwogen.

Das Gutachten wurde der juristische Schlüssel zur Entmündigung des Königs, denn eine Regentschaftsübernahme war laut Verfassung nur möglich, wenn der König länger als ein Jahr die Regierung nicht ausüben konnte.

 

Die Einsetzung der Regentschaft

Zwischen 7. und 9. Juni 1886 fanden mehrere Sitzungen des königlichen Gesamtstaatsministeriums unter Vorsitz von Prinz Luitpold statt. Fünf der anwesenden Minister stellten eingangs die „vorhandenen Anzeichen einer schweren geistigen Erkrankung“ Ludwigs II. fest. Am Ende der ersten Sitzung wurde die Einholung eines Gutachtens beschlossen. Nach der Beauftragung am 7. Juni legte Gudden bereits am nächsten Tag das Gutachten mit umfassendem Belegmaterial vor. Vier weitere Koryphäen auf dem Gebiet der Psychiatrie, nämlich Friedrich-Wilhelm Hagen (Direktor der Kreisirrenanstalt Erlangen), Hubert Grashey (Würzburger Universitätsprofessor für Psychiatrie) und Max Hubrich (Direktor der Kreisirrenanstalt Werneck). hatten das Schriftstück ebenfalls unterzeichnet.

 

Das Gutachten, das als Krankheitssymptome unter anderem die Tag-Nacht-Umkehr, Angstzustände, Halluzinationen, Misshandlungen der Dienerschaft, Medikamentenmissbrauch benannte, endete mit der Feststellung: „Seine Majestät sind in sehr weit vorgeschrittenem Grade seelengestört und zwar leiden Allerhöchstdieselben an jener Form von Geisteskrankheit, die, den Irrenärzten aus Erfahrung wohl bekannt, mit dem Namen Paranoia bezeichnet wird.“ Die Ausübung der Regierung sei dadurch weit länger als ein Jahr verhindert. So erklärten die Minister im Anschluss, dass alle Voraussetzungen zur Übernahme der Regentschaft gegeben wären. Am 10. Juni 1886 wurden die Entmündigung des Königs und die Regentschaft Luitpolds öffentlich verkündet. Die deutschen Fürsten wurden ebenfalls unterrichtet. Bismarck erklärte, sich in dieser innerbayerischen Angelegenheit neutral zu verhalten.

 

Die Inverwahrnahme des Königs

Direkt nach der Ministerratssitzung vom 9. Juni verließ eine elfköpfige Delegation aus Politikern, Ärzten und Pflegern München mit einem Sonderzug nach Hohenschwangau, um Ludwig II. von seiner Absetzung zu unterrichten und ihn zu internieren. Diese Aktion wurde zum Desaster: Feuerwehrleute und Gendarme hielten ihrem König die Treue und nahmen schließlich die meisten Mitglieder der Kommission fest. Im Lauf des Vormittags am 10. Juni änderte sich jedoch die Situation: Was zunächst nach Putsch und Staatsstreich ausgesehen hatte, bekam nun aufgrund telegrafischer Weisungen aus München einen legalen Anstrich. Die Absetzung des Königs und die Regentschaftsproklamation wurden bestätigt. Obwohl Ludwig II. inzwischen von seinem Flügeladjutanten Alfred von Dürckheim-Montmartin zur Gegenwehr oder Flucht aufgefordert wurde, ließ der König die im Torbau von Neuschwanstein festgesetzte Abordnung nach München zurückkehren. Er selbst verharrte unschlüssig auf dem Schloss. Prinz Luitpold und Minister Lutz dagegen hielten an ihrem Kurs fest: Die Proklamation wurde allerorts verkündet, um keinen Zweifel an der Legitimität der Regentschaft aufkommen zu lassen. Zudem entsandte man eine Münchner Gendarmerieabteilung nach Neuschwanstein, die die Füssener Gendarmerie ersetzen sollte. In München tagte erneut der Ministerrat in der Nacht vom 10. auf den 11. Juni. Gemeinsam beschloss man, eine zweite Kommission zu entsenden, die nun nur noch aus Ärzten und Pflegern bestehen sollte. Am 12. Juni gegen Mitternacht kam die zweite Kommission in Hohenschwangau an, die aus den Ärzten Gudden und Müller, einem Gendarmeriehauptmann und fünf Pflegern bestand. Ludwig II. fügte sich in sein Schicksal. Verzweifelt, aber beherrscht bestieg er um 4 Uhr morgens eine verriegelte Kutsche, die ihn nach Schloss Berg brachte, das man inzwischen aufgrund der bestehenden Suizidgefahr des Königs notdürftig präpariert hatte.

 

Der Tod Ludwigs II.

Am 12. Juni 1886 traf die zweite Kommission mit dem König mittags in Berg ein. Ludwig II. verhielt sich zurückhaltend, obwohl ihm alle Lebensinhalte genommen worden waren. Nicht einmal mehr seinen Tagesablauf konnte er selbst bestimmen. Ludwig II. hatte im Lauf seines Lebens verschiedentlich Selbstmordabsichten geäußert, auch in der jetzigen Situation verlangte er wiederholt nach Gift. Am 13. Juni, dem Pfingstsonntag, eineinhalb Tage nach der Ankunft in Schloss Berg, begab sich der König gegen 18.45 Uhr auf einen Spaziergang mit seinem Arzt Bernhard von Gudden. Auf Wunsch Guddens – oder aufgrund eines Missverständnisses – wurden die Pfleger zurückgelassen. Als der König und sein Arzt nach eineinhalb Stunden noch nicht zurückgekehrt waren, ließ man nach ihnen suchen. Kurz vor 23.00 Uhr fand man ihre Leichen im Starnberger See. Die sofort eingeleiteten Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos, um Mitternacht erklärte man Ludwig II. und Bernhard von Gudden für tot.

 

Bis heute ranken sich um die Vorgänge viele Theorien. Zeugenaussagen, Tatortskizzen und Autopsieergebnisse geben nur bis zu einem gewissen Grad eine befriedigende Antwort. Durch widersprüchliche Berichte und ins Kraut schießende Gerüchte um verschwundene Beweisstücke, Fluchtabsichten, gar Mordpläne bleibt der Todesfall Ludwigs II. ungeklärt: Selbstmord nach vorheriger Ermordung seines Arztes, ein Herzschlag beim Fluchtversuch, Ludwig II. als Opfer eines Schusses entweder aus Mordabsicht oder aus Versehen, das sind nur die wichtigsten Theorien zu den Vorgängen des 13. Juni 1886.

 

Die Aufbahrung und das Begräbnis des Königs waren ein aufsehenerregendes Ereignis in Bayern, das von tausenden Menschen begleitet wurde. Der Tod Ludwigs II. löste eine Welle der Anteilnahme aus, die weit über die bayerischen und deutschen Grenzen hinaus ging. Die Monarchie sollte in Bayern nie wieder den Glanz wie unter Ludwig II. erreichen, dem die Bevölkerung nun in romantisierender Weise nachtrauerte. Prinzregent Luitpold bemühte sich durch Bescheidenheit und Tüchtigkeit das anfängliche Misstrauen eines Teils seiner Untertanen zu überwinden, die ihm die Schuld am Tod des Königs zuwiesen. Der Prinzregent gab sich volksnah – im Vergleich zu Ludwig II. fehlte ihm jedoch der monarchische Glanz, den auch sein Sohn als Nachfolger vermissen ließ. Ludwig III., der sich noch zu Lebzeiten König Ottos zum König krönen ließ, wurde nach dem Ersten Weltkrieg in der Novemberrevolution von 1918 als erster Monarch in Deutschland gestürzt. Ludwig II. wäre zu diesem Zeitpunkt 73 Jahre alt gewesen.