Themen
Personen
Objekte
August 1871
Fotografie (Reproduktion), Amberg, August 1871
Trotz der heftigen Abneigung des bayerischen Königs gegen seinen preußischen Vetter wurde die Siegesparade am 16. Juli 1871 in München zum strahlenden Großereignis, das aller Welt die nationale Gesinnung des widerspenstigen Königreichs vor Augen führen sollte. Zum Skandal geriet jedoch die Weigerung Ludwigs II., an der Seite des Kronprinzen am Siegesfestbankett teilzunehmen, das am Abend des nächsten Tages stattfand.
Die heimkehrenden Truppen wurden in den festlich geschmückten bayerischen Städten mit Paraden und anderen Feierlichkeiten empfangen. Deutlich sah man die nationale Stimmung vor allem bei der Beflaggung. Hier konkurrierte die bayerische Fahne mit der Reichsflagge. Die Stadtbevollmächtigten zogen alle Register, um Begeisterung für die nationale Sache zu wecken und zu bewahren: Mit Festumzügen, Festgottesdiensten, -versammlungen, -banketten, -konzerten, -schießen und -feuerwerken wurde ein umfangreiches Repertoire von „Werbemaßnahmen“ für das neue Kaiserreich in Gang gesetzt. Dazu gehörte eine Masse populärer Darstellungen, die die bedingungslose Hingabe der vereinigten deutschen Armee an ihre Souveräne vor Augen führte. Alltagsgegenstände, verziert mit nationalen Symbolen und Erinnerungen an den erfolgreichen Waffengang, dienten demselben Zweck.
Die Schwungkraft des gewonnenen Kriegs und die integrative Wirkung der gemeinsamen Kriegserfahrung sollten jedoch bald erlahmen, denn der politische Bezugsrahmen vieler Bayern blieb das bayerische Königshaus, dem ihre Loyalität galt. So taten sich Schützenvereine, Veteranenvereine und die städtischen Würdenträger zunehmend schwer, die Bevölkerung für die Feier der Sedantage zu begeistern.
Wie kein anderer drückte Ludwig Thoma die Zerrissenheit der bayerischen Gesellschaft aus: „Ich war der Obhut zweier Onkel anvertraut. Sie hatten zusammen eine kleine Wohnung in der Frauenstraße. Vorne, wo Onkel Joseph, der Sekretär, sein Zimmer hatte, war’s ganz altbayerisch, katholisch. Reichsgründung, Liberalismus, Kulturkampf – alles wurde als Untergang der guten alten Zeit betrachtet. Im Zimmer rückwärts, wo Onkel Wilhelm hauste, lebten die Erinnerungen an den 1870er Krieg, an Sedan und Orléans, hier herrschten Freude am neuen Kaiserreiche und temperierter Liberalismus. Freilich war’s auch recht gut altbayrisch, und in heroische Töne vom wiedererstandenen Kaisertum mischten sich die anheimelnden Klänge aus dem alten Bockkeller, aus lustigen Münchner Tagen.“
(Barbara Kink)
Literatur:
Blessing, Werner K.: Staat und Kirche in der Gesellschaft. Institutionelle Autorität und mentaler Wandel in Bayern während des 19. Jahrhunderts, Göttingen 1982; Erichsen, Johannes / Brockhoff, Evamaria (Hg.): Bayern & Preußen & Bayerns Preußen. Schlaglichter auf eine historische Beziehung. Ausstellungskatalog, Augsburg 1999 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 41); Fehrenbach, Elisabeth: Über die Bedeutung der politischen Symbole im Nationalstaat, in: Historische Zeitschrift 213 (1971), S. 296 – 357; Freytag, Nils: Sedantage in München. Gemeindefeiern, Komiteefeste und Vereinsgedenken, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 61 (1998), S. 383 – 406; Thoma, Ludwig: Erinnerungen – Leute, die ich kannte, München 1996.
Beleg: | Götterdämmerung. König Ludwig II. und seine Zeit. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2011, Schloss Herrenchiemsee, 14. Mai bis 16. Oktober 2011. Hrsg. von Peter Wolf, Richard Loibl und Evamaria Brockhoff, Augsburg 2011, S. 84f. |
---|---|
Künstler, Ersteller / Fotograf: | unbekannt; Fotografin (Reproduktion): Christiane Richter, Fürth |
Lageort: | Amberg, Stadtarchiv (Fotobestand 601-030-001) |
Copyright: | Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg |