um 1810 / um 1860 / um 1885
a) Bayerische Maß: Kontrollnormal: MVETTER EINER BAYRISCHEN MASS, 43 CVBISCHE DECIMAL ZOHL INHALTENT
Messing, 23x17cm, Volumen: 1,056 l, um 1810
b) Bayerische Maß
Namensbeschriftung: Racherding
Eichzeichen von Nacheichungen: nachträglich aufgekratzte Eichmarkierung bei 1,069 Liter, darüber A; nachträglich aufgekratzte Eichmarkierung bei 1,0 Liter, darunter xxxx
Steinzeug, handgedreht, mit eingezogener Lippe, 23x17cm, um 1860
c) Reichsmaß mit herstellerseitig angebrachter Eichmarkierung L bei 1 Liter
Steinzeug, glasiert, M 187 am Boden beschriftet, 21x17cm, um 1885
Nur in Bayern trinkt man Bier literweise.
Bis zum 19. Jahrhundert herrschte innerhalb der deutschen Staaten eine große Verwirrung der Maße und Gewichte, wodurch der Handel stark behindert wurde. Fast jede Landschaft, jede Stadt hatte ihr eigenes Maßsystem entwickelt. Auch um ein Zusammengehörigkeitsgefühl im 1806 entstandenen Königreich Bayern zu entwickeln, erließ König Max I. Joseph am 28. Februar 1809 eine Verordnung, „die Einführung eines gleichen Maß-, Gewicht- und Münzfußes im Königreiche Baiern betreffend“: „Die Verschiedenheit der Maße und Gewichte, die Wir in allen Theilen Unsers Königreiches wahrnehmen, erschwert nicht allein den Verkehr im Inlande, sondern auch das Kommerz in das Ausland; und Unsern sämtlichen Unterthanen ist demnach Einförmigkeit in Maßen und Gewichten ein grosses Bedürfniß.“ (Königlich-Baierisches Regierungsblatt vom 11. 3.1809, S. 474)
Neben Einheiten für Länge, Fläche, Getreidemaße, Gewichte und Medizinalgewichte wurde festgelegt: „Für die Flüssigkeiten ist die Maßkanne die Einheit. Eine Maßkanne hält 43 baierische Dezimal-Kubikzolle. Ein Eimer hält 64 Maß[kannen], oder 2 Kubikfuße und 752 Dezimal-Kubikzolle.“ Diese Verordnung basierte auf dem altbairischen Fuß (29,18 cm) und dem Münchner oder baierischen Pfund (560 g). Die bairische Maß hatte somit einen Inhalt von umgerechnet 1,069 Liter. Für die schwierige Rückführung der zahlreichen örtlich üblichen Maße wurden sämtliche Generalkreiskommissariate, Landgerichte, Rentämter, Städte und Märkte mit Muttermaßen und Gewichten ausgestattet. Diese waren nur zum „Abaichen“ der Normalmaße durch die Verifikatoren, die Eichmeister, in den Eichämtern bestimmt.
Eine 1860 von Bayern beantragte Bundeskommission, der auch der Physiker und Dozent Ludwigs II., Philipp von Jolly, angehörte, einigte sich 1865, unter Beteiligung Preußens, auf ein einheitliches deutsches Maß- und Gewichtssystem. Infolge der kriegerischen Ereignisse des Jahres 1866 konnte König Ludwig II. erst am 29. April 1869 die Königlich Bayerische Maß- und Gewichtsordnung ausfertigen: „Die Grundlage des Maßes und Gewichtes ist das Meter mit decimaler Theilung und Vervielfachung. Körpermaße: Die Grundlage bildet das Kubikmeter. Die Einheit ist der tausendste Theil eines Kubikmeters oder ein Kubikdecimeter und heißt das Liter.“ (Gesetzblatt für das Königreich Bayern Nr. 50 vom 7.5.1869, S. 853) Mit dem Inkrafttreten am 1. Januar 1872 wurde im gesamten Königreich Bayern das Liter die Einheit für die Maß.
In Hunderttausende Steinzeugmaßkrüge wurden nun hilfsweise „Eichstriche“ eingekratzt oder eingeschliffen und mit A, E, M, K, X oder xxxx versehen. Manche Krüge wurden, gewissermaßen zur Vorsicht, auf Bayerische Maß und auf Reichsmaß geeicht. Die Höhendifferenz der beiden „Eichstriche“ entspricht dem Unterschied von 6,9 cm3, um die „amtlich verordnet“ weniger Bier ausgeschenkt wurde.
(Heinz Wallerus)
Literatur:
Kramm, Dietrich: Messen und Eichen in Bayern. Das rechte Maß, München 1971 (WV-Hefte 71,1); Rübensaal, Siegfried: Der Bierkrug – von der bayerischen Maß zum deutschen Liter, in: Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte und Bibliographie des Brauwesens E.V. (1999 / 2000), S. 69 – 94.
Beleg: | Götterdämmerung. König Ludwig II. und seine Zeit. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2011, Schloss Herrenchiemsee, 14. Mai bis 16. Oktober 2011. Hrsg. von Peter Wolf, Richard Loibl und Evamaria Brockhoff, Augsburg 2011, S. 187. |
---|---|
Künstler, Ersteller / Fotograf: | unbekannt; Fotograf: Philipp Mansmann, München |
Lageort: | a) Bayerisches Landesamt für Maß und Gewicht, München; b) und c) Siegfried Rübensaal, Thann, Gemeinde Lengdorf |
Copyright: | Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg |