um 1885/86
Metall, Leder, Kautschuk, 152x169x80cm, Neumarkt, um 1885/86
Ursprünglich ein Luxusgegenstand, wurde das Fahrrad in seiner
Weiterentwicklung zum Fortbewegungsmittel für jedermann.
Wie viele bahnbrechende Erfindungen hat auch das Fahrrad mehrere Väter. Am bekanntesten ist Karl Freiherr von Drais (1785 – 1851), der auf einen Weg sann, um die Kraft der Pferde durch die Kraft der Menschen zu ersetzen, da die Pferdehaltung teuer war. Konkreter Auslöser war die große Missernte von 1816 / 17, bei der die Haferpreise in die Höhe schnellten. Lange war das „Velociped-Reiten“ auf dem Sattel des Stahlrosses Adel und wohlhabendem Bürgertum vorbehalten. Es war eine Art Sport, die Geschick und Mut erforderte. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts jedoch wurde das Rad so weiterentwickelt, dass es sich zum Massenverkehrsmittel eignete. Wesentliche Verbesserungen wurden in den 1860er-Jahren erzielt. Besonders verdient machte sich der Schweinfurter Instrumentenbauer Philipp Moritz Fischer (1812 – 1890), der neben Pierre Michaux (1813 – 1883) als Erfinder des Pedalkurbelantriebs gilt. Sein Sohn, Friedrich Fischer (1849 – 1899), begründete 1883 mit der Entwicklung der ersten Kugelschleifmaschine die Schweinfurter Kugellagerindustrie. Neben Nähmaschinen und Fahrrädern produzierte die heute zum INA-Konzern zählende FAG vornehmlich Kugellager und -schleifmaschinen.
Viele Mechaniker interessierten sich nun für die Herstellung des zukunftsträchtigen Fahrrads. 1863 erhielt etwa Joseph Goldschmidt im oberpfälzischen Neumarkt eine Konzession zur Führung eines Eisenwarenhandels. Er widmete sich zunächst der Herstellung von Kochherden. Über den Kaufmannslehrling Carl Marschütz – den späteren Gründer der Nürnberger Velocipedfabrik und Hersteller des Hercules-Rades – lernte Goldschmidt den Amberger Mechaniker Eduard Pirzer kennen. 1884 gründeten sie die Velocipedfabrik Goldschmidt & Pirzer in Neumarkt, die sich mit ihren 16 Arbeitern auf die Herstellung von Hochrädern spezialisierte. Diese Räder mit übergroßem Vorderrad hatten im Vergleich zu den Draisinen den Vorteil, dass höhere Geschwindigkeiten erreicht werden konnten. Beliebt waren die Velociped-Rennen mit diesen nicht ungefährlichen „Rennmaschinen“. Seit den späten 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts verdrängten jedoch die nach dem Prinzip der Übersetzung funktionierenden, wesentlich einfacher zu handhabenden „Safeties“, also die Sicherheits- bzw. Niederräder, die Hochräder.
(Barbara Kink)
Literatur:
Poll, Helmuth: Fahrrad, Auto, Flugzeug, Die Demokratisierung der Geschwindigkeit. Von den Anfängen des modernen Straßen- und Luftverkehrs, in: Bott, Gerhard (Hg.): Leben und Arbeiten im Industriezeitalter. Ausstellungskatalog, Stuttgart 1985, S. 61 – 80; Steinmann, Gustav: Das Velocipede. Seine Geschichte, Konstruktion, Gebrauch und Verbreitung, Neufahrn 2008.
Beleg: | Götterdämmerung. König Ludwig II. und seine Zeit. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2011, Schloss Herrenchiemsee, 14. Mai bis 16. Oktober 2011. Hrsg. von Peter Wolf, Richard Loibl und Evamaria Brockhoff, Augsburg 2011, S. 192. |
---|---|
Künstler, Ersteller / Fotograf: | Velocipedfabrik Goldschmidt & Pirzer (Expresswerke); Fotografin: Christiane Richter, Fürth |
Lageort: | Neumarkt i.d.OPf., Stadtmuseum |
Copyright: | Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg |