Beratzhausen, Kloster St. Thekla der Armen Schulschwestern - Mädchenbildung auf dem Land
Schon bald nach der Gründung des Ordens der Arme Schulschwestern von Unserer Lieben Frau, die 1833 in Neunburg vorm Wald durch die Regensburgerin Karolina Gerhardinger erfolgt war, gab es in Beratzhausen Bestrebungen, ein Kloster dieser Kongregation im Ort anzusiedeln. Zwei Vermächtnisse waren zu diesem Zweck bereits ab 1846 in eine Schulschwesternstiftung eingeflossen. Als dann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die alten Unterrichtsräume im ehemaligen Mesnerhaus an der Bischof-Weig-Straße und im Rathaus von Beratzhausen aufgrund des großen Kinderreichtums permanent überfüllt waren, verlangte das Bezirksamt Parsberg von der Gemeinde den Neubau eines Schulhauses. Auf Initiative von Pfarrer Franz Xaver Heinl, der ab 1884 vier Jahre lang in der Gemeinde wirkte, beschlossen die Schulsprengel-Vertreter von Beratzhausen, Rechberg, Mausheim, Haag und Laufenthal 1886 die Trennung des Unterrichts für Knaben und Mädchen und die Einführung der Armen Schulschwestern in Beratzhausen. Auf dieser Entscheidung beharrten die Gemeinde und die Schulsprengel trotz großer finanzieller Engpässe und der wiederholten Warnung der Königlichen Regierung und des Königlichen Bezirksamtes, dass gemäß den gesetzlichen Bestimmungen für klösterliche Lehrkräfte von ihrer Seite keine Zuschüsse aus dem Kreisfonds zu erwarten waren.
1892 unterzeichnete die Schulsprengel-Vertretung den Vertrag mit dem Mutterhaus der Armen Schulschwestern in München. Dem Königlichen Bezirksamt gegenüber wurde die Einführung der Armen Schulschwestern wie folgt begründet: „...in unserer Zeit, wo die revolutionären Bestrebungen der Umsturzparteien auch auf das platte Land getragen werden sollen und der Geist der Unbotmäßigkeit sich überall breit macht, ist es von allergrößtem Wert, wenn schon den Kindern in der Schule neben gediegenem Wissen und nützlichen Kenntnissen ein guter Fond von christlichen Grundsätzen beigebracht wird…“. Im selben Jahr erteilte das Staatsministerium des Innern dem Schulsprengel seine „jederzeit widerrufliche“ Genehmigung zur Anstellung von Ordensschwestern für den Unterricht.
Bei der Planung des neuen Schulhauses, die der königliche Bauassistent Netter aus Neumarkt erstellte, wurden die vom Mutterhaus geforderten Klosterräume (4 Zimmer im 2. Stock, ein Sprechzimmer, eine Küche und Speisekammer im Erdgeschoss), eine Hauskapelle und ein großer Klostergarten berücksichtigt. Unter Kostenbeteiligung der Schulsprengel Rechberg, Mausheim, Haag und Laufenthal wurde im September 1895 in Anwesenheit der Generaloberin M. Hermanna das Kloster unter dem Patronat der hl. Thekla eingeweiht und die neue Mädchenschule eröffnet. Pfarrer Heinls Nachfolger Anton Lang, der seit 1888 in Beratzhausen tätig war, gründete zusätzlich eine Kinderbewahranstalt, die ebenfalls im Neubau untergebracht wurde. Sie sollte die vielen Tagelöhner, die in Beratzhausen ansässig waren, entlasten. Die Leitung dieser Einrichtung übernahmen ebenfalls die „Armen Schulschwestern“. Für den Unterricht der Mädchen waren anfangs zwei Schulschwestern vorgesehen; die Betreuung im Kindergarten übernahm 1897 Schwester Menäa, die bis 1962 – 65 Jahre lang – in Beratzhausen wirken sollte.
Im Jahr 1900 besuchten 133 Mädchen die Schule. Sie wurden in zwei Klassen unterrichtet. An Schulgeld waren damals 70 Pfennige für jedes Kind im Vierteljahr zu entrichten. Diese Gebühr wurde 1907 abgeschafft. Bedürftige Familien blieben kostenfrei oder wurden durch eine mildtätige Stiftung, den „fundus pauperum scholarum“, unterstützt, die bereits 1829 durch Josef Weißmann aus Hagertshof begründet worden war. 1908 hat man eine dritte Klasse eingeführt und das weibliche Lehrpersonal durch eine weitere Kraft verstärkt. Für die Mehrkosten (978 Mark/Jahr) kamen die Schulsprengel gemeinsam auf. Um den zahlreichen Wünschen nach Betreuung der Kleinkinder nachkommen zu können, gründete Pfarrer Lang zusätzlich eine Stiftung zur Errichtung eines neuen Kindergartens. 1907 wurde zu diesem Zweck ein ehemaliges Wohngebäude umgebaut und am 22. Juli 1907 feierlich eingeweiht. Die erste Gruppe startete gleich mit 40 Kindern. In der Folgezeit bestritten in der Regel vier Schwestern den Unterricht in der Mädchenschule und die Betreuung im Kindergarten, daneben hatten auch noch die Küchen-, die Garten- und die Kirchenschwestern ihren Wohnsitz im Kloster. Die „Gerhardinger Schwestern“, wie sie von allen genannt wurden, waren in der Bevölkerung schon bald sehr beliebt und das Kloster wurde vielfältig unterstützt. Am 9. Juli 1931 konnte eine neue Hauskapelle eingeweiht werden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Kloster bereits 16 Schwestern und 2 Kandidatinnen als Ordensnachwuchs dem Mutterhaus zugeführt.
Nach der Machtübernahme der NSDAP wurde die Gemeinde jedoch 1936 vom Kultusministerium angewiesen, Ordensangehörigen die Dienstwohnungen zu streichen. Die Schwestern zogen daraufhin in das Haus des Pfarrers Franz Xaver Dressely (* 1880, Amtszeit 1931?1945 in Beratzhausen) in der Färbergasse um. Zwischen 1933 und 1937 besuchten rund 150 Mädchen die Schule; sie wurden in drei Klassen unterrichtet. 1938 stellten die Bürgermeister der zum Schulverband gehörenden Gemeinden den Antrag auf Umwandlung der Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsschule. Die Regierung entließ Schwester Maria Clemenine Hackl, die seit 1909 in Beratzhausen als Hauptlehrerin tätig gewesen war, aus dem Amt der Schulleiterin. Die Knaben- und die Mädchenschule erhielten eine Gesamtdirektion. Ab April 1939 durften die Armen Schulschwestern nicht mehr unterrichten. Sie verdienten sich in der Folgezeit durch Nachhilfestunden und Handarbeiten ihren Unterhalt.
Nach dem 2. Weltkrieg waren anfangs amerikanische Besatzungstruppen im Mädchenschulhaus stationiert. Nachdem über 500 Bürgerinnen und Bürger per Unterschriftenliste die Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit durch die Armen Schulschwestern gefordert hatten, unterrichteten sie erneut ab Herbst 1945. Durch den Zuzug vieler Flüchtlinge stieg die Schülerinnenzahl sprunghaft an und belief sich in den 1940er und 1950er Jahren auf rund 170 Mädchen. 1946 übernahm M. Generosa Riedl nach dem Tod von Oberin Hackl die Amtsleitung von Kloster und Schule. Nach Fertigstellung der Volksschule Beratzhausen 1969/71 übersiedelten auch die Mädchen in das neue Schulgebäude. Die Klassenzimmer der Mädchenschule wurden nun für weitere Kindergartengruppen genutzt. Durch den Bevölkerungszuwachs benötigte man aber noch mehr Platz zur Betreuung der Kleinkinder. Ein Erweiterungsbau am ehemaligen Mädchenschulhaus und Kloster stand ab 1987 zur Verfügung und erhielt in Dankbarkeit gegenüber den Armen Schulschwestern den Namen „Theresia-Gerhardinger-Kindergarten“. Nach Auflösung des Klostergartens konnte eine große Freispielfläche für die Kinder geschaffen werden. Im Jahr 1995 beging man das 100jährige Wirken der Armen Schulschwestern in Beratzhausen mit einer großen Feier. Damals waren noch vier Schwestern im Kindergarten und in der Pfarrei tätig. Im September 2000 mussten die beiden letzten noch im Kloster lebenden Schwestern ihre Wirkungsstätte verlassen und die Einrichtung wurde geschlossen. Die ehemaligen Klosterräume hat man in den Gerhardinger Kindergarten integriert.
Christine Riedl-Valder