Communität Christusbruderschaft in Selbitz – der Orden innerhalb der Evang.-Luth. Kirche in Bayern
Die Communität Christusbruderschaft wurde 1949 von dem evangelischen Pfarrer Walter Hümmer (1909–1972) und seine Frau Hanna, geborene Hufnagel (1910–1977) in Schwarzenbach an der Saale gegründet. Das Pfarrehepaar arbeitete seit 1937 in der Seelsorge der dortigen Gemeinde. Die Musikerin und Sängerin Hanna Hümmer übernahm den Chor und das Orgelspiel. Im Lauf der Zeit bildete sich um die beiden ein Kreis Gleichgesinnter, der sich zum Gedankenaustausch und zum gemeinsamen Gebet traf. Am Karfreitag 1948 beschloss diese Gruppe, in Zukunft verbindlicher miteinander zu leben. Unter der Leitung von Pfarrer Hümmer und seiner Frau begannen sieben Schwestern und vier Brüder am 1. Januar 1949 ein bruderschaftliches Leben mit dem Gelöbnis, die drei evangelischen Räte – Armut, Keuschheit und Gehorsam – zu befolgen. Die Communität Christusbruderschaft stellte sich damit in die Ordenstradition der christlichen Kirche. Die Landeskirche verfolgte die Entwicklung kritisch und beurteilte sie anfangs als „Schwärmerei“.
Im August 1949 übersiedelte die Gemeinschaft nach Selbitz (Lkr. Hof) in den Frankenwald, wo Walter Hümmer das Pfarramt übernahm. Die Statuten für eine Tertiärgemeinschaft, die den Orden ideell und materiell bis in die Gegenwart unterstützt, wurden im September 1949 festgelegt. In den ersten Jahren kamen die Mitglieder im Pfarrhaus und einem kleinen Schwesternhaus unter. Sie gründeten 1951 einen kleinen Buch- & Kunstverlag, der Publikationen der beiden Ordensgründer Hanna und Walter Hümmer sowie Arbeiten der Künstlerin Sr. Christamaria Schröter im Programm führt.
1954 gehörten 34 Schwestern und sechs Brüder dem Orden an. Sie engagierten sich in der Gemeinde, im Pfarramt, der Kinder- und Jugendbetreuung, in der Kranken- und Familienpflege. Die Tertiärgemeinschaft umfasste 45 Mitglieder. Damals erfolgte der Baubeginn des Ordenshauses auf dem Wildenberg, das am 8. Juli 1956 eingeweiht wurde. Walter Hümmer wurde 1957 von der Evangelisch Lutherischen Kirche beurlaubt und widmete sich seitdem ganz seinen Aufgaben in der Christusbruderschaft. Da die Communität beständig wuchs, war schon bald eine Vergrößerung der Anlage nötig. 1962 wurde das erweiterte Ordenshauses mit Kapelle eingeweiht. Hanna Hümmers Predigten, Gesprächs- und Betkreise fanden immer mehr Interessenten, sodass man 1968 ein Gästehaus als Ort der Begegnung und Einkehr fertigstellte. Die Gemeinschaft weitete auch ihre diakonische Arbeit aus und übernahm 1971 das Alten- und Pflegeheim des Landkreises in einem eigenen Gebäude (Walter-Hümmer-Haus). Während Walter Hümmer die Außenkontakte pflegte und die organisatorische und wirtschaftliche Leitung verantwortete, engagierte sich Hanna Hümmer in der spirituellen Begleitung der Bruderschaft und der Tertiärgemeinschaft. 1973 hatte sich die Communität auf 118 Mitglieder vergrößert. Am 15. August 1972 starb Kirchenrat Pfarrer Walter Hümmer. Fünf Jahre später, am 19. Oktober 1977, hatte die Communität auch den Tod von Hanna Hümmer zu beklagen. Das Ableben der beiden Ordensgründer stürzte die Mitglieder in eine Krise, die zu einer Teilung der Gemeinschaft führte. 1984 verließen 21 Brüder und Schwestern den Wildenberg und gründeten die Christusbruderschaft Falkenstein. In Selbitz verblieben 110 Frauen und fünf Männer, die in der Folgezeit in ihre Arbeit Wesenszüge der „Charismatischen Erneuerung“ und Erkenntnisse aus der Psychologie einbanden und sich verstärkt am politischen Leben beteiligten. Die Leitung übernahm ein Team; 1988 erfolgte die Wahl von Sr. Renate Heckel zur ersten Priorin und Br. Markus Wächter zum ersten Prior. Eine 1994 im ehemaligen Augustinerinnenkloster Wülfinghausen bei Hannover gegründete Außencommunität machte sich 2013 mit der Neugründung der „Communität Kloster Wülfinghausen“ und der Eröffnung eines eigenen Noviziats selbststständig.
Die Communität Christusbruderschaft Selbitz versteht sich als Orden innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, der ökumenische Offenheit und lebendige Beziehungen zu anglikanischen, katholischen, orthodoxen Orden und Kommunitäten und zu freikirchlichen Gemeinden und Gemeinschaften pflegt. Heute (2017) gehören 120 Frauen und sechs Männer der Communität in Selbitz an. Die Tertiärgemeinschaft besteht aus rund 100 Personen. Der Orden betreibt an seinem Hauptsitz auf dem Wildenberg das Gästehaus mit einem vielfältigen Seminar- und Freizeitangebot und im Walter-Hümmer-Haus ein Seniorenpflegeheim. Zweigstellen der Gemeinschaft sind ein 1979 erworbener Bauernhof bei Nürnberg, der bis 1994 mit einem Schwesternhaus und Gästehaus zu „Hof Birkensee“ ausgebaut wurde, ferner ein Kloster mit Brüder- (seit 1999) und Schwesternkonvent (seit 2012) auf dem Petersberg bei Halle (Saale), eine Niederlassung in Wittenberg sowie im ehemaligen Benediktinerinnenkloster Verchen (2004–2015). Mehrere Schwestern der Communität leben seit 1994 in Stadtkonventen in Bayreuth, München, Leipzig und Augsburg, weitere Mitglieder arbeiteten seit 1987 in Botswana und seit 2004 auf Einladung der Evangelisch-Lutherischen Kirche Südafrikas bei einem Aidshilfeprojekt im Zululand, wo sie ein Begegnungszentrum aufbauten und leiten. Nach dem Gründer der Communität sind neben dem Seniorenheim auf dem Wildenberg auch ein Kindergarten und eine Straße im Ort benannt.
(Christine Riedl-Valder)
Link:
www.christusbruderschaft.de