Evangelische Diakonissenanstalt in Augsburg (ev)


 

GESCHICHTE

Evangelische Diakonissenanstalt in Augsburg – Aufopfernder Dienst an den Mitmenschen

Die fortschreitende Industrialisierung im 19. Jahrhundert war auch in Bayern mit immensen sozialen Problemen verbunden. Vor allem die Kinder, die Alten und Kranken der minder bemittelten Bevölkerungsschichten in den neu entstandenen Industrievorstädten lebten in großer Not. Um diesen Menschen zu helfen, kam der evangelische Gemeindepfarrer Theodor Fliedner (1800–1864) aus Kaiserswerth bei Düsseldorf auf die Idee, junge Frauen zur eigenständigen Arbeit im Dienst der Nächstenliebe zu motivieren. Aus dieser Initiative heraus entstand 1836 die Kaiserswerther Diakonie (abgeleitet von lat. „diaconia“ = Dienst; Diakonie = Dienst in der christlichen Nächstenliebe), eine Schwesterngemeinschaft, die sich schnell ausbreitete und ihre Aufgabenbereiche bis heute auf die Gefangenenfürsorge, die Erziehung und Bildung der Kinder sowie die Pflege von Kranken und Alten konzentriert. Ihre Mitglieder verpflichten sich zur Ehelosigkeit, zum Tragen der Tracht mit weißen Hauben und silbernem Kreuz und zum gemeinsamen Besitz. Die Kraft für diese Aufgaben erhalten die Schwestern aus einer intensiv gelebten Frömmigkeit innerhalb ihrer Gemeinschaft.
In Augsburg hatte Kirchenrat August Krauß bereits Anfang der 1850er-Jahre versucht, Diakonissen nach dem Vorbild der seit 1848 in der Stadt tätigen Barmherzigen Schwestern für die Krankenpflege anzusiedeln. Eine Anfrage an den Ordensgründer Pfarrer Fliedner in Kaiserswerth brachte jedoch keinen Erfolg. Erst Jahre später konnten geeignete Augsburger Frauen im Straßburger Mutterhaus eine Ausbildung erhalten. Ein protestantischer Ableger des St.-Johannis-Vereins unterstützte diese Initiative. Am 15. Oktober 1855 trat dann die Diakonisse Julie Hörner aus Lindau ihren Dienst als Oberin an. Damit war die Grundlage für die Evangelische Diakonissenanstalt in der Stadt geschaffen, der zweiten Einrichtung dieser Art in Bayern nach Neuendettelsau. Acht Schwestern übernahmen bereits vier Jahre später die Krankenpflege der evangelischen Patienten im neu erbauten städtischen Krankenhaus. 1865 erhielt die Einrichtung die Rechte einer öffentlichen Körperschaft.
Eine Krise brach nach dem Tod von Oberin Julie Hörner 1868 aus, für die sich lange keine Nachfolgerin fand. Eine Beruhigung der Situation setzte erst ab 1872 ein, nachdem der Seelsorger Friedrich Boeckh die Leitung der Anstalt übernommen hatte und in den nächsten 40 Jahren für Beständigkeit sorgte. Dank einer großzügigen Stiftung 1893 konnte ein neues Mutterhauses mit Krankenhaus an der Frölichstraße eingeweiht werden. Die Diakonisse Pauline Fischer wurde im gleichen Jahr zur Oberin gewählt, ein Amt, das sie elf Jahre lang inne hatte. Neben der Krankenpflege kam 1899 mit der Eröffnung einer Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen ein neuer Arbeitsbereich hinzu. Drei Jahre später wurde das Altenheim „Paulinenpflege“ eröffnet. 1929/30 wurde das Krankenhaus durch ein zweites Obergeschoss erweitert. Die größte Blüte verzeichnete die Einrichtung in den 1930er-Jahren mit einem Mitgliederstand von 589 Diakonissen im Jahr 1936. Damals widmeten sich die Schwestern auch der Fürsorge- und Jugendarbeit. Im Zweiten Weltkrieg diente das Krankenhaus als Reservelazarett. 1944 wurden alle Gebäude durch Bomben schwer beschädigt.
Der Wiederaufbau zog sich bis 1954 hin. Wie in ganz Bayern kam es auch in Augsburg seit den 1960er-Jahren zu einem drastischen Rückgang der Eintritte in die Ordensgemeinschaft. Durch ein vermehrtes Engagement im Ausbildungssektor versuchte man diese Entwicklung teilweise auszugleichen. 1973 konnte der Diakonissenanstalt eine Fachakademie für Sozialpädagogik angegliedert werden. Als notwendige Modernisierung wurde 1976 der neue Operationstrakt für das Krankenhaus in Betrieb genommen. Ab dem Ende der 1970er-Jahre engagierte sich das Haus auch in der Missionsarbeit. 1979 wurden zwei Diakonissen nach Tansania entsandt, die den Aufbau der dortigen Schwesternschaft „Ushirika wa Neema“ unterstützten. 1992 erfolgte die Eröffnung des Pflegeheims „Pauline-Fischer-Haus“, 2000 die Einweihung des „Feierabend“-Mutterhauses in der Frölichstraße, einer Einrichtung für betagte Schwestern. Mit dem ersten Kurs „Zusatzqualifikation zur Mitarbeit im Diakonat“ im Jahr 2003 wurden die Voraussetzungen für weiteren Nachwuchs und die Schulung von Hilfskräften geschaffen. 2005 erfolgte der Umzug der Fachakademie für Sozialpädagogik in die Hooverstraße. Dieser Standort wurde in den folgenden sieben Jahren zu einem Schulzentrum der Diakonie ausgebaut. Weitere Baumaßnahmen prägten die letzten 20 Jahre: 2006 entstand ein Ärztehaus mit dem Restaurant „zeit.los“ und einer Tiefgarage; 2009 wurde im Park ein Hotel eröffnet; von 2007 bis 2016 erfolgte die Errichtung der „Stadtklinik“ auf dem alten Gelände der Evangelischen Diakonissenanstalt. 2017 bewohnten rund 50 Schwestern im Rentenalter das Mutterhaus.

(Christine Riedl-Valder)

Link:
https://diako-augsburg.de/diako



 

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