Straubing, Barmherzige Brüder – Tatkräftige Hilfe für Kranke und Behinderte
1843 gründeten die Barmherzigen Brüder von Neuburg aus, nach der Genehmigung durch König Ludwig I., in Straubing die erste Zweigniederlassung nach der Säkularisation. Ein Jahr später übernahmen sie die Pflege männlicher Kranker im städtischen Spital. Der erste Prior, Pater Magnobonus Markmiller (1800-1879) wohnte zusammen mit Frater Alfons Mittermeier und einem Novizen im alten Schulhaus von St. Peter. Als Kapelle diente ihnen das nahegelegene Krönungskirchlein. Da das Spital ungünstige Räumlichkeiten aufwies, erwarb der Prior das benachbarte ehemalige Franziskanerkloster und richtete im dortigen Refektorium einen Saal für 25 Kranke ein. Gleichzeitig arbeitete er erfolgreich an der neuen Gründung der bayerischen Provinz des Ordens, die 1851 erfolgte und anfangs unter seiner Leitung geführt wurde. Seine Nachfolge in Straubing trat Frater Constantinus Kaestle (1850–1853), gefolgt von Frater Alfons Mittermeier (1853–1856). Ab 1856 wurden auch die Kranken aus dem Bezirk aufgenommen. Dazu war ein Erweiterungsbau notwendig geworden. Unter Prior Frater Eligius Schmierl (1856–1859) wurde eine neugotische Hauskapelle erbaut (1961 durch Neubau ersetzt). In den Folgejahren entstanden nach dem Abbruch der Klosterbrauerei und -schänke ein Infektionskrankenhaus und weitere Fachabteilungen. Damit konnte die Kapazität auf 180 Betten gesteigert werden.
Unter Provinzial Frater Heinrich Humbs entschloss man sich 1904/05 zu einem Neubau der Anlage, dem die Ökonomiegebäude des Klosters weichen mussten. 1920 wurde in Straubing die erste Krankenpflegeschule der Provinz errichtet. In den folgenden Jahrzehnten erfolgte eine Reihe von Modernisierungen. Seit 1960 verfügt die Klinik über 320 Betten.
Wegen zunehmendem Personalmangel erwog der Orden 1974, die Krankenversorgung in Straubing aufzugeben. Nachdem im gleichen Jahr jedoch die Elisabeth Krankenhaus GmbH gegründet wurde, die aus der 1829 wieder errichteten Frauenklinik Azlburg der Elisabethinerinnen hervorgegangen war, entschloss man sich 1975, beide Einrichtungen zusammenzulegen. Seit 1997 werden die Krankenhäuser der beiden Orden unter einem Dach an der St.-Elisabeth-Straße geführt. Seit 2006 sind die Barmherzigen Brüder Mehrheitsgesellschafter des Klinikums St. Elisabeth Straubing GmbH. Es konnte sich als akademisches Lehrkrankenhaus der TU München profilieren und ist mit 435 Betten ein Krankenhaus mittlerer Größe. Mit etwa 1100 Beschäftigten ist das Krankenhaus der größte Arbeitgeber der Stadt Straubing.
Auf Initiative von Bürgermeister Franz X. Harlander (Amtszeit 1874-1887) engagierten sich die Barmherzigen Brüder auch in der Behindertenpflege. 1884 gründeten sie im ehemaligen Altstadt-Schulhaus an der Petersgasse eine „Cretinenanstalt für Männer zur Dauerpflege“, in der sie zwei Jahre später bereits 38 Pfleglinge aus ganz Niederbayern betreuten. Ab 1890 arbeiteten der Orden, die Stadt und die Regierung von Niederbayern in einer Stiftung zusammen, um an der Äußeren Passauer Straße einen Neubau zu errichten. Das zweistöckige Gebäude mit 120 Pflegeplätzen war 1893 fertiggestellt und bereits drei Jahre später voll belegt. Der neue Südwestflügel, der an die Kapelle angebaut wurde, war im Jahr 1900 bezugsfertig. Eine angegliederte Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehzucht ermöglichte den Brüdern und „Pfleglingen“ eine weitest gehende Selbstversorgung. In der Zeit des Ersten Weltkriegs lebten rund 430 Menschen mit Behinderungen und 20 Kriegsverletzte in der Einrichtung und mussten von dem zahlenmäßig stark reduzierten Personal an älteren Brüdern, die nicht zum Wehrdienst eingezogen worden waren, versorgt werden. 1922 richtete man das Noviziat der bayerischen Ordensprovinz in der Pflegeanstalt ein. Neben neuen Pfleg- und Wohntrakten wurden in dieser Zeit auch eine eigene Schmiede und Schreinerei, ein Getreidespeicher und ein Viehstall gebaut.
Das volle Ausmaß der grausamen Verbrechen an den Heimbewohnern durch das NS-Regime deckten die jüngsten Forschungen der Straubinger Archivdirektorin Dorit-Maria Krenn auf. Seit 1940 wurden über 400 der Insassen deportiert, mehr als zwei Drittel von ihnen ermordet. Viele der Behinderten fanden in Schloss Hartheim bei Linz den Tod. 1941 beschlagnahmten die Machthaber das Heim und eröffneten hier ein Reservelazarett. Die Zusammenarbeit der verbliebenen Brüder mit dem NS-Oberstabsarzt August Sigl gestaltete sich äußerst schwierig. Die Anlage, die nahe der Bahnlinie liegt, wurde bei Luftangriffen 1944/45 zu 80 Prozent zerstört. Der Wiederaufbau nahm zehn Jahre in Anspruch.
Auf die Einweihung des nordwestlichen St. Raphaeltrakts 1964 folgte eine Reihe weiterer Wohnheimbauten, abgelöst von Sanierungsarbeiten sowie der Errichtung einer Förderstätte und zweier Werkstätten. 1991 öffneten ein Begegnungszentrum sowie die Johannes-Grande-Fachschule für Heilerziehungspflege ihre Pforten. Diese dritte Fachschule der Bayerischen Ordensprovinz arbeitete im Schuljahr 2011/12 mit über 30 Einrichtungen der Erwachsenen-, Jugend- und Kinderhilfe für Menschen mit Behinderungen in Niederbayern und der Oberpfalz zusammen und hatte 115 Auszubildende in sechs Klassen.
Das Pflegeheim, das seit 1990 unter weltlicher Leitung steht, nahm ab 1994 auch Frauen auf. 2009 konnte das 125-jährige Jubiläum gefeiert werden. In dem Areal, das zu einem eigenen Stadtteil angewachsen ist, wurde im Rahmen der Feierlichkeiten ein Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus aufgestellt. Im gleichen Jahr ging die Trägerschaft auf die Barmherzige Brüder gemeinnützige Behindertenhilfe GmbH mit Sitz in Regensburg über.
Im Jahr 2000 übernahm der Orden von den Dillinger Franziskanerinnen das Seniorenstift Marienheim. Nach dem Vorbild ihres Ordensgründers Johannes von Gott praktizieren die Barmherzigen Brüder in Straubing seit über 170 Jahren für alle Bedürftigen tatkräftige Hilfestellung und Unterstützung.
(Christine Riedl-Valder)
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