Würzburg, Stift Haug


 

GESCHICHTE
Stift Haug ? Petrinis barockes Meisterwerk

Zwei tatkräftige Heinriche standen am Anfang der Geschichte von Stift Haug: Bischof Heinrich I. von Würzburg, wohl aus dem Geschlecht der Konradiner stammend, der das Stift zu Ehren der Heiligen Johannes Baptist und Johannes Evangelist um das Jahr 1000 gründete; und Kaiser Heinrich II., der nach seiner Königskrönung 1002 eine Schenkung an das bischöfliche Stift machte ? zugleich der erste urkundliche Beleg für Haug.

Durch den König kamen eine Kirche in Forchheim sowie die Orte Erlangen und Eggolsheim (nach der Gründung des Bistums Bamberg gegen andere Besitzungen eingetauscht) an dasStift. Weitere Güter bei Würzburg, Ochsenfurt, Schweinfurt und Coburg machten Haug zum wohlhabendsten Würzburger Konvent nach dem Domkapitel.

Der Name ?Haug? leitet sich von der Lage des Stifts auf einem kleinen Hügel (mhd. ?houc?) entlang der Pleichach her und übertrug sich später auf das Stadtviertel von Würzburg. Wie in vielen Kollegiatstiften üblich, wohnten die Kanoniker von Haug in eigenen Häusern rings um ihre vor 1143 erbaute Kirche. Von diesem romanischen Sakralbau ist ein mit Ranken und Fabelwesen geschmücktes Kapitell im Mainfränkischen Museum erhalten (Inv. Nr. H. 14223). Erlaubter Eigenbesitz und die Einkünfte aus der Pfründe machten ein solches Stift für Kleriker erstrebenswert. So wuchs die Zahl der Kanoniker von beachtlichen 30 bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts auf 38 Stellen. Neben der Seelsorge, so auch in der Pfarrei der Vorstadt Haug, widmeten sich die Stiftsherren dem Unterricht in einer eigenen ab dem Jahr 1144 bezeugten Schule.

Der Propst des Stifts Haug wurde stets aus den Reihen der Würzburger Domherren gewählt. Er galt als der ranghöchste Geistliche in der Stadt nach dem Bischof und dem Dompropst. Infolge der engen Beziehungen zwischen dem Stift und dem Domklerus wurde Haug häufig in die Konflikte zwischen dem Fürstbischof und der Stadt verwickelt. So stürmten etwa im Jahr 1248 Würzburger Bürger die Stiftskirche. Etliche Pröpste von Stift Haug erlangten den Würzburger Bischofsstuhl wie Theoderich von Hohenberg (1223) oder Christoph Franz von Hutten (1724).

Auch der Bildhauer Tilman Riemenschneider, er war ursprünglich Kleriker mit den niederen Weihen, erhielt 1479 ? vermutlich durch Vermittlung seines Onkels - eine Pfründe des Stifts zugewiesen. In die Zeit Riemenschneiders fiel dann 1525 die Zerstörung von Stift Haug durch die fränkischen Bauern in ihrem Krieg mit dem Fürstbischof.

Ein besonders düsteres Kapitel für das Stift war der Hexenwahn in Würzburg in den Jahren 1628 und 1629. Ihm fielen mit seinem Wechselspiel aus Angst und Denunziation neunzehn Kanoniker zum Opfer ? mehr als der Hälfte des Konvents.

Nur wenige Jahre später wurde Stift Haug von schwedischen Truppen besetzt und aus festungstechnischen Gründen teilweise demoliert. Diese Nachbarschaft zu den Wehrmauern der Stadt Würzburg besiegelte 1656 endgültig das Ende der ursprünglichen Anlage. So fügten sich die Kanoniker in den Beschluss, ihr Stift um etwa 300 Meter nach Süden zu verlegen. Die Stiftskirche, die Pfarrkirche sowie zahlreiche Gebäude mussten der massiven barocken Stadtbefestigung weichen. Die letzten Reste der mittelalterlichen Stiftsbauten beseitigte 1863/64 der Bau der Eisenbahn.

Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn machte dem Ruf seiner Familie als baubegeistert alle Ehre und legte 1670 den Grundstein zu einer neuen Stiftskirche. Planung und Ausführung übernahm Antonio Petrini. Der aus Trient stammende Baumeister war hauptsächlich zur Neuanlage der Stadtbefestigung nach Würzburg berufen worden, doch nun wurde die Kirche von Stift Haug sein Hauptwerk. Die riesigen Ausmaße der Kirche, der Wandpfeilerbau und das massive Strebemauerwerk lassen die Verwandtschaft zum Festungsbau ahnen.

Mit St. Johannes zu Haug entstand so der erste monumentale Barockbau in Franken, dem nur die kleinere Karmeliterkirche vorausging. Erst 1691 konnte die Weihe der Stiftskirche vollzogen werden. Auch neue Stiftshöfe für die Kleriker wurden errichtet. Ein Weinkeller in der Kettengasse gehörte ebenfalls zur Ausstattung.

Mit der Besitzergreifung des Hochstifts Würzburg durch das Kurfürstentum Bayern im Jahr 1803 wurde das Stift Haug aufgehoben. Die Säkularisation blieb auch unter der Herrschaft des Großherzogtums Toskanabestehen und St. Johannes dient seit 1803 als Pfarrkirche. Ende des 19. Jahrhunderts war St. Johannes mit 14.846 Mitgliedern die größte Pfarrgemeinde in der Stadt. Sie hütet heute die Erinnerung an das einst vornehmste Würzburger Stift, dessen hohe Kuppel zusammen mit den beiden Türmen die Silhouette der Stadt mitprägen.

In Frühjahr 1945 brannte auch Stift Haug beim großen Luftangriff auf Würzburg. Altäre, Gemälde, Kanzel, Chorgestühl und Orgel wurden ein Raub der Flammen. Lediglich die Glocken und das barocke Stifterdenkmal für Bischof Heinrich blieben erhalten. Die heutige Ausstattung des klar proportionierten, hellen Raums versammelt wieder hochrangige barocke Kunstwerke, darunter das Gemälde ?Taufe Christi? von de Ruell (1669) als eine Leihgabe aus Kitzingen und vor allem das Hochaltarbild mit der Kreuzigung. Es stammt vom Venezianer Tintoretto (1585) und kam 1965 als Dauerleihgabe aus der ehemaligen Kirche der Augustinereremiten in München nach Würzburg.

(Markus Schütz)



 

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