Steingaden, Prämonstratenser – Hauskloster der Welfen
Herzog Welf VI. (1115–1191), Sohn von Herzog Heinrich IX. von Bayern, gründete Kloster Steingaden im Jahr 1147 an der Fernstraße, die von Augsburg über Schongau zum Alpenpass führte. Die Niederlassung sollte als Hauskloster und Grablege der Welfen dienen. Welf VI. übergab es der Prämonstratenserabtei Rot an der Rot zur Besiedlung mit Mönchen. 1156 wurde das Kloster, das von Anfang an Reichsfreiheit genoss, unmittelbar dem Papst unterstellt. Die Weihe der noch heute erhaltenen romanischen Klosterkirche erfolgte 1176. Nach dem Tod Welfs VI., der in Steingaden begraben liegt, erwarben die Staufer dessen Güter und übernahmen die Schirmherrschaft über das Stift. Der Konvent bestand lange vorwiegend aus Adeligen. Neben einer Reihe von Pfarreien und Gütern aus der Region waren ihm seit 1218 auch Algund und Tschars in Südtirol inkorporiert; außerdem betreute er die Kirchen Hausen bei Waal, Zeisertshofen, Bayerniederhofen und die Wallfahrten Ilgen, Kreuzberg und Wies. 1219 befreite Kaiser Friedrich II. das Kloster vom Zoll für die Weineinfuhr aus seinen Anbaugebieten im Etschtal.
Aufgrund von Misswirtschaft stand Steingaden um das Jahr 1400 vor dem Ruin. Damals wohnte nur noch ein Chorherr im Stift. Propst Johann Sürg von Sürgenstein verzichtete 1425 auf den Status der Reichsfreiheit und stellte das Kloster unter den Schutz der bayerischen Herzöge. Daraufhin entwickelte sich ein wirtschaftlicher und kultureller Aufschwung, der auch den gesellschaftlich-politischen Aufstieg zur Folge hatte. 1434 wurde Steingaden zur Abtei erhoben; 1475 erhielt es die bischöflichen Insignien. Abt Kaspar Suiter ließ die Kirche und den romanischen Kreuzgang von 1470 bis 1491 im Stil der Spätgotik umgestalten. 1525 erlitten die Chorherren im Bauernkrieg Brandschatzung und Plünderung, wobei das Archiv zum Großteil verloren ging. Unter den Äbten Joachim Wiedemann (1553–1580) und Gallus Theininger (1580–1606) erfolgten umfangreiche Renovierungen an den Gebäuden. Doch die Schweden und Franzosen steckten im Dreißigjährigen Krieg Kloster und Kirche wieder in Brand. Bis 1663 war man unter Abt Augustin Bonenmayr mit dem Wiederaufbau im Stil des frühen Barock beschäftigt. Steingaden war damals personell sogar in der Lage, Stift Speinshart zu erneuern. Als Abt Anton Erath von Erathsberg jedoch 1708 begann, in teuren Prozessen die Reichsfreiheit des Stifts zurückzufordern, wurde der finanzielle Ruin eingeläutet. Ehrgeizige Bauprojekte in den Folgejahren trugen maßgeblich zur Verschuldung bei. Abt Marinus Mayer ließ ab 1740 die Ausstattung der Klosterkirche durch den Wessobrunner Stukkateur Franz Schmuzer und den Augsburger Maler Johann Georg Bergmiller im Zeitgeschmack prunkvoll erneuern und ab 1745 von den Brüdern Zimmermann die Wieskirche errichten. Sie sollte zum Inbegriff der Rokokokunst in Bayern werden. Die damit verbunden Ausgaben zerstörten jedoch die wirtschaftliche Grundlage des Klosters. Abt Augustin Bauer ersuchte daraufhin 1783 Kurfürst Karl Theodor, die Niederlassung aufzuheben, doch er wurde abgewiesen. Dem letzten Abt Gilbert Michl (1750–1828) gelang es dann, die Schuldenlast erheblich zu verringern. Die finanzielle Lage blieb jedoch angespannt, denn die Koalitionskriege führten zu neuen Belastungen in Form von Sondersteuern und Einquartierungen von Soldaten.
Die Aufhebung des Klosters in Steingaden erfolgte am 1. April 1803. Wie in Rottenbuch erwarben die Brüder Mayer aus Aarau die Gebäude. Sie ließen sie 1819 fast vollständig abbrechen. Erhalten blieb nur der Flügel mit dem romanischen Kreuzgang und der Brunnenkapelle. Hier zog der Pfarrhof ein. Die Wallfahrtskirche in der Wies konnte nur durch die massive Gegenwehr der benachbarten Bauern vor der Zerstörung gerettet werden. Die ehemalige Klosterkirche dient seitdem als Pfarrkirche. Mit dem gemalten Stammbaum der Welfen an der Nordwand, dem Deckenfresko über der Orgel, das die Gründung des Klosters zum Thema hat, und den Epitaphien der Welfen erinnert sie noch heute an die einstigen Klostergründer. 1965 ging das Klostergut (rund 200 Hektar) durch Schenkung in den Besitz der Pfarrkirchenstiftung Steingaden über.
Christine Riedl-Valder
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