Rott am Inn, Benediktinerkloster – Juwel des Rokoko
Pfalzgraf Kuno I. von Rott und Vohburg gründete zusammen mit seiner Frau Uta von Dießen um 1083 am Hochufer des Inns zwischen Rosenheim und Wasserburg eine Benediktinerabtei, nachdem sein einziger Sohn Kuno II. am 11. August 1081 in der Schlacht bei Höchstädt gefallen war. Später hat man die Gründung auf das Jahr 1073 vorverlegt, da der Stifter als Gefolgsmann des Saliers Heinrich IV. im Kirchenbann stand, als er starb. Um das Jahr 1085 soll der neue Klosterbau fertig gewesen sein. Zu den übertragenen Gütern gehörten Besitzungen in der Umgebung, in Kärnten, an der ungarischen Grenze sowie die späteren Propsteien St. Ulrich am Pillersee in Tirol, außerdem Lam und Kötzting im Bayerischen Wald. Durch die Ländereien in Kärnten und im Lamer Winkel ist das Kloster mit der Rodung und Erschließung dieser Gegenden eng verbunden.
Die Abtei unterstand direkt Rom. Papst Innozenz II. erlaubte dem Kloster 1142 die freie Abtwahl. Das Ordensleben in Rott war vermutlich von Anfang an von der Gorzer und Trierer Reformbewegung beeinflusst und orientierte sich später an der vorbildlichen Lebensweise der Hirsauer Reform. Zwischen 1158 und 1184 erbaute man nach dem Schema der Hirsauer Klosterkirche eine dreischiffige Basilika mit Flachdecke, jedoch ohne Querhaus und mit zwei Osttürmen (in alten Ansichten überliefert). Sie wurde den beiden Heiligen Marinus und Anianus geweiht, zwei Männern, die Ende des 7. Jahrhunderts am Irschenberg ein heiligmäßiges Leben geführt haben sollen und schon von der romanischen Vorbevölkerung verehrt worden waren. Die Grafen von Lechsgmünd entzogen dem Kloster während der Ausübung ihrer Vogtei wiederholt Besitztümer. Vor diesen Maßnahmen suchte das Kloster unter anderem Schutz bei Kaiser Friedrich II., der 1226 Graf Konrad von Wasserburg als neuen Vogt einsetzte. 1247 wurde der Wasserburger vertrieben und die Wittelsbacher traten sein Erbe an. Rott war anschließend bis zur Säkularisation 1803 ein landständisches Kloster mit Hofmarksrechten.
Die meisten Äbte kamen aus dem umliegenden Adel, der mehrfach auch in der Klosterkirche durch Stiftungen sein Erbbegräbnis begründete. Abt Heinrich II. Tyrndl (reg. 1349–1359) erreichte, dass sein Kloster, das wegen der Unterstützung von Kaiser Ludwig dem Bayern (um 1282–1347) in Kirchenbann gefallen war, wieder gnädig von Rom aufgenommen wurde. Eine Pfarrkirche für die Einwohner der Hofmark und Bediensteten der Abtei wird 1361 erstmals erwähnt. Abt Ekbert Kratzl (reg. 1394–1413) erhielt vom Papst die Erlaubnis, bei festlichen Anlässen die Pontifikalien (die Abzeichen des Bischofs) zu tragen.
Die Äbte von Mariazell und des Wiener Schottenklosters visitierten 1452 das Kloster. Aufgrund ihrer Beanstandungen führte Abt Heinrich IV. Varcher (reg. 1447–1459), unterstützt von zwei Mönchen aus Tegernsee, die Melker Reform ein. Zum 400. Jahrestag der Klostergründung gab der spätere Abt Johannes II. Held (reg. 1485–1498) bei dem Burghausener Steinmetz Johann Sickinger ein repräsentatives Hochgrab in Auftrag, das die Erinnerung an die einstigen Stifter wachhalten sollte. Es fand 1485 feierlich Aufstellung.
Im 16. Jahrhundert verfiel das monastische Leben unter dem Einfluss der Reformation. Nach der Regierungszeit von Abt Bendikt I. Stumpf (reg. 1536–1567) war der fortschreitende Verfall durch eigene Kräfte nicht mehr aufzuhalten. Erst der aus Scheyern berufene Abt Jakob Bauer (reg. 1615–1639) konnte die Abtei reformieren. Nur wenige Jahre später musste die Niederlassung jedoch 1648 den Einfall der Schweden mit Plünderung und weitgehender Verwüstung über sich ergehen lassen. Seit dem letzten Viertel des 17. Jahrhundert engagierte sich die Abtei als Studienstätte des Ordensnachwuchses. Rott gehörte 1684 zu den Gründungsmitgliedern der Bayerischen Benediktinerkongregation und eröffnete kurz danach bereits eine eigene philosophisch-theologische Hochschule. Die wirtschaftliche Lage hatte sich im 18. Jahrhundert wieder so weit verbessert, dass Abt Ämilian Öttlinger (reg. 1698–1726) ab 1718 die Erneuerung der Klostergebäude in Angriff nehmen konnte. Einer seiner Nachfolger, der gebildete und kunstbegeisterte Abt Benedikt II. Lutz (reg. 1757–1776), später Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, entschloss sich zum Neubau der Klosterkirche. Ab 1759 schuf hier der Münchner Stadtbaumeister Johann Michael Fischer ein Hauptwerk des bayerischen Rokoko. Auch an der Ausstattung waren die berühmtesten Künstler ihrer Zeit beteiligt: Ignaz Günther erstellte mit seinem Schüler Josef Götsch den Hochaltar und die Skulpturen, sein Namensvetter Matthäus die Deckenfresken mit einer vielfigurigen „Glorie des Benediktinerordens“ in der riesigen Mittelkuppel und Jakob Rauch die Stuckdekoration. Am 23. Oktober 1763 vollzog der Freisinger Weihbischof Franz Ignaz Albert von und zu Werdenstein die Konsekration. Der endgültige Abschluss der Arbeiten sollte sich jedoch bis Anfang der 1790er-Jahre hinziehen. Wie in Steingaden führten die immensen Baukosten auch in Rott zum wirtschaftlichen Ruin. Aufgrund der hohen Überschuldung musste Abt Benedikt resignieren. Den beiden letzten Äbten, Gregor Mack und Ämilian Müller, gelang es, die finanzielle Situation wieder zu konsolidieren. Unter ihnen erlebte die Abtei noch einmal eine Blütezeit der Wissenschaften, vor allem auf dem Gebiet der Geschichts- und Naturwissenschaften. Viele der Mönche in Rott waren Absolventen des Münchner Jesuitengymnasiums und hatten eine ausgezeichnete Ausbildung vorzuweisen. Allein 13 Rotter Benediktiner lehrten als Professoren am Akademischen Gymnasium und der Universität Salzburg; viele weitere wirkten am Fürstbischöflichen Lyzeum Freising. Das Noviziat der Bayerischen Benediktinerkongregation war ab 1783 in Rott untergebracht. Einer der bekanntesten Gelehrten des Klosters, Pater Emmeram von Suter (geb. 1787), erfand eine Reihe astronomischer Geräte und leitete die klostereigene Sternwarte. Pater Magnus Schmid (1738–1803) war ab 1790 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Im Zuge der Säkularisation wurde das Kloster im März 1803 aufgelöst. Auch die zahlreichen, auf die Bedürfnisse der Mönche spezialisierten Gewerbebetriebe im Hofmarksort waren dadurch wirtschaftlich hart betroffen. Damals zählte der Konvent noch 34 Mitglieder. Abt Ämilian Müller starb 1809 in München. Der letzte Konventuale, Pater Kuno Niggl, lebte bis 1868 in Ising, wo er als Weltpriester tätig war. Der Großteil der Abtei und die alte Pfarrkirche wurden abgerissen, der Waldbesitz verstaatlicht, die reichhaltige Bibliothek, das Klosterarchiv und die wertvollen wissenschaftlichen und künstlerischen Sammlungen durch Verkauf verstreut oder nach München verbracht. In den übrig gebliebenen Westtrakt der Anlage zog eine Brauerei ein. 1937 vernichtete ein Brand das Gebäude. Es wurde 1988 erneuert. Die Abteikirche blieb allerdings erhalten und diente seitdem als Pfarrkirche. Nach einer umfassenden Gesamtsanierung von 1994 bis 2002 zählt sie heute neben der Wieskirche zu den eindruckvollsten Denkmälern des späten Rokoko in Bayern.
Christine Riedl-Valder
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