Raitenhaslach


 

GESCHICHTE

 

Raitenhaslach – Das älteste Zisterzienserkloster in Oberbayern?

 

 

 

Im Jahr 788 wurde der Ort „Raitinhaselach“ erstmals in einem Güterverzeichnis der Salzburger Kirche erwähnt. Lange vermutete man, dass dort im 8. und 9. Jahrhundert eine klösterliche Niederlassung existierte. Auch die Annahme, Bischof Konrad I. von Salzburg habe 1123 in Raitenhaslach ein Stift für Augustinerchorherrn errichtet, ist nicht zu belegen.

 

Die Lebenserinnerungen Bischof Konrads I. und die Annalen des Klosters Reichersberg berichten von der Gründung eines Zisterzienserklosters in Schützing an der Alz am 27. Oktober 1143. Stifter waren Graf Wolfher von Tegernbach und seine Gemahlin Hemma, die ihren Besitz an diesem Ort dem Erzbistum Salzburg übergaben. Die ersten Mönche für Schützing unter dem Abt Gero sollen vom Kloster Salem aus Salmansweiler gekommen sein. Dies scheint zuzutreffen, da auch Raitenhaslach noch als Tochterkloster von den übten aus Salem visitiert wurde.

 

Schon 1145 verlegte man das Salzburger Eigenkloster Schützing wegen der ungünstigen Lage von der Alz an die Salzach nach Raitenhaslach. Ein erstes Privileg, das Raitenhaslach mit Land, Vermögen und Rechten ausstattete, stammt von Bischof Konrad I. und datiert vom 15. Juni 1146. Päpstliche Privilegien über Güterbesitz, Zehntfreiheit sowie andere Rechte und Freiheiten folgten. Der Grund- und Güterbesitz der Zisterze wurde durch Schenkungen von geistlichen und weltlichen Herren stetig ausgeweitet. Entgegen der sonst üblichen Praxis des Ordens entfalteten die Zisterzienser von Raitenhaslach keine Rodungstätigkeit, denn das Umland war seit langem kultiviert. Auch Eigenwirtschaft betrieben sie nur in geringem Umfang selbst, sondern überließen dies den Laienbrüdern des Konvents. Dem Kloster inkorporiert waren einige Kapellen und Kirchen bei Altötting, die Pfarreien Burghausen, Halsbach, Niederbergkirchen, ferner Hadersdorf am Kamp in Niederösterreich und Ostermeiting in Oberösterreich.

 

Bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts erblühte die Zisterze unter den Salzburger Erzbischöfen. Mit der Festlegung der Landesgrenze zwischen Bayern und Salzburg übernahmen der Herzog von Niederbayern die Rolle der Förderers, aber auch des obersten Pflegers. Bis zu seiner Auflösung war das Kloster dem bayerischen Herrscherhaus der Wittelsbacher eng verbunden.

 

Das hohe Ansehen von Raitenhaslach zeigte sich überdies im zumeist guten Verhältnis zur römischen Kurie. 1397 erhielt der Abt das Recht zum Gebrauch der Pontifikalien im Bereich des Klosters und in den inkorporierten Kirchen. Die Kurie betraute das Kloster außerdem hin und wieder mit besonderen Aufgaben, wie der Bestellung des Raitenhaslacher Abts zum Beichtvater des von Papst Gregor IX. exkommunizierten bayerischen Herzogs Otto II. des Erlauchten im Jahr 1240. Trotzdem wurde der Konvent im 14. und 15. Jahrhundert selbst dreimal exkommuniziert, nicht zuletzt wegen seiner Unterstützung des mit dem Bann belegten Kaisers Ludwig des Bayern im Jahr 1335.

 

Wie in anderen bayerischen Klöstern so erlahmte auch in Raitenhaslach die Ordenszucht in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. 1474 beschloss Herzog Ludwig der Reiche eine Visitation, die den Abt Egidius Stainer zum Rücktritt veranlasste. Die Reformmaßnahmen des Nachfolgers Abt Johann Holzner fruchteten schnell. So verblieb das Kloster in der Zeit der Reformation ohne Schwierigkeiten im alten Glauben. 1523 erhielt die Abtei sogar päpstliche Sondervollmachten zur Bekämpfung des Luthertums in Bayern.

 

Hoch war die Verschuldung von Raitenhaslach im 16. Jahrhundert, sodass in größerem Umfang Grundbesitz und Güter veräußert werden mussten. Auch die Mitgliederzahl im Konvent sank stetig: 1573 lebten nur noch der Abt und zwei Konventualen im Kloster. Zu diesem Zeitpunkt fand erstmals eine Visitation durch den Abt des Klosters Cteaux, dem Oberhaupt des Zisterzienserordens, statt. Unter den übten Matthias Stoßberger und Philipp Perzel (reg. 1590-1620) konsolidierte sich das Kloster wieder, gelegentlich wurden Güter angekauft sowie Baumaßnahmen an der Klosterkirche durchgeführt. Allerdings wurden die Besitzungen von Raitenhaslach im Dreißigjährigen Krieg in Mitleidenschaft gezogen, wodurch sich die wirtschaftliche Lage des Klosters wieder verschlechterte. Eine rege Bautätigkeit im 18. Jahrhundert verschärfte die Finanzprobleme. Aber auch um die Ordenszucht war es in dieser Zeit nicht gut bestellt, wie viele Beschwerden von Konventualen an das Mutterkloster Salem über den Führungsstil der Oberen belegen. Von sechs übten wurden allein vier zum Rücktritt veranlasst. Dagegen blieb die Zahl der Konventmitglieder im 17. und 18. Jahrhundert konstant zwischen 25 und 30; zum Zeitpunkt der Auflösung des Klosters waren es sogar 37 Konventualen.

 

Im 18. Jahrhundert prägten vielfältige Baumaßnahmen die Entwicklung von Raitenhaslach, vergleichbar mit vielen anderen bayerischen Klöstern. Die Abteikirche war als dreischiffiger Kirchenbau ohne Querschiff im 12. Jahrhundert entstanden, 1186 hatte die Weihe des Hochaltars stattgefunden. Die Innenausstattung wurde im Lauf der Jahrhunderte immer wieder dem aktuellen Kunststil angepasst. Aus der Zeit der Renaissance haben sich bis heute Grabmäler von Äbten erhalten, die im Kapitelsaal beigesetzt waren. Auch Angehörige des Hauses Wittelsbach fanden zwischen 1396 und 1502 in der Klosterkirche ihre letzte Ruhestätte. Ein umfassender barocker Umbau erfolgte in den Jahren 1690 bis 1696. Ihre heutige Gestalt und Fassade im Stil des Rokoko erhielt die Basilika in der Mitte des 18. Jahrhunderts, unter anderem durch Johann Baptist Zimmermann. 1785 war auch ein prächtiger Neubau für die Klosterbibliothek fertig gestellt.

 

Am 18. März 1803 wurde im Auftrag des bayerischen Kurfürsten die Aufhebung des Klosters verkündet. Bereits seit November 1802 waren Klostervermögen, Archiv, Bibliothek und Schatzkammer beschlagnahmt und in staatlichen Besitz überführt worden. Nun folgte die öffentliche Versteigerung. Gebäude wurden entweder abgerissen, wie die in bestem Zustand befindliche Bibliothek, oder verkauft. Die ehemalige Abteikirche dient seither als Pfarrkirche St. Georg und St. Pankratius. Hartnäckig und erfolgreich widersetzte sich die bäuerliche Bevölkerung den Plänen der weltlichen und geistlichen Obrigkeit zum Abbruch der beliebten Wallfahrtskirche Marienberg.?

 

Ein Versuch von Zisterziensermönchen aus Ossegg in Böhmen unter ihrem Abt? Eberhard Harzer nach dem Zweiten Weltkrieg Raitenhaslach wieder als Kloster neu zu beleben blieb erfolglos. Nach einer langwierigen und aufwändigen Restaurierung im ausgehenden 20. Jahrhundert erstrahlt aber die Kirche im alten Glanz. Im Jahr 2003 erwarb die Stadt Burghausen die nach der Säkularisation in Privathand übergegangenen Gebäude, nachdem die bis in unsere Tage von einer Familie in mehreren Generationen betriebene ehemalige Klosterbrauerei in Insolvenz gegangen war. In Partnerschaft mit der Technischen Universität München wurden die Bausubstanz und die Handwerkstechniken der Barockzeit erforscht. Nach Abschluss der Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten betreibt die TU München seit Juni 2016 in der ehemaligen Klosteranlage ihr "TUM Raitenhaslach Study and Residence Center", in dem Tagungen, Doktorandentreffen, Strategietreffen, Professorenklausuren, Fachschaftswochen etc. abgehalten werden. Das Akademiezentrum steht daneben auch der Stadt Burghausen für Konzerte und Veranstaltungen zur Verfügung.?

 

(Stephanie Haberer)

 

 

 



 

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AUS DEM HDBG-MEDIENARCHIV
Wening, Michael, Ansicht des Zisterzienserklosters Raitenhaslach b. Burghausen, Kupferstich, um 1720, Burghausen, Stadtmuseum.
Copyright: Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg (Voithenberg)

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