München, St. Antonius


 

GESCHICHTE

Münchner Franziskaner - Vom Bettelkloster zur Staatsoper

Im frühen 13. Jahrhundert, nach der Ordenstradition im Jahr 1221, kamen die ersten Brüder des hl. Franziskus nach München. Urkunden Papst Alexanders IV. von 1257 bezeugen ein Haus der "Minderen Brüder" mit der Kirche St. Jakob als Münchens ältestes nachweisbares Kloster. Die Lage auf dem so genannten Anger, außerhalb der Stadtmauer und in einer armen Vorstadt, war typisch für den Bettelorden. Heute steht am Jakobsplatz an dieser Stelle das Kloster der Armen Schulschwestern.
Das alte Kloster St. Jakob am Anger übernahmen im Jahr 1284 Klarissen, also Nonnen des Zweiten Ordens der Franziskaner. Die Seelsorge für die Klarissen oblag bis zur Säkularisation den Münchner Franziskanern. Sie leiteten auch die Wirtschaftsbetriebe der Nonnen. Die Mönche besaßen hierzu eine ständige Niederlassung beim Angerkloster. Dieses Hospiz, zumeist von zwei Patres und einigen Brüdern bewohnt, wurde 1802 formell aufgehoben und im Dezember 1803 verlassen.
1284 übersiedelten die Mönche von St. Jakob auf Wunsch Herzog Ludwigs des Strengen in die Nachbarschaft der herzoglichen Residenz. Ihr neues Kloster St. Franziskus (ab 1392: St. Antonius von Padua) lag in der nördlichen Vorstadt an der Hauptstraße nach Regensburg. Hier befand sich auf herzoglichem Grund eine Kapelle St. Agnes. Sie bildete den Kern der neuen Klosteranlage. Es ist anzunehmen, dass bereits einige Jahre vor dem Umzug mit dem Bau begonnen wurde. Erst 1294 erfolgte die Weihe einer, neben der Agneskapelle erbauten, großen Klosterkirche St. Franziskus. Zugleich begann um 1294 die große Erweiterung Münchens. Nun lagen alle Klöster im Schutz der neuen Ringmauer innerhalb der Stadt. Ein Augustinerkloster beschloss die Ansiedlung von Orden im mittelalterlichen München. Mit Ausnahme des Ostens, den das städtische Spital Heiliggeist dominierte, lagen nun an allen wichtigen Ausfallstraßen Klöster der Bettelorden: im Westen die Augustiner-Eremiten, im Süden die Klarissen und im Norden die Minderbrüder oder Barfüßer. Den Standort des Franziskanerklosters und seiner Kirche markiert heute der Max-Joseph-Platz.
Neben der Seelsorge für die Klarissen am Anger oblag den Franziskanern ab dem Jahr 1284 die geistliche Betreuung der Püttrich-Schwestern und ab 1295 auch der Ridler-Schwestern. Die Regelhäuser und späteren Klöster des Dritten Ordens waren dem Konvent unmittelbar benachbart, sodass hier ein franziskanisches Stadtquartier entstand.
In der Regierungszeit Kaiser Ludwigs des Bayern entwickelte sich das Kloster der Münchner Franziskaner zu einem wissenschaftlichen und politischen Zentrum von europäischem Rang.
Hier lebten ab 1328 bis zu ihrem Tod die Franziskaner Michael von Cesena (gest. 1342), Bonagratia von Bergamo (gest. 1340) und William von Ockham (gest. 1349).
Pater Michael von Cesena war 1316 zum Generaloberen der Franziskaner gewählt worden. Ab 1321 stand er in Konfrontation mit Papst Johannes XXII., da der Franziskaner die Theorie einer extremen Armut der Kirche verfocht. 1328 wurde Michael als ein Anhänger Kaiser Ludwigs des Bayern exkommuniziert. Ihm zur Seite stand in diesem Schicksal der vormalige Rechtsberater des Ordens, Frater Bonagratia Boncortese, ein Jurist aus Bergamo. In München leiteten Michael und Bonagratia gewissermaßen die Propagandazentrale des Kaisers. Der englische Mönch Magister William von Ockham oder Occam (geb. um 1285) galt als der scharfsinnigste Gelehrte seiner Zeit. Im Umkreis des Franziskanerklosters und der Residenz lebte schon seit 1326 auch Doktor Marsilius von Padua (geb. um 1275 gest. 1343). Der Arzt, Jurist und Theologe war der Autor des "Defensor Pacis". Es mutet als Ironie der Geschichte an, dass hier jene politische Theorie vom Vorrang des weltlichen Herrschers über die Kirche begründet wurde, die letztlich auch zur Säkularisation beigetragen hat.

Zur Zeit seiner größten Bedeutung war das Münchner Franziskanerkloster nahezu eine Ruine, denn der Stadtbrand von 1327 hatte große Teile der Anlage zerstört. Aus seiner großen Armut führte den Konvent erst der Münchner Patriziersohn Vinzenz Ridler. 1375 war eine umfassende Renovierung der Klosterkirche abgeschlossen und 1385 konnten die Mönche nach einem jahrzehntelangen Provisorium wieder einen richtigen Konventbau beziehen.
Von besonderer Bedeutung für den Konvent wurde nun eine wertvolle Reliquie, nämlich ein Oberarmknochen des hl. Antonius von Padua. Er war 1330 als Geschenk Kaiser Ludwigs des Bayern nach München gelangt, jedoch in der wirren Zeiten der Großen Pest eingemauert worden. Nach ihrer Wiederauffindung im Jahr 1394 bildete die Reliquie des hl. Antonius das Ziel zahlreicher Wallfahrer. Zu einem weiteren spirituellen Anziehungspunkt des Klosters bis zur Säkularisation wurde das Grab des 1327 im Ruf der Heiligmäßigkeit verstorbenen Fraters Marquad Weismaler. 1405 wurden seine irdischen Überreste in einem Schrein auf den Altar erhoben und bis 1802 verehrt
Im Lauf weniger Generationen erwarben die Münchner Barfüßer ein stattliches Vermögen. Zahlreiche Adlige und Bürger stifteten an das Kloster so genannte Jahrtage mit regelmäßigen Reichnissen in Naturalien und Bargeld. Über die Zulässigkeit solch regelmäßiger Einkünfte und von Grundbesitz kam es innerhalb des Ordens im späten 15. Jahrhundert zum Streit. In München stand Herzog Albrecht IV. auf Seiten der neuen Verfechter der strengen Observanz.
Seit 1469 war nördlich des Klosters am Rande des heutigen Hofgartens die "Neuveste" des Herzogs entstanden. 1480 zwang der Fürst mit päpstlicher Genehmigung den Konvent, mit Ausnahme von drei reformwilligen Mönchen, zum Abzug. Er besetzte das Kloster neu mit Anhängern der so genannten Observanten. Als sichtbaren Ausdruck ihrer Anteilnahme am Leben des Klosters stifteten Albrecht IV. und seine Gemahlin Kunigunde von Österreich den Barfüßern 1492 einen neuen Hochaltar. Das Werk von Jan Pollack im Stil der Münchner Spätgotik ist heute ein Glanzstück des Bayerischen Nationalmuseums in München.
Die Münchner Franziskaner lebten nach der Reform von 1480 in erster Linie von Almosen. Auch entstand ihre Klosterbrauerei wohl erst nach Einführung der strengen Observanz als neuer Erwerbszweig. Traditionell bildeten zudem die Gebühren für Bestattungen auf dem bei den Münchner Bürgern beliebten Klosterfriedhof eine Einnahmequelle. Die Nachfolger Herzog Albrechts IV. erweiterten die Neuveste zu ihrer ständigen Residenz als Ersatz für den Alten Hof. Das Franziskanerkloster stand schließlich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Residenz und konnte von dort aus sogar direkt betreten werden.
Unter dem Herzog und späteren Kurfürsten Maximilian entstand ab 1620 eine selbstständige bayerische Franziskanerprovinz. Sie wurde auf Betreiben des Landesherrn vom Papst einer italienischen Reformgruppe innerhalb des Ordens übergeben. Die so genannten Reformaten übernahmen als erstes und wichtigstes Kloster in Bayern den Konvent bei der Residenz. Viele der alten Observanten verließen daraufhin die neue Provinz wegen des "welschen guberno", also der Vorherrschaft italienischer Mitbrüder. Innerhalb einer Generation war jedoch eine großer Zahl einheimischer Reformaten herangewachsen. Als neuer Hausbetrieb entstand im Münchner Kloster eine Tuchmanufaktur. Sie belieferte die gesamte Provinz mit Stoffen für den Habit und Wolldecken. An handwerklich ausgebildeten Laienbrüdern mangelte es nicht, verfügte doch der umfangreiche Konvent durchschnittlich über 70 Mönche. Auch das Studium der Kleriker fand im eigenen Haus statt.
Von 1693 an betreuten Patres des Münchner Konvents die von Fürstbischof Joseph Clemens, dem Bruder des Kurfürsten Max Emanuel, begründete St.-Michaels-Bruderschaft in Berg am Laim. Um den Mönchen die Mühen dieser Wegstrecke zu ersparen, entstand 1751 das selbstständige Hospiz Josephsburg.
Nach der Niederlage des Kurfürsten Max Emanuel im Spanischen Erbfolgekrieg fand der wittelsbachische Hausschatz von 1705 bis 1715 ein sicheres Versteck bei den Münchner Franziskanern. Aus Dankbarkeit stiftete Max Emanuel dem Orden ein neues Kloster in Neuötting.
Im 17. und 18. Jahrhundert waren die Franziskaner am kurfürstlichen Hof, in den Palais des Adels und den großbürgerlichen Häusern geschätzte Beichtväter und Krankenseelsorger. Doch ungeachtet ihrer über Jahrhunderte bezeugten Loyalität für das Haus Wittelsbach waren die Franziskaner das bevorzugte Ziel der Säkularisation. Schon im Jahr 1792 hatte die kurfürstliche Hofbauintendanz für den Bau eines neuen Theaters den Abbruch des Klosters bei der Residenz ins Auge gefasst. Minister von Montgelas plante 1801 die Verlegung der Münchner Franziskaner in die Vorstadt Au.
Am 25. Januar 1802 erließ Kurfürst Max IV. Joseph das Säkularisationsdekret für das Kloster. Bereits am 6. Februar 1802 begann Philipp Graf Arco als kurfürstlicher Kommissar mit der Aufhebung des Konvents. Ein genaues Inventar des Klosters ergab ein recht bescheidenes Kapitalvermögen. Umfangreich war jedoch der Bestand an Kunstwerken zur Ausstattung der Kirche mit nicht weniger als 25 Altären. Der Konvent bestand aus 25 Priestermönchen, fünf Klerikern und vierzehn Laienbrüdern. Um kein Aufsehen bei der anhänglichen Bevölkerung zu erregen, erfolgte der Abtransport der Barfüßer unter militärischem Geleit am 4. März um 3 Uhr früh in das Zentralkloster Ingolstadt. Der größte Schatz der Mönche, das Reliquiar des hl. Antonius von Padua, begleitete sie nach Ingolstadt. Dort war das ehemalige Augustinerkloster für die Franziskaner als Aussterbekonvent bestimmt. Der Schrein des Fraters Marquard kam hingegen in die Heiliggeistkirche und blieb dort später verschollen.
Die Klostergebäude in München wurden "auf Abbruch" an die Meistbietenden versteigert. Gegen Überlassung der noch verwendbaren Hausteine, Ziegel, Balken und Metallteile planierten private Baufirmen den Klosterkomplex vom August bis zum November 1802. Damit verschwand auch der Jahrhunderte alte Friedhof mit seinen Gruftkapellen und den Gräbern zahlreicher Persönlichkeiten, etwa des Renaissancekomponisten Orlando di Lasso. Einige Grabplatten wurden indes als historische Monumente an die Frauenkirche übergeben. Den Schädel des Wilhelm von Ockham erhielt die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Das weitflächige Ödland erhielt den Namen "Max-Joseph-Platz". Nach der Überlassung des alten "Paradeplatzes" des Militärs im Kreuzviertel als neuen bürgerlichen "Promenadeplatz" diente der Max-Joseph-Platz vom Sommer 1804 bis zum Frühjahr 1826 als Exerzierstätte der Münchner Garnison.
Von 1826 bis 1835 errichtete Leo von Klenze im Auftrag König Ludwigs I. auf dem Areal der Klöster der Ridlernonnen und der Barfüßer den Königsbau der Residenz. Neben der einstigen Pforte des Franziskanerklosters wurde 1835 das Denkmal für König Max I. Joseph aufgestellt.
Hinter dem eigentlichen Kloster baute Carl von Fischer in den Jahren 1811 bis 1818 das neue Königliche Hof- und Nationaltheater. Die Einmündung der heutigen Maximilianstraße auf den Max-Joseph-Platz markiert die Lage der früheren Kirche. Im Geist der Säkularisierung wurde der Wandel zum Musenort gefeiert. Umgekehrt empfanden andere Zeitgenossen einen Dachstuhlbrand im April 1817 und vor allem den Totalbrand des Theaters am 14. Januar 1823 als eine Strafe des Himmels. Ungeachtet dessen entstand bis 1825 durch Leo von Klenze das Nationaltheater, heute Sitz der Bayerischen Staatsoper.
Bereits 1827 holte Ludwig I. wieder Franziskaner in die königliche Haupt- und Residenzstadt. Sie erhielten für ihre erneute Niederlassung in München die Kirche St. Anna im Lehel (St.-Anna-Vorstadt) und einen Teil des ehemaligen Klosters der Hieronymiten. Der Rest des St.-Anna-Klosters verblieb bis 1901 in Militärbesitz. Heute befindet sich hier der Sitz der bayerischen Provinz des Ordens.

( Christian Lankes )



 

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