Memmingen, Schottenkloster St. Nikolaus – eine verkümmerte Stiftung
Der 1128 urkundlich als „oppidum“ (befestigte Siedlung) erwähnte Ort Memmingen war zu jener Zeit bereits ein Herrschaftszentrum der Welfen an der Kreuzung der Salzstraße von München zum Bodensee und der Handelsstraße von Ulm nach Kempten. Herzog Welf VI. (1115–1191) von Bayern, Herzog von Spoleto und Markgraf von Tuscien (die heutige Toskana), gründete hier zwischen 1178 und 1191 nach der Rückkehr von seiner zweiten Reise ins Heilige Land an der St. Nikolauskapelle eine klösterliche Niederlassung. Sie befand sich an der Stelle des alten Friedhofs an der Augsburger Straße. Es war die siebte und vorletzte welfische Kloster- und Stiftsgründung. Vor seiner ersten Fahrt, dem Kreuzzug 1147, hatte der Herzog für die Fundierung des Prämonstratenserstifts St. Johann zu Steingaden gesorgt. Innerhalb der Kongregation der „Schottenklöster“ – dabei handelte es sich um irische Mönche („Scoti“ genannt), die nach der Benediktinerregel lebten – war Memmingen die neunte Niederlassung auf deutschem Boden. Die ersten zwölf Ordensmänner unter der Führung ihres Priors Maurus (Mardach) kamen aus dem Schottenkloster St. Jakob in Regensburg.
Die Abtei war mit nur wenig Land ausgestattet. Dazu gehörte das Schottenholz beim Geißhof, der Schottenbrühl, sowie der Weiler Eichholz bei Dietmannsried. Kaiser Friedrich I. bestätigte 1181 die Gründung (erneuert von seinem Sohn Heinrich VI. 1192). Die Tatsache, dass Bischof Hartwig von Augsburg 1181 und Papst Urban VI. 1186 den Mönchen das Beerdigungsrecht für Gäste und Fremde einräumten, könnte ein Hinweis auf ein bestehendes Pilgerhospiz unter der Obhut der Mönche sein. Nach dem Tod des kinderlosen Herzogs Welf VI. im Jahr 1191 gingen dessen Güter an die Staufer über. Memmingen stieg in der Folgezeit rasch zur Stadt auf.
Zeit seines Bestehens blieb das Kloster bedeutungslos und wirtschaftlich verarmt. Nur wenige Urkunden sind überliefert. Auch darin spiegelt sich die geringe Bedeutung der Abtei wider. Namentlich sind lediglich vier Äbte der Niederlassung bekannt. Neben dem ersten Prior Maurus (1167) sind dies Bruno (1186), Donald (1216) und Ruoger (1268). Das Kloster schien wie auch die anderen Schottenklöster erhebliche Nachwuchsprobleme zu haben, da die Niederlassungen nur irischen Mönchen offenstanden und der Zufluss von Mönchen deshalb nicht groß war.
Im Jahr 1332 übergab das Schottenkloster der Memminger Bürgerschaft gegen einen Jahreszins den Schottenbrühl, auf dem eine Bleiche errichtet wurde. Einem Schreiben der Stadt Memmingen vom 16. November 1345 kann man entnehmen, dass die Mauern der Anlage damals vom Verfall bedroht waren und es in der Abtei an Büchern, Kelchen und kirchlichen Gewändern fehlte. In dieser Zeit existierte vermutlich bereits kein Konvent mehr. Die Stadt ließ 1388 einen Teil der Klostergebäude abreißen, um mit dem Material die Stadtmauern zu verstärken. Die Seelsorge an St. Nikolaus wurde von Weltgeistlichen ausgeübt. Im Jahr 1400 kam zwischen der Stadt Memmingen und dem für St. Nikolaus zuständigen Würzburger Schottenkloster ein Vertrag zustande, wonach von Würzburg aus weiterhin ein Titularabt eingesetzt wurde, die geistliche Betreuung durch einen Weltkleriker und die Verwaltung des Vermögens durch den Stadtrat erfolgen sollten. Im folgenden Jahr wurde der Augustiner und Ehrenkaplan Bonifaz IX., Heinrich Symonis, auf Lebenszeit Seelsorger an St. Nikolaus (Amtszeit 1401–1420). Sein Nachfolger waren Tilman Textor (ab 1420), der gegen den Würzburger Schottenabt einen langwierigen Prozess führte, und Johannes Federwisch (ab 1424). Nach schlechten Erfahrungen mit diesen Säkularpriestern wollte man die Leitung des wohl unbesetzten Klosters wieder Benediktinern übertragen. Als erster Propst trat der Konventuale Jodok Niederhof (ein gebürtiger Memminger) aus dem benachbarten Ottobeuren das Amt an (tätig 1435–1443). Ihm folgten mehrere, wohl alle aus Memmingen stammende und dem Ottobeurer Konvent angehörende Pröpste. Durch die wirtschaftliche Tatkraft dieser Männer konnte der Untergang des Klosters hinausgezögert werden. Nach vielerlei Streitigkeiten und Prozessen sorgte die Stadt Memmingen – sogar unter Einschaltung des Schwäbischen Bundes – jedoch dafür, dass St. Nikolaus schließlich dem Augustinerkloster inkorporiert wurde. Am 22. Juni 1498 sprach Papst Alexander VI. die gewünschte Inkorporation aus. 1512 wurden die Klostergebäude, 1529 auch die Kirche abgebrochen.
Christine Riedl-Valder