Engelthal ? einst ein Zentrum deutscher Mystik
Nachdem Kaiser Friedrich II. im Jahr 1239 mit dem Bann belegt worden war, flüchtete der Konvent der Magdalenerinnen aus Nürnberg. Der Reichsministeriale Ulrich von Königstein ermöglichte durch eine Schenkung ihre Ansiedlung auf seinen Besitzungen in Swinach und Engelschalksdorf. Diese beiden Ortschaften gingen in dem neuen, Engelthal genannten Kloster auf, das Bischof Friedrich von Eichstätt 1244 bestätigte.
In Engelthal dachte der Konvent schon bald an den Übertritt in einen anderen Orden. Denn die Magdalenerinnen (auch ?Reuerinnen? genannt) waren zumeist ehemalige Prostituierte. Auch in Nürnberg war dies der Fall gewesen. Nun schämten sich die ehemaligen Dirnen ihrer Vergangenheit, an die sie der Name ihres Ordens ständig erinnerte. 1248 reiste die Priorin Diemut von Gelnhausen zu Papst Innozenz IV. nach Lyon und erreichte dort den vollen Anschluss ihres Klosters an den Orden der Dominikaner.
Regelrechte Klosterbauten entstanden in Engelthal in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die Klosterkirche wurde Johannes dem Täufer geweiht und in der Art der Bettelordenskirchen errichtet, das heißt ohne Turm, nur mit Dachreiter und einschiffigem, ursprünglich flach gedecktem Langhaus (in dessen westlicher Hälfte an drei Seiten Emporen) und kreuzrippengewölbtem Chor. Südlich von ihr schloss sich der rechteckige Klosterhof an, um den sich die Konventsgebäude gruppierten. Die Wirtschaftsbauten umgab man mit einer teilweise heute noch sichtbaren Steinmauer. Von den einst drei Toren sind noch das Ost- und Nordtor erhalten.
Durch reiche Schenkungen konnten die Nonnen ihren Besitz in den nächsten hundert Jahren beträchtlich vermehren. Das erste Salbuch aus dem Jahr 1312 verzeichnet über 175 Anwesen unter der Regie des Konvents. Bis 1350 kamen weitere 70 Höfe, Güter und Grundstücke hinzu. Damals lebten mehr als 100 Nonnen im Kloster Engelthal. Durch geschickte Kauf- und Verkaufspolitik entstand in der Folge im Hammerbachtal eine fast geschlossene klösterliche Grundherrschaft.
Im 14. Jahrhundert wurde Kloster Engelthal auch zu einem blühenden Hort der Mystik. Die Nonne Adelheid Langmann verfasste hier ihre ?Offenbarungen?. Die berühmte Nonne Christina Ebner schrieb ihre Visionen in dem Buch ?Von der Gnaden Überlast? nieder. Diese beiden Mystikerinnen waren in ganz Deutschland berühmt. König Karl IV. reiste deshalb 1350 nach Engelthal, um Christina Ebner zu treffen. Auch viele Bischöfe und weltliche Würdenträger statteten ihr einen Besuch ab. Die Ebnerin stand außerdem im Briefwechsel mit den Mystikern Tauler und Seuse.
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entwickelte sich der Frauenkonvent immer mehr zur Versorgungsstätte begüterter Grafen- und Fürstentöchter, die nicht auf gewohnten Luxus verzichten wollten. Die Klausur wurde immer mehr durchbrochen und schließlich offen abgelehnt. Da viele weibliche Nachkommen des Oberpfälzer Adels in Engelthal lebten, hat man eine Reformierung immer wieder verhindert. Erst nachdem das Kloster unter Nürnberger Oberherrschaft gekommen war, enthob der Rat der Reichsstadt 1512 die Priorin ihres Amtes, setzte einen Pfleger ein und beorderte zehn reformierte Nonnen aus dem Katharinenkloster von Nürnberg nach Engelthal. Der reichsstädtische Pfleger übernahm die Rechnungsführung der ansehnlichen klösterlichen Wirtschaft. Doch auch in den Folgejahren gab es Beweise für die Disziplinlosigkeit der Engelthaler Nonnen.
Nachdem Nürnberg 1524 den evangelischen Glauben angenommen hatte, lösten sich die meisten Klöster in der Reichsstadt auf. Die Nonnen von Engelthal kehrten jedoch auch nach den beiden Markgrafenkriegen ? dabei wurde Engelthal 1552 völlig niedergebrannt ? immer wieder in ihr Kloster zurück und bauten es notdürftig auf. Erst 1565 überschrieben die beiden letzten Ordensschwestern den gesamten Besitz dem Rat der Stadt Nürnberg. Die Stiftskirche wurde darauf hin zur evangelischen Pfarrkirche umfunktioniert.
Von 1747 bis 1751 hat man das Langhaus eingewölbt und im Stil des Rokoko mit Laub- und Bandelwerk aus Stuck und einem Deckenfresko verziert. Gleichzeitig wurde eine neue Ausstattung angeschafft: ein barocker Hochaltaraufbau, eine Kanzel und ein Orgelprospekt mit üppigem Akanthuslaub-Dekor. Von den ehemaligen Klostergebäuden ist heute nur mehr die Gruppierung erkennbar.
(Christine Riedl-Valder)