Ein Franziskaner als Schutzengel von Eggenfelden
Nach der Pestepidemie 1612 und den ersten schrecklichen Einfällen der Schweden in den Jahren 1632 und 1634 entschloss sich die Bürgerschaft von Eggenfelden zur Stiftung der großen Marienkapelle Zu unserer Lieben Frau (erbaut 1634?1637; seit Anfang 19. Jahrhunderts Friedhofskapelle). Hier entfaltete sich ein reger Wallfahrtsbetrieb. In den ersten Jahren halfen Kapuziner aus Braunau in der Seelsorge aus. Auf Antrag der Bürger gab Kurfürst Maximilian dann 1648 die Erlaubnis zum Bau eines Franziskanerklosters. Noch im selben Jahr zog als erster Pater Johannes Baptist Still, vom Kloster Dingolfing kommend, in die R
1705 erhielt die Klosterkirche eine Gruft als würdige Grablege für die Patres. Ein Noviziat zur Ausbildung des Ordensnachwuchses wurde 1727 im Kloster eröffnet. Nachweislich ab 1737 betrieb das Kloster auch eine eigene Brauerei. In den 1730er-Jahren war die Klosterkirche zu klein geworden. Man ließ sie 1737 unter der Bauleitung des Laienbruders Aichard Holzleitner um mehr als die Hälfte nach Osten verlängern. Die Zahl der Altäre wurde auf fünf erhöht. Reliquien, die zum Teil aus dem kaiserlichen Hausschatz in Wien stammten und als Schenkung an das Kloster gekommen waren, wurden darin eingeschlossen. Auch Chor und Sakristei hat man damals neu erbaut. Zur Zeit des Österreichischen Erbfolgekrieges erschien 1744 eine Horde zerstörungswütiger Soldaten, die die Stadtmauer sprengten und die Häuser in Brand setzen wollten. Wiederum erwies sich einer der Franziskaner als rettender Engel für die Eggenfeldener Bürger. Guardian Peter Rudolf Friedl gelang es in dieser Schreckenssituation, die Horden zum Abzug zu bewegen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehörten im Durchschnitt rund 20 Patres und 15 Laienbrüder zum Eggenfeldener Franziskanerkonvent.
Das Kloster wurde gegen den Willen der Eggenfeldener Bürger 1802 von Staats wegen aufgehoben. Damals lebten 17 Patres und elf Laienbrüder und Novizen im Kloster. Sie wurden in das Zentralkloster Dietfurt verlegt. Der
Unter dem Naziregime wurde die Klausur aufgehoben. Der Keller im Kloster diente als Luftschutzraum. Drei Klosterbrüder wurden zum Kriegsdienst einberufen. 1942 mussten zwei der drei Glocken für die Rüstungsindustrie abgeliefert werden. 1940/41 beschlagnahmte die Wehrmacht Kirche, Refektorium und Noviziat zur Einquartierung einer Panzerjäger-Kompanie. Nach Abzug der Soldaten belegte die ?Nationalsozialistische Volkswohlfahrt? die Räume zur Unterbringung von Kindern hauptsächlich aus dem Ruhrgebiet. Auch das ?Sozialwerk der Kriegshandwerkerschaft? quartierte Lehrlinge ein. Ende 1944 mussten Familien und 15 französische Arbeiter vom Kloster aufgenommen werden. Ein Jahr später wurde ein Kindergarten im Kloster eingerichtet und zur selben Zeit musste auch für die von Fronstadt in Schlesien geflüchtete SS-Grenadier-Schule Platz geschaffen werden. Nach Kriegsende brachte die amerikanische Militärregierung im Noviziat Überlebende aus Konzentrationslagern unter. Später war das Kloster vorübergehende Wohnstätte von Heimatvertriebenen.
Gegenwärtig leben sechs Franziskaner im Eggenfeldener Kloster. Zu ihren Hauptaufgaben zählt die Seelsorge in der eigenen Klosterkirche, im Krankenhaus, in den Altenheimen, bei der Marianischen Männerkongregation, der Kolpingfamilie und die Aushilfen in den Pfarreien der Umgebung. Seit der Wiedereröffnung des Klosters gehören Gebäude und Grund des Franziskanerklosters der Stadt Eggenfelden und 14 weiteren Gemeinden des Landkreises. Zum 350-jährigen Jubiläum stifteten die Bürger einen Brunnen, der vor dem Kloster aufgestellt wurde. Auf ihm sind in mehreren Szenen die historischen Ereignisse zur Gründungszeit des Klosters dargestellt. Der von dem Eggenfeldener Bildhauer Josef Michael Neustifter geschaffene Brunnen ist Johannes Still, dem ersten Franziskanerpater in der Stadt gewidmet, der als ?Schutzengel von Eggenfelden? noch heute verehrt wird.
Christine Riedl-Valder