Der Würzburger Fürstbischof Julius Echter (reg. 1573?1617) setzte sich spätestens ab 1585 an die Spitze der Gegenreformation in Franken. Einerseits säkularisierte er mit großer Energie marode Klöster wie etwa Heiligenthal oder Mariaburghausen zugunsten der von ihm gegründeten Universität oder des Juliusspitals. Andererseits förderte Echter mit dem gleichen Einsatz die Neugründung von Klöstern, wenn es ihm für sein Ziel der Rekatholisierung des Bistums hilfreich erschien. In diesen Zusammenhang gehört die Berufung von Franziskanern der Straßburger Observanz im Jahr 1616 nach Dettelbach am Main. Auf dem Provinzkapitel von 1622 in Augsburg wurde Dettelbach formell als Konvent aufgenommen. Pater Bartholomäus Sutor wurde zum ersten Guardian bestimmt. Aus den ursprünglich 24 Patres wurden binnen kurzer Zeit 36 Franziskanermönche.
Bereits 1617 war die etwa eine Viertelstunde Fußweg östlich des Ortskerns von Dettelbach inmitten von Weinbergen gelegene, vierflügelige Klosteranlage bei der neu erbauten Wallfahrtskirche vollendet. Ein Relief über dem Portal zeigt die Übergabe des Klosters durch Julius Echter an die Gottesmutter Maria. Bald zählte der Konvent 24 Patres. Zeitweilig befand sich in Dettelbach sogar die theologische Schule des Ordens. Von hier aus wurden aber auch andere Klöster, so in Schwarzenberg oberhalb von Scheinfeld und auf dem Kreuzberg, besiedelt.
Aufgabe der Mönche in Dettelbach war die Betreuung einer bereits im ausklingenden Mittelalter entstandenen Wallfahrt. Ihren Ursprung hatte diese Wallfahrt der Sage zufolge im Jahr 1504 nach der wundersamen Genesung des Taglöhners Nikolaus Lemmerer aus Melkendorf im Bistum Bamberg nach einer Wirtshausschlägerei, die man mit einer Wallfahrt zu einem in den Weinbergen stehenden Bildstock in Verbindung brachte. Nach weiteren Gebetserhörungen errichtete der Dettelbacher Rat zunächst ein Heiligenhäuslein über dem Bildstock. 1506 erbaute man mit Unterstützung des Fürstbischofs Lorenz von Bibra (reg. 1495?1519) eine Kapelle aus Stein mit drei Altären, die noch im Chor der heutigen Kirche erhalten ist. Drei Jahre später wurde eine Schäferbruderschaft gegründet. 1511 berichtete Johannes Trithemius, Abt des Würzburger Schottenklosters, in seinen Mirakelaufzeichnungen von einer blühenden Wallfahrt, bei der er ?vieles vorfand, sowohl an Gold und Silber, wie auch an Wachs und Paramenten, geopfert von den Gläubigen?.
Bauernkrieg und Reformation ließen die Wallfahrt im Lauf des 16. Jahrhunderts nahezu in Vergessenheit geraten. Echter baute sie jedoch planmäßig zur bedeutendsten in seinem Bistum auf. Dazu ließ er ab 1610 die der ?Jungfrau Maria in den Weinbergen? bzw. ?im Sand? geweihte Wallfahrts- und Klosterkirche erbauen. Als Baumeister waren der Würzburger Stadtmaurer Lazaro Agostino und die Steinmetzen Jobst Pfaff sowie Adam Zwinger und später Peter Meurer beteiligt.
Die Weihe fand am Fest Mariä Geburt im Jahr 1613 statt. Dabei wurden in sieben Festzelten 4000 Wallfahrer ohne Rücksicht auf ihre Konfession bewirtet; ein geschickter PR-Manager in Sachen des katholischen Glaubens war Julius Echter also auch! Dieses Ziel unterstützten zahlreiche prominente Besucher: Bereits 1591 war der bayerische Herzog Wilhelm V. ? wichtigster Mitstreiter in der katholischen Liga ? in Begleitung des Fürstbischofs nach Dettelbach gekommen. Er war in Würzburg während seiner Teilnahme an der Einweihung der Universitätskirche erkrankt und fand in Dettelbach Heilung.
Der Grundriss der Wallfahrtskirche ist kreuzförmig. Auf einen schmalen, steil proportionierten zweijochigen Chor mit dreiseitigem Schluss folgt im Westen ein Vorchorjoch, an das sich das Querhaus anschließt. Das Langhaus ist ein Saal zu drei Fensterachsen. Dem Anspruch der Kirche entsprechend ist sie durchwegs mit aufwändigen Rippengewölben ausgestattet. Die Konfiguration der Dettelbacher Gewölberippen zählt mit zum Besten, was diese späte Nachblüte gotischer Baukunst hervorgebracht hat.
Der Chor und sein Gewölbe sowie die Maßwerkfenster sind spätgotische Spolien (Baureste) von 1523. Die Erhaltung solch älterer Bauteile folgte nicht nur ökonomischen Überlegungen, sondern bedeutete zugleich ein wesentliches Stück historischer Legitimation des katholischen Kirchenbaus. Anders dagegen die übrigen Bauteile der Wallfahrtskirche: Lang- und Querhaus weisen in Dettelbach zwar gotische Einzelformen auf, aber die breitgelagerten Proportionen des Kirchensaales sind längst nicht mehr mittelalterlich. Echters Epoche kommt schließlich vollends am Außenbau zu ihrem Recht, wo Portale und Giebel von dem Bildhauer Michael Kern aus Forchtenberg im Stil der Renaissance dekoriert wurden.
Der Zustrom der Gläubigen nach Dettelbach hielt nach Fürstbischof Echters Tod 1617 zunächst an. Dank üppig fließender Einnahmen konnte man Michael Kern 1626 mit der reich gestalteten Kanzel beauftragen. In der Durchführung des theologischen Programms der ?Wurzel Jesse?, ausgehend vom Stammvater Jesse im Kanzelfuß und endend in einer Marienfigur mit dem Jesuskind, offenbart sich ein Manierismus von bedrängender Fülle.
Mit dem siegreichen Vordringen der protestantischen Schweden nach Franken im Jahr 1631 kam auch die Wallfahrt in Dettelbach für einige Jahre in Gefahr. Einige der geflüchteten Mönche wurden von schwedischen Soldaten aufgegriffen, grausam gefoltert oder ermordet. 1633 war das ausgeplünderte Kloster jedoch erneut besiedelt und ein Jahr darauf wurde bereits wieder eine Profess abgelegt. Nach dem Sieg in der Schlacht bei Nördlingen nahm Kaiser Ferdinand III. im Jahr 1634 demonstrativ an einem am Gnadenaltar zelebrierten Hochamt teil. Unterstützt von Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn (reg. 1642?1673) gelangte das Kloster 1665 an die Thüringer Provinz des Ordens, musste jedoch 1676 wieder an die Straßburger zurückgegeben werden.
1659 konnte durch den Dettelbacher Peter Scholl eine Mönchsempore mit Orgel errichtet werden, in der bereits barocke Stilelemente sichtbar werden. Ursprünglich sollte Michael Kern einen neuen Gnadenaltar schaffen, doch erst 1690 konnte ein neuer Altar aufgestellt werden. Dieser musste jedoch 1778 dem prunkvollen, bis heute erhaltenen Gnadenaltar von der Hand des Bildhauers Agostino Bossi weichen. Im Zentrum des Altaraufbaus befindet sich ein nach drei Seiten offener Glasschrein mit dem gekrönten Gnadenbild einer Pietà aus der Zeit um 1500. Die Blütezeit der Wallfahrt lag im 18. Jahrhundert. Noch im Jahr 1770 zählte man 50 Prozessionen mit 80 000 Beichten.
1747 wurde von Dettelbach aus ein Hospiz für zwei Patres und einen Laienbruder bei der Magdalenenkapelle in Oberschwarzach gegründet. Bald danach kehrten kriegerische Zeiten ein und der Siebenjährige Krieg brachte insbesondere im Jahr 1762 Plünderung und Not. Nach 1789 machten sich die ersten Auswirkungen der Französischen Revolution bemerkbar. Bald mussten vertriebene Geistliche, die den Zivileid nicht leisten wollten, aufgenommen werden. 1796 waren 250 Verwundete der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den französischen Revolutionstruppen im Kloster zu pflegen und zu verköstigen.
1803 wurde auch dem Kloster in Dettelbach vom bayerischen Kurfürsten Max IV. Joseph die Aufnahme von Novizen verboten. Trotzdem entschieden sich 17 Patres und sieben Fratres zu bleiben, einige gingen in die Seelsorge. Unter Großherzog Ferdinand von Toskana blühte das Klosterleben zwischen 1806 und 1814 kurzzeitig wieder auf. In der nachfolgenden Übernahme durch das Königreich Bayern wurde die Aufnahme von Novizen erneut verboten. Erst 1826 erlaubte König Ludwig I. offiziell den Fortbestand des Klosters. 1828 wurde das Kloster für kurze Zeit der Provinz Franken zugeschlagen, die sich jedoch als nicht lebensfähig erwies und 1836 bzw. 1842 in der Bayerischen Franziskanerprovinz aufging.
Seit 1616 existiert das Dettelbacher Franziskanerkloster ohne Unterbrechung. Noch immer beten jährlich etwa 75 Wallfahrergruppen zur Dettelbacher Muttergottes, die den Ort zur marianischen Hauptwallfahrt im Bistum Würzburg hat werden lassen. Mit Blick auf die sinkenden Mitgliederzahlen und den hohen altersdurchschnitt der Mönche hat sich die Provinzleitung der Deutschen Franziskanerprovinz entschlossenschlossen, das Kloster Dettelbach zum 31. Januar 2017 zu schließen. Dies steht im Kontext eines Umstrukturierungsprozesses, in dem bis 2020 bis zu sechs der ehemals 39 franziskanischen Standorte aufgegeben werden sollen. So wird das Kloster genau 400 Jahre, nachdem die Franziskaner in Dettelbach angeommen waren, aufgelöst.
(Erich Schneider)