Kösching, Bettbrunn, Kloster der Augustinereremiten – Seelsorge an der ältesten Hostienwallfahrt Bayerns
Der Legende nach ereignete sich im Jahr 1125 ein Wunder: Ein Viehhirte führte in seinem Hirtenstab stets eine geweihte Hostie mit sich. Als ein Gewitter aufkam und seine Tiere verängstigt wegliefen, beging der Hirt an der Hostie eine Freveltat, denn er warf mit diesem Stab nach dem Vieh. Die Oblate fiel zu Boden und ließ sich nicht mehr aufheben. Erst dem Regensburger Bischof Hartwig soll es gelungen sein, die Hostie an sich zu nehmen. Man beschloss daraufhin, auf dem Felsen, auf dem dieses wundersame Ereignis stattgefunden hatte, eine Sühnekapelle zu erbauen. Das 20 Kilometer nördlich von Ingolstadt mitten im Köschinger Forst gelegene Bettbrunn stellt somit die älteste bezeugte Hostienwallfahrt in Bayern dar.
Aus dem Mittelstück des Hirtenstabs, der die Oblate barg, ließ Bischof Hartwig ein Salvatorbild schnitzen. Diese rund 34 Zentimeter große Holzplastik soll nahezu unversehrt geblieben sein, als die Kapelle im Jahr 1329 völlig abbrannte. Die verehrte Hostie ging damals allerdings verloren. In der Folgezeit entwickelte sich deshalb eine Wallfahrt zum Gnadenbild des Salvators.
Seit 1378 ist für den Ort der Name „Bettbrunn“ bezeugt. In ihm steckt das alte Wort „Betfahrt“ für Wallfahrt und der Hinweis auf einen Brunnen, der sich hier befand und in die Wallfahrt einbezogen war. Die von der Regensburger Dombauhütte nach dem Brand bis 1339 errichtete einschiffige Wallfahrtskirche wurde im Lauf der Zeit aufgrund des wachsenden Zustroms von Gläubigen mehrfach erweitert und 1374 zur Pfarrkirche erhoben. Der erste bekannte Leutpriester der Pfarrei Bettbrunn war Eberhard Winkeleis. Unter ihm kam die Filiale Weißendorf 1402 zur Pfarrei Bettbrunn. 1473 erneuerten der Regensburger Dombaumeister Conrad Roritzer und sein Sohn Matthäus den gotischen Bau grundlegend.
Anfangs betreuten Weltpriester die Pfarrei Bettbrunn. Da die Gnadenstätte in den Zeiten der Gegenreformation einen großen Aufschwung erlebte, wurden die Pfarrer seit Mitte des 17. Jahrhunderts an den Haupttagen der Wallfahrt, also an Christi Himmelfahrt, am Dreifaltigkeitsfest und am Fest des hl. Bartholomäus, von Augustinereremiten aus dem 20 Kilometer entfernten Ingolstadt unterstützt. Zu den Pilgern zählten auch hohe weltliche und Kirchenfürsten. Kurfürst Maximilian I. besuchte Bettbrunn dreimal und hat hier „seine Andacht unter liebvollen Thränen verrichtet“, wie es Pater Laurenz Kornmesser in seinen 1754 erschienenen Aufzeichnungen über Bettbrunn beschrieb. Drei Tage nach seiner letzten Wallfahrt starb der bayerische Herrscher 1651 in Ingolstadt.
Einen Hinweis auf die Opferfreudigkeit der zahlreichen Wallfahrer geben die „Geldreuter“, die der Münchner Kupferschmied Paul Vischer 1655 anfertigte. Sie dienten dazu, die gespendeten Münzen zu sieben und nach Größe sortieren zu können. Auf Initiative des Pfarrers Sebastian Fridlin begründete man 1653 die Rosenkranzbruderschaft, die heute noch besteht. 1670 kam die Erzbruderschaft vom Heiligsten Altarsakrament dazu. Ab diesem Jahr wohnten auch dauerhaft zwei Brüder im Benefiziatenhaus vor Ort. Von 1681 bis 1684 errichtete man auf gotischem Unterbau einen markanten, insgesamt 70 Meter hohen Kirchturm, der seitdem die Gegend beherrscht. Er ist ein Werk des Graubündner Baumeisterduos Johann Baptist Camesino (1642–1724) und Jakob Engel (1632–1714), die gemeinsam eine Reihe von Barockbauwerken im Hochstift Eichstätt und der Umgebung schufen. Nach dem Tod von Pfarrer Schnaderbeck übergab der bayerische Kurfürst Maximilian II. Emanuel 1690 mit Zustimmung des Regensburger Bischofs Josef Clemens die Pfarrei Bettbrunn den Ingolstädter Augustinereremiten. Unter dem ersten Superior, Pater Wenzeslaus Praunmüller, engagierten sich anfangs drei Patres in der Seelsorge. Für ihre Unterkunft wurde eine kleine Residenz erbaut.
Die Augustinereremiten widmeten sich in der Folgezeit mit allen Kräften dem Wohl der Pilger und erwarben sich dabei große Verdienste. Auch die päpstlichen Ablassverleihungen in den Jahren 1693 und 1743 trugen zum weiteren Aufschwung der Wallfahrt bei. Das verehrte Gnadenbild wurde 1728 mit einer kostbaren Krone, silbernem Herzen, Zepter, Weltkugel und Brokatgewändern geschmückt. 1754 listete Pater Laurenz Kornmesser Pilgerzüge aus neun Städten, 21 Märkten und 114 Dorfpfarreien auf. In fünf Mirakelbüchern verzeichneten die Fratres zwischen 1704 und 1768 rund 13000 Gebetserhörungen, die zum Teil von wunderbaren Begebenheiten künden und die tiefe Frömmigkeit der Trostsuchenden anschaulich dokumentieren. Da stets auch dem Weg zur Gnadenstätte große Bedeutung beigemessen wurde, hatten die Wallfahrer in der Umgebung über 35 Bildstöcke aufgestellt, die der Andacht dienten (im 19. Jahrhundert zerstört). Auf dem Salvatorbrunnen im Ort befand sich eine Christusfigur, aus deren Mund sich das Wasser ergoss. Der Brunnen wurde von den Gläubigen als heil- und wundertätig verehrt.
Aus dem Konvent von Bettbrunn stammte auch der Ordenshistoriker Angelus Höggmair, der später als Prior in Seemannshausen wirkte und schließlich nach Rom ging, um dort als Generalassistent des Ordens zu wirken. In den Jahren 1774 bis 1777 ließen die Augustiner die Kirche durch den Münchner Baumeister Leonhard Matthäus Giessl nach Plänen des Ingolstädter Architekten Veit Haltmayr im Stil des späten Rokoko in größeren Dimensionen umbauen. Die Kirche verfügte nun über sechs Altäre und war so geräumig, dass rund 6000 Menschen in ihr Platz fanden. Man vermied es, den alten Chor zu verändern; daher musste auch keine neue Weihe vorgenommen werden. Die Stuckierung in frühklassizistischen Formen übernahm der Wessobrunner Meister Franz Xaver Feichtmayr d. J. 1784 schmückte der Münchner Hofmaler Christian Wink die Decken mit Fresken, in denen die Bettbrunner Wallfahrtslegende illustriert wird. Im Jahr 1797 zählte man noch 37000 Wallfahrtskommunionen.
Mit der Säkularisation 1803 mussten die Augustinereremiten ihr Kloster in Bettbrunn verlassen. Ihr Haus wurde verkauft und wenig später abgerissen. Der Salvatorbrunnen wurde ebenfalls abgetragen. Der Großteil der über 300 Wallfahrtskerzen, die im Chorraum aufgestellt waren, kam abhanden. Andere Wertgegenstände, Votivgeschenke, Paramente und Kirchengeräte wurden verschleudert. Pilgerzüge wurden von der Obrigkeit verboten und setzten erst gegen 1860 wieder ein. Zum 850-jährigen Jubiläum 1975 erfolgten eine Kirchenrenovierung und die Aufstellung eines neuen Salvatorbrunnens an der Südseite der Kirche im Friedhof. Die Brunnenfigur, eine Arbeit des Bildhauers Konrad Barthelmeß aus Ingolstadt, stellt den Bettbrunner Hirten dar, wie er, begleitet von seinem Vieh, vor der Hostie kniet. Ab 2006 wurde eine erneute umfangreiche Innenrenovierung vorgenommen. Die Kirche ist heute wieder ein beliebter Wallfahrtsort, zu dem jährlich mehr als 60 Pfarrgemeinden pilgern. Dem alten Brauch zufolge wird alle 100 Jahre eine besonders große und wertvolle Votivkerze überbracht, die dann im Chorraum aufgestellt bleibt. Mittlerweile gibt es wieder rund 240 dieser „Immerkerzen“; die älteste stammt aus Ingolstadt und ist auf 1378 datiert. An das Wirken der Augustinereremiten an diesem Ort erinnern heute noch die aus ihrer Feder stammenden Wallfahrts- und Mirakelbücher aus Bettbrunn, die ein eindrucksvolles Bild vom religiösen Leben in ihrer Zeit vermitteln.
Christine Riedl-Valder
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http://www.bettbrunn.de/pages/wallfahrt.php