Das Stift St. Peter und St. Alexander Herz des mittelalterlichen Aschaffenburg
Schon die Lage des Stifts St. Peter und St. Alexander auf einer kleinen Anhöhe mitten im Kern der heutigen Stadt Aschaffenburg zeigt die hohe Bedeutung dieser geistlichen Institution. Die erste Gemeinschaft von Klerikern an diesem Ort beriefen vermutlich zwischen 947 und 957 Liudolf, der älteste Sohn König Ottos des Großen und Herzog von Schwaben, und seine Gemahlin Ida. Ihr Sohn Otto, Herzog von Bayern und Schwaben, förderte den Ausbau und begründete St. Peter und St. Alexander, nach Ausweis einer Urkunde Kaiser Ottos II., vor 974 als Kollegiatstift. Mit dem Stift war auch eine Schule verbunden, wie eine tragische Anekdote überliefert, nach der Kantor Gozmar im Jahr 976 einen Knaben versehentlich mit einem Tintenfass erschlug.
Herzog Otto vermachte das Stift bei seinem Tod 982 dem Mainzer Erzbischof Willigis und fortan blieb Aschaffenburg für viele Jahrhunderte bei Mainz. Die Stadt profitierte unter der Mainzer Herrschaft von seiner Lage an der Mainbrücke. 1141 bzw. 1153 wurden die Stiftspröpste Markolf und Arnold zu Erzbischöfen von Mainz gewählt. Mehrfach fanden in Aschaffenburg die Synoden der Mainzer Kirchenprovinz statt. Ab 1262 kam der Propst von St. Peter und St. Alexander stets aus dem Mainzer Domkapitel und ab 1588 übernahm der jeweilige Erzbischof dieses Amt in Personalunion. Da somit der Propst immer mehr zum Ehrentitel wurde, oblag dem Stiftsdekan (Dechant) die eigentliche Leitung.
Für das mittelalterliche Aschaffenburg hatte das Stift St. Peter und St. Alexander die Funktion einer Mutterkirche. Es war die beherrschende Institution und der reichste Grundherr in der Stadt. Bis zu 28 Kanoniker wohnten ab 1100 in den heute noch vorhandenen Höfen rings um das Stift. Eine Papsturkunde von 1184 zählt 17 Pfarreien und umfangreichen Besitz auf. Güter im Spessart, Weinberge und Mühlen sorgten für eine gute wirtschaftliche Ausstattung. 1304 kam es wegen der Vorrechte, so der Steuerfreiheit, der Stiftskanoniker sogar zu Unruhen in Aschaffenburg. Dennoch erwarb das Stift weitere Privilegien, insbesondere 1349 unter Kaiser Karl IV.
In der Architektur der Stiftskirche sind die unterschiedlichen Stilepochen sichtbar geblieben. Der Kreuzgang mit seinen 64 Kapitellen stammt noch aus dem 13. Jahrhundert. Dem spätromanischen Hauptportal aus der Zeit um 1220 wurde später eine Arkadenhalle vorgelagert. Nachdem die Kirche 1516 im Wesentlichen ihre Gestalt erhalten hatte, fügte man1618 im Hauptschiff noch eine Westempore ein, die auf sechzehn romanischen Säulen der Burg Babenhausen ruht. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wurde die Kirche bis 1957 wieder aufgebaut. Besonders erwähnenswert sind von der älteren Innenausstattung ein überlebensgroßes Kruzifix, möglicherweise noch aus ottonischer Zeit, eine hölzerne Madonnenskulptur aus dem 15. Jahrhundert und der farbig gefasste, spätgotische Taufstein.
Während der Reformationszeit verlegte Kardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz, seine Residenz nach Aschaffenburg. Aus der evangelisch gewordenen Stadt Halle, seinem früheren Sitz, kamen nun Kunstschätze nach St. Peter und St. Alexander, so aus der Werkstatt von Lucas Cranach Tafelbilder wie die Auferstehung Christi.Von höchster Bedeutung war zur Zeit Kardinal Albrechts das Schaffen seines vielseitigen Hofkünstlers Mathis Gotthart-Nithart, genannt Grünewald. Sein Gemälde St. Erasmus und St. Mauritius blieb bis 1803 in Aschaffenburg und zählt heute zu den wertvollsten Schätzen der Alten Pinakothek in München. Vom Altar der Maria-Schnee-Kapelle in der Empore der Stiftskirche ist nur der Rahmen im Original erhalten. Das von Grünewald für diesen Ort geschaffene Marienbild ziert heute als Stuppacher Madonna die dortige Pfarrkirche. Erhalten blieb indes in der Aschaffenburger Stiftskirche die Beweinung Christi (um 1520), das letzte bekannte Werk Grünewalds.
Aus der Zeit nach den Zerstörungen im Markgräflerkrieg (1552) stammt eine Reihe sehr eindrucksvoller lebensgroßer Grabdenkmäler von Stiftskanonikern und Beamten des Hochstifts Mainz. Sie überstanden den Dreißigjährigen Krieg, der Aschaffenburg schwer zu schaffen machte. Nach dem Schwedeneinfall 1635 soll die Einwohnerschaft der Stadt nur noch aus 150 Familien bestanden haben.
An die letzte Epoche der Mainzer Herrschaft erinnert in der Stiftskirche das klassizistische Grabdenkmal für den letzten Kurfürsten Friedrich Karl von Erthal. Nach seinem Tod 1802 wurde das Stift durch den neuen Landesherrn Karl von Dalberg aufgelöst. Er bestimmte die Kirche zur Stadtpfarrkirche und die Einkünfte des Stiftsvermögens für die 1808 von Mainz nach Aschaffenburg verlegte Landesuniversität (ab 1809 Studienseminar). 1814 kam das Stiftsvermögen zusammen mit der Stadt Aschaffenburg an das Königreich Bayern.
(Markus Schütz)