Altomünster - Die Frauen mit der Krone
Um 750 gründete nach der Überlieferung der hl. Alto, ein Missionar von den britischen Inseln, das Kloster im Hügelland zwischen Amper und Lech. Altomünster lag nahe der wichtigen Römerstraße von Augsburg nach Freising. Der benachbarte Ort Pipinsried lässt königlich-fränkische Präsenz im Grenzraum zum Herzogtum der bayerischen Agilolfinger vermuten. Möglicherweise war der Eremit Alto ein Angehöriger der einheimischen Adelsfamilie der Huosi mit guten Kontakten zu den Karolingern.
Der "Einsiedler Alto" erscheint 760 in einer Urkunde des Bistums Freising. Sein Schädel und sein Messer werden bis heute im Kloster Altomünster bewahrt. Eine "Alto-Quelle" entspringt unter dem rechten Seitenaltar der Kirche und speist seit Menschengedenken den Marktbrunnen mit nie versiegendem Trinkwasser.
Altos Kloster verfiel wohl in den Wirren des frühen 10. Jahrhunderts. Die mächtigen Welfen verlegten um 970 ein Eigenkloster aus Unterammergau hierher. 1056 übernahmen dessen Mönche das welfische Hauskloster Weingarten, die dort zuvor lebenden Nonnen zogen nach Altomünster. Von 1070 bis 1180 regierten die Welfen als Herzöge in Bayern, entsprechend hoch mag damals der Rang von Altomünster gewesen sein.
In den folgenden Jahrhunderten diente die Abtei als Versorgungsanstalt für Töchter des Adels und des Patriziats. Die Ortsherrschaft besassen die Wittelsbacher. Sie verliehen 1310 den Einwohnern die Privilegien von Stadtbürgern und 1391 das Marktrecht. Von 1392 bis 1448 gehörte Altomünster zum Herzogtum Bayern-Ingolstadt, anschließend bis 1505 zu Niederbayern. Im 15. Jahrhundert verfiel die Abtei in geistlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Die Benediktinerinnen standen deshalb ab 1469 unter Aufsicht der Herzöge in Landshut.
Zum Erneuerer des geistlichen Lebens wurde Graf Wolfgang von Sandizell. Er war 1481 mit seiner Frau Eva in das Birgittenkloster Maihingen eingetreten, stand jedoch immer noch im Dienst Herzog Georgs des Reichen. 1488 erwirkte der Graf als Verwalter von Altomünster von Papst Innozenz VII. die Aufhebung als Benediktinerinnenkloster und die Übertragung an den Birgittenorden.
1496 stiftete Herzog Georg der Reiche das neue Doppelkloster. 1497 wurde Altomünster durch Birgitten aus Maihingen, darunter Gräfin und Graf Sandizell, besiedelt und geweiht. Die Nonnen bezogen das alte Konventgebäude. Die Mönche lebten bis zur Barockzeit in einem umgebauten Wirtschaftstrakt. 1499 endete die Abhängigkeit vom Mutterkloster Maihingen. Gemäß der Ordensregel unterstand das Kloster dem Diözesanbischof in Freising. Er übertrug dem Kloster 1504 die Pfarrei Altomünster.
Im Jahr 1520 wurde Dr. Johann Hausschein, genannt Oecolampadius (1482-1531), vormals Domprediger zu Augsburg, Mönch in Altomünster. Hier entstand sein "Urteil und Meinung, Doktor Martin Luther belangend" als Bekenntnis zur Reformation. 1522 floh Lampadius nach Basel, wo er 1523 die Lehre Zwinglis einführte. In Altomünster schieden neun Mönche und eine Nonne aus dem Konvent als Anhänger Luthers.
Die sehr strenge Klausur erlaubte nur einem Mönch (dem "Hofbruder") und einer Nonne (der "Kellnerin") das Kloster regelmäßig zu verlassen. So erforderte die Bewirtschaftung des umfangreichen Gutshofes zahlreiche Angestellte. Das Kloster war bis zur Säkularisation von 1803 der wichtigste Grundherr und Arbeitgeber in Altomünster. Um 1600 besaß die Abtei zum Gutshof mehr als 350 Anwesen im heutigen Oberbayern. Etliche Weingüter in Tirol wurden im Lauf des 17. Jahrhunderts abgelöst. Insgesamt zählte Altomünster in Altbayern zu den mittleren klösterlichen Grundherren.
Der Konvent rekrutierte sich zunehmend aus Handwerker-, Wirts- und Beamtenfamilien, oft aus München und Augsburg, ein beträchtlicher Teil kam aus Altomünster. Die Nonnen fertigten sehr gesuchte qualitätvolle Klosterarbeiten. Einige Mönche arbeiteten stets auch als Kunsthandwerker. Gemäß den Bestimmungen der hl. Birgitta (auch: Brigitta) genossen die Frauen den Vorrang in der klösterlichen Hierachie. Die Ordenstracht zeichnet die Frauen bis heute aus durch eine kreuzförmige Bügelkrone aus weißen Stoffbändern mit fünf roten Punkten als Symbole der Wundmale Christi.
Besonders harte Heimsuchungen für den Konvent waren der Schwedeneinfall des Jahres 1632, die Pestepidemie von 1634 und die Hungersnot von 1635. Nur langsam konnte sich das Kloster davon erholen. In dieser Zeit gewann das männliche Amt des Priors gegenüber der de iure regierenden Äbtissin immer mehr an Einfluß.
Der bedeutendste Prior war Simon Hörmann (1630-1701). Der Sohn eines Bierbrauers aus Altomünster führte ab 1669 das Priorat. 1675 wurde er Generalprior für den gesamten Orden. 1692 erwarb Altomünster das Haus der Ordensgründerin Brigitta an der Piazza Farnese in Rom. Diese Filiale existierte bis zur Besetzung Roms durch die französischen Revolutionstruppen 1797. In Rom erwarb das Kloster zahlreiche Reliquien, so auch den Stab und die Trinkschale der hl. Birgitta. Sie werden bis heute in Altomünster bewahrt.
Entgegen der historischen Überlieferung beging Altomünster bereits zwanzig Jahre zu früh, nämlich im Jahr 1730, mit barockem Aufwand sein Millenium, da man mit dem Diözesansitz Freising mithalten wollte. Architektonischen Ausdruck fand die Tausendjahrfeier im Neubau des Männerkonvents. Freilich besaß das Kloster, anders als die meisten süddeutschen Prälatenklöster, noch kein prachtvolles neues Gotteshaus. Die Kirche von Altomünster war zu dieser Zeit noch eine romanischen Basilika aus dem 11. Jahrhundert. Sie hatte lediglich 1617 nach den Regeln der hl. Birgitta eine architektonische Umgestaltung erfahren, d.h. eine Staffelung von Pfarrgemeinde, Mönchen und Nonnen auf verschiedenen Raumebenen und die vorgeschriebene Einrichtung von vierzehn Altären (Maria, Christus Salvator, Zwölf Apostel) .
Erst 1763 erhielt der berühmte Baumeister Johann Michael Fischer den Auftrag zur völligen Neugestaltung der Kirche im Stil des späten Rokoko. Fischer nutzte die vorgegebene Lage an einer Hangkante um die architektonischen Vorgaben der Ordensregel zu realisieren. So entstand eine Kombination aus einem neuen Zentralbau für die Pfarrgemeinde und dem alten langen, schmalen und hohen Chor mit vier verschiedenen Raumzonen für zelebrierende Welt- und Ordenspriester, Mönche und Nonnen. Johann Baptist Straub lieferte die Altäre und Skulpturen und Josef Magges die Fresken. Besonders eindrucksvoll wurden, im Kontrast zur Epoche der Aufklärung, die "Heiligen Leiber" inszeniert: liegende, sitzende und stehende Märtyrerskelette, die meiste Zeit des Kirchenjahrs teilweise hinter Gemäldetafeln verborgen, lenken den Blick der Gläubigen gleichsam zum Hochaltar empor.
Im späten 18. Jahrhundert war die Wirtschaftskraft des Klosters für den umfangreichen Konvent (er umfasste 1772 beispielsweise 46 Nonnen und 21 Mönche) eigentlich zu gering geworden. Dies führte zeitweilig zu schweren Krisen im Klosterleben.
Schatten der Säkularisation fielen bereits 1801 mit der Abgabe großer Teile des Kirchensilbers und 1802 mit der Aufnahme von Nonnen aus dem schon säkularisierten Kloster der Münchner Paulinerinnen auf Altomünster.
Am 18. März 1803 betraten die kurfürstlich-bayerischen Aufhebungskommissare das Kloster. Mit 50 Ordensangehörigen verfügte Altomünster über den größten Konvent aller Klöster in Kurbayern: 27 Chorfrauen, zehn Schwestern, neun Kleriker und vier Brüder. Den Nonnen wurde der Verbleib in der Klausur auf Lebenszeit gestattet. Nur zwei Chorfrauen und eine Schwester verließen freiwillig den Konvent. Fünf Patres wechselten in den Weltklerus. Die restlichen Mönche erwarben mit ihren Pensionsgeldern zwei Häuser in Altomünster und lebten dort bis zu ihrem Lebensende. 1804 wurden Mönchstrakt und Bibliotheksgebäude an Privatleute versteigert. Den hohen historischen Rang des Klosters hatte noch im November 1803 die staatliche Bücherkommission bestätigt. Von insgesamt rund 3400 Bänden wurden 2900 als wertvoll erachtet, insbesondere zahlreiche frühe Drucke.
1830 lebten in Altomünster zwanzig Nonnen in der alten Klausur und fünf Mönche in ihrem Privatdomizil. 1837 bestand der Konvent nur noch aus vier Nonnen. Aufgrund des Verbots des Neueintritts war das Ende des "Aussterbeklosters" fast absehbar.
Das Erzbischöfliche Ordinariat München und Freising befürwortete nun die Übernahme von Altomünster durch den jungen tatkräftigen Orden der Armen Schulschwestern. Für dessen städtisch-weltoffen geprägten Bildungsauftrag war das damals noch entlegene Landkloster jedoch kaum geeignet. So billigte König Ludwig I. im Jahr 1841 die Neuaufnahme von Novizinnen. Altomünster wurde damit das erste offiziell wieder zugelassene kontemplative Frauenkloster im Königreich Bayern nach der Säkularisation.
Bereits 1842 leisteten zehn Frauen, davon drei aus Altomünster gebürtig, die Gelübde. Ihre Mitgift ermöglichte dem Konvent den Wiederaufbau einer Landwirtschaft. Sie wurde bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts betrieben. 1850 genehmigte König Max II. dem Kapitel den Rückkauf des Frauentrakts aus Staatsbesitz. 1896 umfasste der Konvent wieder 36 Nonnen. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs erreichte die Frauengemeinschaft mit 59 Nonnen die höchste Stärke in ihrer Geschichte. Von fünfzehn Frauen Mitte der 1980er-Jahre verringerte sich der Konvent bis zum Jahr 2002 auf nur sechs Trägerinnen der Krone der hl. Birgitta.
Altomünster war das letzte Birgittenkloster der alten Observanz gewesen und gemäß seiner Bestimmung vor allem ein Ort des Gebets. Die Nonnen lebten zwar in strenger Klausur, führten aber ein Gästehaus, das vor allem von der Erzdiözese München und Freising genutzt wurde, aber auch anderen Gruppen für Exerzitien offen stand. Seit 1997 befand sich nächst dem Kloster das Museum Altomünster mit einer Dauerausstellung zur Geschichte des Birgittenordens und des Klosters Altomünster.
Im Januar 2017 wurde das Kloster durch ein Dekret des Vatikans aufgelöst, einzig verblieben war die aus der Oberpfalz stammende Schwester Apollonia Buchinger, die seit 25 Jahren dem Orden angehört hatte. Damit war auch das Birgittinnenkloster Altomünster dem anhaltenden Klostersterben anheimgefallen. Laut einer Statistik der Deutschen Ordensoberenkonferenz gab es 1995 noch über 38000 Ordensfrauen in Deutschland, Ende 2015 waren es noch knapp 17000, wobei 84 Prozent von ihnen älter als 65 Jahre waren. 2015 wurden nur 74 Novizinnen bundesweit registriert (Süddeutsche Zeitung vom 21./22.1.2017).
( Christian Lankes )