Bamberg, Dom, Ostchor (Georgenchor), Scheitel der Apsis innen und außen; um 1200


Quelle: Kaiser Heinrich II., Landesausstellung 2002

Signatur: HEII-LA-2002-17

Entwurf: Sabine Berger, Ebersberg
Grafik: Gruppe Gut, Bozen

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Beschreibung:

Nach der Heiligsprechung der Kaiserin Kunigunde entnahm man anlässlich der feierlichen Erhebung ihrer Gebeine am 8. September 1201 das Haupt und weitere Reliquien der Tumba des Kaisergrabs, das im Mittelschiff des alten Doms stand, und brachte sie in feierlicher Prozession zu einem neuen Altar, der in Zukunft das Haupt der Heiligen bergen sollte. Dieser so genannte kleine Kunigundenaltar stand, wie wir durch Renate Kroos wissen, in der Apsis des Georgenchors hinter dem Hochaltar. Betrachten wir die Situation vor Ort, dann muss der kleine Kunigundenaltar vor der prachtvollen Blendarkatur der Erdgeschosswand, und zwar vor der in ihren Architekturformen auffällig betonten Mittelarkade im Scheitel der Apsis gestanden haben. Diese von zwei eingestellten Säulchen gerahmte und beträchtlich in die Mauer eingetiefte Nische birgt einen kleinen Wandschrank, der heute eine aus dem frühen 20. Jahrhundert stammende Auskleidung als Tabernakel aufweist. Die ursprünglichen Falze an der Außenkante der Schranknische verraten allerdings, dass sie von Anfang an durch ein Türchen verschlossen war. Außerdem führen innen sehr auffällig Stufen hoch, sodass der Wandschrank gut zu erreichen ist. Durch zahlreiche Quellen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert ist bekannt, dass es hinter dem kleinen Kunigundenaltar ein Behältnis ("heuslein" oder "capsa" genannt) gegeben hat, in dem die aus purem Gold bestehende Reliquienbüste mit dem Haupt der hl. Kunigunde aufbewahrt wurde. Es liegt nahe, den Wandschrank mit dieser "capsa" bzw. diesem "heuslein" zu verbinden und in ihm einen Reliquienschrank zur Aufbewahrung des Schädelreliquiars zu sehen; der Kunigundenaltar stand dann wohl unmittelbar davor, aber so, dass man noch hinter ihm zur Mittelarkade gehen und die Stufen hochsteigen konnte, um zum Wandschrank zu gelangen. 
In diesen Zusammenhang gehört das kleine Rundfenster im Scheitel der Apsis, das immer wieder Anlass zu volkstümlichen Spekulationen gegeben hat, etwa als Sonnenloch mit einer gezielten Lichtführung von Sonnenstrahlen. Die Deutung verkennt dabei, dass sich innen hinter dem Fenster der uns interessierende Wandschrank befindet. Der ungewöhnliche Sachverhalt eines Rundfensters, das nicht den Innenraum beleuchtet, sondern sich zu einem durch die Architektur im Chorscheitel stark betonten Wandschrank öffnet, bedarf der Erklärung. Hier muss auf die Tradition der im Sanktuarium von Kirchen stehenden Reliquienschränke verwiesen werden, die als parallele Erscheinungsformen Hinweise auf die Funktion geben können. Der durch ein Fenster geöffnete Wandschrank im Chorscheitel gibt wohl nur als Reliquienbehältnis Sinn. Nachdem innen unmittelbar vor dieser Nische der Altar der hl. Kunigunde stand, zu dem nach Ausweis der Quellen das Haupt der Heiligen gehörte, besteht kaum ein Zweifel, dass das Reliquiar mit dem Haupt in der Nische aufbewahrt worden ist. Durch den Okulus konnte - trotz der Position des Kunigundenaltars in dem für Laien nicht zugänglichen Chor - die Schar der Gläubigen und Pilger an den Gnadengaben teilhaben, die gleichsam nach draußen strahlten. Allein das Bewusstsein von der Existenz der Reliquie hinter der Öffnung muss die Menschen fasziniert haben und macht verständlich, warum der Ostchor auch als "St. Kunigundens Werk" bezeichnet wurde. Darüber hinaus muss man sich klar machen, dass der Okulus wie der gesamte Ostchor genau zur Stadt Bamberg hin ausgerichtet ist. So konnten sich die Bamberger Bürger sicher sein, dass ihnen die Gnadengaben der Reliquie permanent zuteil würden und dass die Stadt dem Schutz der Heiligen anvertraut war. 
Nach der oben skizzierten Baugeschichte des Bamberger Doms dürfte der Ostchor im Jahr 1201 zumindest so weit benutzbar gewesen sein (vielleicht mit einem Notdach über dem Erdgeschoss), dass die Übertragung der Reliquie und die Weihe des Altars möglich gewesen sein könnten. Erst nach der Mitte des 16. Jahrhunderts scheint der Reliquienschrank seine Funktion verloren zu haben. Das Kunigundenhaupt wurde damals dem Domschatz eingegliedert, der Schrank diente dann als Sakramentshäuschen. Das kostbare goldene Kopfreliquiar ließ man 1658 einschmelzen und durch eine Silberbüste ersetzen, die ihrerseits bei der Säkularisation 1803 verloren ging. Die Schädelreliquie der hl. Kunigunde selbst blieb jedoch erhalten; heute wird sie - zusammen mit dem Haupt Kaiser Heinrichs II. - in einer neuen Präsentation in der ehemaligen Schatzkammer des Doms gezeigt, die westlich des Nordquerhauses an das Erdgeschoss des Nordwestturms anschließt. 

Karte: Prof. Dr. Achim Hubel / Prof. Dr. Manfred Schuller; ausgehend von einer Vorlage aus Dethard von Winterfeld, Der Dom in Bamberg, 2. Bde., Berlin 1979.
Textquelle: Hubel, Achim, in: Kirmeier, Josef / Schneidmüller, Bernd / Weinfurter, Stefan / Brockhoff, Evamaria (Hrsg.), Kaiser Heinrich II. 1002-1024, Augsburg 2002, S. 395-397.

Literatur:

  • Sage, Walter: Die Ausgrabungen im Bamberger Dom, in: Heinrich II. 1002 - 1024, hg. von Josef Kirmeier / Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter et al., Augsburg 2002, S. 93-109.
  • Baumgärtel-Fleischmann, Renate: Der Bamberger Dom. Die Umgestaltung des Innenraums und die Entwicklung der festen Austattung bis zum Ende des Mittelalters, in: Heiliger Raum. Architektur, Kunst und Liturgie in mittelalterlichen Kathedralen und Stiftskirchen, hg. von Franz Kohlschein/Peter Wünsche (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 82), Münster 1998, S. 59-99.
  • Baumgärtel-Fleischmann, Renate: Die Altäre des Bamberger Domes von 1012 bis zur Gegenwart, Bamberg 1987 (Veröffentlichungen des Diözesanmuseums Bamberg 4)