Grundriss des heutigen Bamberger Doms


Quelle: Kaiser Heinrich II., Landesausstellung 2002

Signatur: HEII-LA-2002-16

Entwurf: Sabine Berger, Ebersberg
Grafik: Gruppe Gut, Bozen

Die Karten unterliegen dem Urheberschutz. Das Downloaden für den Einsatz im Schulunterricht und für Bildungszwecke ist erlaubt (Anmeldung erforderlich!). Jede andere Nutzung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung durch den/die Rechteinhaber.

Beschreibung:

Der Bamberger Dom wäre in seiner altertümlichen Gestalt und seiner Entstehungsgeschichte kaum zu verstehen, wenn wir nicht wüssten, dass er bewusst in der Nachfolge des Heinrichdoms gesehen und interpretiert werden will. Die Architektur war von Anfang an als Bedeutungsträger gedacht; ihre Formensprache sollte vermitteln, dass bei aller Pracht der neuen Bauteile die Erinnerung an die ursprüngliche Kathedrale erhalten blieb. Dabei muss man berücksichtigen, dass derartige Traditionsbezüge damals auf ganz anderen Wegen verdeutlicht wurden, als wir dies gewohnt sind. In Bamberg stand das Domkapitel vor der Aufgabe, einerseits einen Neubau aufführen zu wollen, andererseits aber auch alles daranzusetzen, dass die Erinnerung an den kaiserlichen, 1146 heilig gesprochenen Bistumsgründer lebendig blieb, der seine Grablege wiederum - an derselben Stelle wie im Vorgängerbau - mitten im Langhaus des Neubaus erhalten sollte. Deshalb griff man zum Mittel des "Architekturzitats": Der Neubau sollte in seiner Gestalt sinnfällig machen, dass die ehrwürdige Tradition des Heinrichdoms in ihm erhalten blieb.

Durch die Ausgrabungen von Walter Sage haben wir fundierte Kenntnisse über das Aussehen des Heinrichdoms erhalten. Schon der Vergleich der Grundrisse zeigt die weit gehenden Übernahmen beim Neubau: Während man für eine Kathedrale der Zeit um 1200 üblicherweise eine Fassade mit einem prächtigen Hauptportal zwischen zwei Türmen erwarten würde, wiederholt der Neubau die Doppelchoranlage des Heinrichdoms mit dem Peterschor im Westen (analog zu St. Peter in Rom) sowie dem Ostchor zu Ehren von Georg und Maria.

Obwohl für den Typus einer monumentalen Kirchenanlage das Querhaus normalerweise im Osten angeordnet wurde, übernahm man beim Bamberger Dom das westliche Querhaus vom Vorgängerbau. Heinrich II. hatte dies bestimmt, da er an den Petersdom in Rom erinnern wollte, dessen Querhaus ebenfalls im Westen liegt. Der Heinrichdom sollte den Gläubigen als Zitat des Petersdoms begegnen - und genau diese Idee zitiert auch der Neubau. Das östliche Turmpaar am Ende der Seitenschiffe, das den Ostchor flankiert, ist ebenfalls vom Heinrichdom entlehnt. Dazu gehören wohl auch die beiden Eingangsportale in den Erdgeschossen der Türme, über denen wie beim Neubau Kapellen lagen.

Für die Zeit des Neubaus war die Anlage einer Krypta längst nicht mehr üblich. Die Funktion einer Krypta als Ort eines Heiligengrabs oder einer Verehrungsstätte für Reliquien war um 1200 nördlich der Alpen überflüssig geworden, da man die Andachtsorte nach oben verlegt hatte. Dennoch erhielt der Bamberger Dom eine große dreischiffige Krypta im Osten, genau wie der Heinrichdom. Im Westen hatte der Heinrichdom ebenfalls eine Krypta besessen. Beim Neubau verzichtete man darauf, erhöhte aber den Peterschor so, als befände sich unter ihm eine Krypta.

Durch diese auffälligen Wiederholungen wollte man deutlich machen, dass der Neubau im Sinn des Mittelalters eine Architekturkopie sein sollte, die in der Gestalt und in der Funktion unmittelbar an den Vorgängerbau anknüpfte. Je länger der Neubau dauerte und je mehr die Erinnerung an das Aussehen des Heinrichdoms schwand, desto mehr löste man sich allerdings von der Verbindlichkeit dieser Entscheidung. Während die Ostteile und das Langhaus noch ganz den romanischen Stilformen verpflichtet waren und sich damit nicht zu weit von der Gestalt des Vorgängerbaus entfernten, zeigen bekanntlich das Querhaus und der Westchor zunehmend frühgotische Elemente, die von der gleichzeitig im Bau befindlichen, nur etwa 30 Kilometer von Bamberg entfernten Zisterzienserabteikirche Ebrach übernommen worden sein dürften. Wahrscheinlich hing damit auch die Entscheidung zusammen, auf eine Westkrypta zu verzichten, obwohl der Heinrichdom auch im Westen eine Krypta besaß und der Neubau so angelegt wurde, dass man - wie erwähnt - unter dem hohen Niveau des Peterschors eine solche vermuten kann. Ebenso entschloss man sich zum Bau von zwei Westtürmen, die den Dom zu einer prächtigen Viertürmeanlage mit hohem Repräsentationsanspruch machten, während der Heinrichdom im Westen keine Türme besessen hatte. So war es nur konsequent, wenn diese Westtürme unmittelbar den Türmen der gotischen Kathedrale von Laon nachgebildet wurden und somit endgültig von der Idee der Formangleichung abwichen. Nachträglich änderte man auch die schon fertig gestellten Osttürme um: Sie waren zunächst - nur fünf Geschosse hoch - viel gedrungener in ihrer Wirkung und dürften somit den Türmen des Heinrichdoms sehr ähnlich gewesen sein. Mit der Entscheidung für die Viertürmigkeit wollte man auch eine ganz andere Fernwirkung des Baus erreichen und erhöhte deshalb die Osttürme um je zwei Geschosse, um sie den Westtürmen anzugleichen (im 18. Jahrhundert setzte man den beiden Osttürmen noch ein Geschoss auf, damit sie vollends die Höhe der Westtürme erreichten).

Im Inneren des Bamberger Doms war die Frage des Raumabschlusses ein weiterer Diskussionspunkt, wie konsequent der Neubau die Gestalt des Heinrichdoms zu übernehmen hatte. Nach der ersten Planung sollte nämlich der Bamberger Dom weit gehend flach gedeckt errichtet werden und damit unmissverständlich den ottonischen Vorgängerbau "abbilden". Dass er dann doch gewölbt wurde, war das Ergebnis zahlreicher Planänderungen, die Dethard von Winterfeld nachweisen konnte. Man kann vermuten, dass der Bauherr - das Domkapitel - unterschiedlicher Meinung darüber war, ob man aus Tradition an der flach gedeckten Anlage festhalten oder ob man sich nicht doch - wie bei allen anderen zeitgenössischen Kathedralen - für die Einwölbung entscheiden sollte. Denn wir müssen uns klar machen, welche Bedeutung damals den Gewölben einer Kirche beigemessen wurde: Seit dem Umbau des Doms von Speyer in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts galt die Wölbung als Inbegriff höchster Würdeform für einen Kirchenbau, insbesondere für eine Kathedrale. Die innen an den Wänden des Ostchors ablesbaren Unregelmäßigkeiten sind Indizien dafür, dass in Bamberg abwechselnd die Parteien der "Traditionalisten" und der "Modernisten" die Bauausführung bestimmten (Kat.-Nr. 210). 

Ähnlich wie der Ostchor spiegelt auch das Mittelschiff die wechselnden Entscheidungen für bzw. gegen eine Flachdecke wider. Als nämlich die Freipfeiler der Mittelschiffwände hochgeführt wurden, hatte das Domkapitel die Wölbung des ganzen Langhauses beschlossen. Die Pfeiler wurden nach dem so genannten gebundenen System rhythmisiert, das heißt, jeder zweite Pfeiler erhielt eine größere Grundfläche, damit Platz wurde für eine breite Wandvorlage mit seitlichen Runddiensten, die den Gurtbogen und die Rippen eines Gewölbes aufnehmen sollten. Als man jedoch daran ging die Obergadenwände des Mittelschiffs aufzumauern, hatte es schon wieder einen Meinungsumschwung gegeben: Die Partei der Traditionalisten setzte sich durch und erreichte den Entscheid für eine Flachdecke. Dies bedeutete, dass man die Wandvorlagen einfach auslaufen ließ und darüber eine glatte Obergadenwand hochführte. Die geplante Flachdecke bot allerdings den Vorteil einer reichen Durchfensterung, da keine Gurt- und Schildbögen die Wandflächen reduzierten. So erhielten die Obergadenwände des Mittelschiffs je fünf Fenster auf jeder Seite. Als die Mittelschiffwände fertig waren und man die Flachdecke hätte aufsetzen können, änderte man den Plan jedoch wieder und beschloss das Mittelschiff doch einzuwölben. Dafür musste allerdings jedes zweite der eben vollendeten Fenster wieder vermauert werden, damit die Gewölbe Platz fanden. Ein Blick von außen auf die nördliche Obergadenwand des Mittelschiffs beweist, dass die Obergadenwände des Mittelschiffs mit je fünf Fenstern fertig gestellt waren. Für die Einwölbung wurde die Zahl der Fenster dann auf jeweils drei reduziert; die beiden vermauerten Fenster dazwischen zeichnen sich bis heute deutlich ab. 
Innen sieht die Situation so aus: Die Wanddienste konnten nach der Planänderung doch hochgeführt werden und die Gurtbögen aufnehmen. Ebenso wurden die Schildbögen vor die Wände gelegt. Hinter den beiden Gurtbögen befinden sich die zugemauerten Fenster. Die Verfechter der gewölbten Kathedrale hatten sich endgültig durchgesetzt. Die aus Traditionsgründen so intensiv geforderte Flachdecke wurde letztlich in keinem Bauteil des Bamberger Doms realisiert, da auch die weiteren Abschnitte im Westen alle mit Wölbung errichtet worden sind.

Bis heute lässt sich also am Bamberger Dom nachweisen, wie intensiv das Domkapitel mit der Entscheidung rang, welche Gestalt der Neubau bekommen sollte. Gerade zu Beginn der Bauarbeiten war man fest entschlossen eine getreuliche - wenn auch vergrößerte - Wiederholung des Heinrichdoms zu errichten, die zeichenhaft die Erinnerung an den kaiserlichen Stifter wachhalten sollte. Erst im Lauf des Baufortschritts und nach immer wieder wechselnden Plänen entfernte sich der Neubau allmählich von den gestalterischen Vorgaben. Dennoch blieben genügend Merkmale übrig, um dem aufmerksamen Besucher zu zeigen, wie sehr der heutige Dom der Gestalt des Heinrichdoms verpflichtet ist. Die vielen Skulpturen außen wie innen, die Heinrich und Kunigunde in ihrem Wirken gegenwärtig machen, verstärken noch diese Bedeutung des Doms als Erinnerungsort.

Karte aus Dethard von Winterfeld, Der Dom in Bamberg, 2. Bde., Berlin 1979

Textquelle: Hubel, Achim / Schuller, Manfred, Der Bamberger Dom als Erinnerungsort, in: Kirmeier, Josef / Schneidmüller, Bernd / Weinfurter, Stefan / Brockhoff, Evamaria (Hrsg.), Kaiser Heinrich II. 1002-1024, Augsburg 2002, S. 388-391.

Literatur:

  • Sage, Walter: Die Ausgrabungen im Bamberger Dom, in: Heinrich II. 1002 - 1024, hg. von Josef Kirmeier / Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter et al., Augsburg 2002, S. 93-109.
  • Baumgärtel-Fleischmann, Renate: Der Bamberger Dom. Die Umgestaltung des Innenraums und die Entwicklung der festen Austattung bis zum Ende des Mittelalters, in: Heiliger Raum. Architektur, Kunst und Liturgie in mittelalterlichen Kathedralen und Stiftskirchen, hg. von Franz Kohlschein/Peter Wünsche (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 82), Münster 1998, S. 59-99.
  • Baumgärtel-Fleischmann, Renate: Die Altäre des Bamberger Domes von 1012 bis zur Gegenwart, Bamberg 1987 (Veröffentlichungen des Diözesanmuseums Bamberg 4)