Jüdisches Leben
in Bayern

Lola Sinz (geb. Kronheimer) Pianistin, Sängerin, Klavierlehrerin, Korrepetitorin, Pädagogin, Landwirtin

Copyright: Haus der Bayerischen Geschichte (Dr. Heike Bretschneider)

Im hier gezeigten Ausschnitt beschreibt Lola Sinz-Kronheimer ihre Herkunft aus einer weitgehend assimilierten, liberalen jüdischen Familie in München. Zwar blieb sie selbst von antisemitischen Anfeindungen in ihrer Kindheit und Jugend verschont, erinnert sich aber, wie sie im Urlaub in Starnberg nachts auf der Straße grölende Nationalsozialisten hörte, wie diese judenfeindliche Lieder sangen. Derartige Anzeichen des wachsenden Antisemitismus habe auch ihre Familie lange unterschätzt. (nur Ton)

Biogramm

Lola Sinz wurde 1910 als Lola Kronheimer in München geboren und stammte mütterlicherseits aus einer Musikerfamilie. Ihr Vater war ein angesehener jüdischer Kaufmann. Abbruch des Gymnasiums nach sechs Jahren, um sich ganz der musikalischen Ausbildung widmen zu können. 1928 Aufnahme in die Staatliche Akademie der Tonkunst / Hochschule für Musik in München, 1931 Meisterklassen-Examen beim Pianisten August Schmid-Lindner (1870-1959), anschließend erste Erfolge u.a. gemeinsam mit Erna Forster mit einer Uraufführung eines Werks von Karl Höller (1907-1987) für zwei Klaviere.

1933 Ausschluss aus der Reichsmusikkammer, in der Folge Auftritte im Rahmen des Jüdischen Kulturbunds in München, Nürnberg, Augsburg und Würzburg. Ihren Lebensunterhalt bestritt Lola Kronheimer in dieser Zeit mit Klavierunterricht. 1935 gemäß der Nürnberger "Rassengesetze" als "Geltungsjüdin" eingestuft und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Auflösung des Jüdischen Kulturbunds. Nachdem ihr Lebenspartner Wolfgang von Bartels 1938 verstorben war, lebte Lola Kronheimer bei ihrer kranken Mutter. Tätigkeiten als Korrepetitorin für die Pianistin Rosl Schmid (1911-1978), Rechnungsschreiberin für eine Münchner Arztpraxis und ständige Mitarbeiterin des Cellisten Rudolf Metzmacher (1906-2004). Nach dem Erlass der Verordnung zum Tragen des "Judensterns" Zwangsarbeiterin in der Hutfabrik von Otto Brettschneider in München. Mit der Hilfe Brettschneiders konnte sie kurz vor ihrer Deportation im Februar 1945 mit gefälschten Papieren als "Lina Bockmeier" auf einem Bauernhof in Beilenberg im Allgäu untertauchen.

Nach dem Kriegsende Heirat mit dem Landwirt Andreas Sinz und Annahme dreier Adoptivkinder. Arbeit als Landwirtin und Betrieb eines Lebensmittelladens und einer Gastwirtschaft. Erst nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemanns 1987 war es Lola Sinz möglich, sich von ihren vielfältigen Verpflichtungen frei zu machen, wieder Musik zu hören und zu genießen und die Kontakte aus der Vorkriegszeit in München wieder aufzunehmen. Nach dem Umzug von Beilenberg nach Sonthofen 1991 ist Lola Sinz dort 1993 verstorben.

Lola Sinz' Leben, Denken und Wirken nach 1945 war geprägt vom unbedingten Willen zur Versöhnung. Deshalb half sie auch vielen NS-Belasteten, die ihr im "Dritten Reich" geholfen hatten, später bei der Entnazifizierung. Im Interview sagt sie: "Ich habe mich gewehrt mit Händen und Füßen, zu glauben, dass der Nationalsozialismus der Ausdruck der deutschen Mentalität oder der deutschen Seele ist. Die Nationalsozialisten haben aus Deutschland etwas gemacht, was nicht sein wahres Gesicht war. Sein wahres Gesicht musste es verstecken. Und das, was dazugehörte zu dem wahren Gesicht, nämlich die Hilfsbereitschaft von manchen Leuten, die unter der Oberfläche und mit großem Risikoeinsatz geholfen haben, Gefährdete zu schützen – das waren für mich die Deutschen."

Themen
  • Antisemitismus vor 1933
  • Familienleben
  • Jüdisches Leben
Signatur: tobre-131.01
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