Jüdisches Leben
in Bayern

Zeitlofs Synagoge

Nach 1802 wurde im frühen 19. Jahrhundert eine recht stattliche Synagoge errichtet (heute Untere Judengasse 2). Von ihr ist nur noch der Grundriss im bayerischen Urkatasterplan von 1848 überliefert; sie lag etwas außerhalb des historischen Zentrums im Süden, in zweiter Reihe hinter den Häusern der Unteren Judengasse. Das geostete Gotteshaus hatte eine auskragende Toranische, weitere Details lassen sich durch die rudimentäre Zeichnung nicht erschließen. Am 16. August 1884 zerstörte ein Feuer das Gebäude, lediglich die Torarollen konnten aus dem brennenden Gebäude gerettet werden. Das Grundstück wurde später für 85 Mark verkauft und ist heute ein privater Ziergarten mit einem Gartenhaus, bei dessen Bau die Fundamente der Synagoge wiederentdeckt wurden.

Durch eine außergewöhnlich erfolgreiche Spendenaktion in der Zeitschrift "Der Israelit" kam genügend Geld zusammen, um ernsthafte Pläne für einen Neubau zu schmieden. Die restlichen Kosten wurden durch die Versteigerung der Sitze, durch Aufnahmegelder und Abzugsgebühren sowie Kredite bestritten. Zunächst sollte die Synagoge in gleicher Größe auf dem Standort des Vorgängerbaus entstehen, doch dagegen sprachen neue Vorschriften der Bauordnung.

Daher erwarb die Kultusgemeinde ein unbebautes Gelände (heute Untere Judengasse 1) und beauftragte Maurermeister Johann Crämer aus Rupboden mit dem Entwurf. Bereits im September 1885 wurde das Gotteshaus eingeweiht: Ein für Landgemeinden typischer Mehrzweckbau mit Satteldach, bei dem sich Betsaal, Lehrerwohnung und Religionsschule unter einem Dach befanden. Den im Norden gelegene Eingang erreichten die Gläubigen über eine Brücke, die den haingraben überspannte. Der quadratische Betsaal im Osten nahm den größeren Teil und die ganze Höhe des Gebäudes ein, an der westlichen Giebelseite lagen schmal die Schule und darüber die Wohnung. Im Betsaal wiesen die Subsellien (Sitzbänke) auf die moderne Ausrichtung der Gottesdienste hin, andere Elemente (der Aron ha-Kodesch, das Gestühl und das eiserne Gitter) stammten laut Theodor Harburger noch aus der barocken Synagoge in Marktbreit – ihr Aussehen ist leider nicht überliefert. Als die politische Marktgemeinde am 7. April 1938 die Synagoge übernahm, waren der Toraschrein, die Bänke und Stühle sowie der Chanukkaleuchter noch vorhanden. Bad Kissingen hatte die Torarollen, -mäntel und –wimpel erhalten, die dann im Novemberpogrom zerstört wurden. Erst 1942 ging das Gebäude offiziell in den Besitz der Marktgemeinde über. Die Hitlerjugend hielt zwischen 1940 und 1945 ihre Gruppenstunden in der ehemaligen Synagoge ab.

1951 erwarben Privatleute das Gebäude von der JRSO. Kurzzeitig beherbergten die Mauern einen Kindergarten, dann wurde die ehemalige Synagoge zu einem Wohnhaus umgebaut und steht so noch heute.


(Patrick Charell)

Bilder

Adresse / Wegbeschreibung

Untere Judengasse 1, 97799 Zeitlofs

Literatur

  • Cornelia Berger-Dittscheid: Zeitlofs. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 387-408.