Jüdisches Leben
in Bayern

Westheim/Hammelburg Synagoge

Bis ins letzte Drittel des 18. Jahrhunderts versammelten sich die Erthal’schen Schutzjuden von Westheim in einem Privathaus zum Gottesdienst, den ein "juden schuhlmeister" (1762) leitete. Über diesen einen, oder mehrere frühere Betsäle ist nichts weiter bekannt. Im Sommer 1767 wurde eine Synagoge in der heutigen Kellergasse 7 errichtet, die bis August "unter Dach" stand. Sie überragte durch ein hohes Mansardendach die angrenzende Architektur und weckte dadurch das Missfallen der Obrigkeit. Weil der Bau jedoch auf dem Gelände des reichsritterlichen Freihofs stand, in zweiter Reihe zur späteren Judengasse, waren dem Würzburger Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim (reg. 1755-1779) die Hände gebunden. 

An der Westwand der Synagoge überlieferte ein hebräisches Chronogramm nach Esra 9,9 das Erbauungsdatum: "Um das Haus unseres Gottes aufzubauen, nach der kleinen Zählung (5)528", was 1767/68 entspricht. Zum massiv erbauten, über zehn Meter langen Gebäude gehörte auch ein Anbau aus Fachwerk. Er umfasste den Eingang, den Vorraum zum Männerbetsaal und das Treppenhaus zu den Emporen. Im Vergleich mit den übrigen Häusern in Westheim, ob sie nun Christen oder Juden gehörten, stellte die Synagoge ein besonderes Gebäude dar. Andererseits war das Gebäude kein orientalischer "Tempel", wie einige (missgünstige) Zeitgenossen öffentlich befürchtet hatten, sondern glich von außen eher einem bürgerlichen Wohnhaus.

Umso prächtiger war die Ausstattung im Inneren: Im Osten öffnete sich das querovales Misrachfenster über einem 5,50m hohen barocken Toraschrein, mit reichem Skulpturenschmuck und einer marmorierenden Fassung. Die Türen zum Toraschrein waren mit sternförmigen Intarsien verziert. Ursprünglich stand er noch auf einem Podest, zu dem sechs Stufen hinaufführten. Davor stand eine quadratische Bima, in dichten Reihen standen im Norden und Süden die Pulte der Betenden. Über der Bima hin ein großer Kronleuchter für bis zu 30 Kerzen. Im Westen lagen zwei Frauenemporen übereinander (für Erwachsene und Mädchen), die durch kleine übereinanderliegende Fenster erleuchtet wurden. Möglicherweise machte man sich auch erst im 19. Jahrhundert die auffällige Höhe des Betsaales für den Neueinbau von gleich zwei Emporen zunutze. Eine noch heute vorhandene, acht Meter hohe Segmentbogentonne mit eleganten klassizistischen Stuckornamenten überwölbte die ganze Länge des Gotteshauses. Für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und für 1920/21 sind Restaurierungsarbeiten belegt.

Am 10. November 1938 demolierten SA-Leute die Synagoge und raubten wertvolle, schön gearbeitete Ritualen aus Silber und Gold. Das Gebäude ging am 7. Dezember 1942 in den Besitz der Reichsvereinigung der Juden über und wurde im Jahr darauf von der NSDAP als Lager für "Altmaterialien" missbraucht. Erst nach Freilassung aus der Vermögenskontrolle durch die JRSO kam die Synagoge mit ihrem Anbau 1905 in Privatbesitz. Der Fachwerkanbau wurde zwei Jahre später durch einen Neubau ersetzt, das Gotteshaus selbst zu einem Wohnhaus umgebaut. Den Toraschrein erwarb das Mainfränkische Museum 1954 und ist seit 1988/89 auf der Feste Würzburg im Schönbornsaal ausgestellt. Bei einem Besitzerwechsel wurde Anfang der 1980er Jahre auf dem Dachboden die Überreste einer bereits geplünderten Genisa entdeckt. Die Überreste kamen im Rahmen eines Forschungsprojektes zum Salomon Ludwig-Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg. Im Jahr 2000 waren sie Teil der Ausstellung "Jüdisches Leben in und um Hammelburg" des Hammelburger Stadtmuseums Herrenmühle.


(Patrick Charell)

Adresse / Wegbeschreibung

Kellergasse 7, 97762 Hammelburg

Literatur

  • Cornelia Berger-Dittscheid: Westheim/Hammelburg. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 361-386.
  • Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 3. Fürth 1998, S. 777-779.
  • Jüdisches Museum München / Museum für Franken in Würzburg (Hg.): "Sieben Kisten mit jüdischem Material". Von Raub und Wiederentdeckung 1938 bis heute. Berlin/Leipzig 2018, S. 278 f., Nr. 140.