Im 17. Jahrhundert wurden Gottesdienste im privaten Bereich gefeiert: Ein Ascher Levy aus Reichshofen wird bereits im Jahr 1614 als jüdischer Privatlehrer genannt, 1674 gab es das Amt eines Chasan. Der Kunsthistoriker Theodor Harburger hat noch in den 1920ern auf dem Dachboden der Synagoge einen Torawimpel von 1657 vorgefunden. Die aufstrebende jüdische Gemeinde erwarb 1690 "ohne Herrschaftliche Vergönstigung" das örtliche Badehaus mit eigener Quelle. Bis 1696 erbaute sie auf einem Teil des trapezförmigen Anwesens (heute Ecke Ringstraße/Merleingasse) eine "Judenschul" mit freistehender Mikwe. Den christlichen Bewohnern bauten sie als Ersatz ein neues Badhaus. Als Schulmeister bzw. Rabbiner wirkte in dieser Zeit ein Löw aus Mähren, allerdings ist über die Ausstattung dieses Gotteshauses kaum etwas bekannt. Es gab neben den der Männer- und Frauenabteilung wohl noch eine Wohnung, denn zumindest 1720 lebte ein "Jud Mayerlein" im Gebäude.
Der barocke Bau genügte der weiter anwachsenden Gemeinde schließlich nicht mehr, daher fasste sie Pläne für einen umfassenden Um- bzw. Neubau. 1856 überarbeitete der staatliche „Civilbau Ingenieur“ Eduard Bürklein (1816-1871) die vorgelegten Pläne und fügte in Anlehnung an die Synagoge Heidenheim orientalisierende Elemente ein, die der Kulturpolitik des königlichen Baukunstausschusses entsprachen und die jüdische Religion würdevoll repräsentierten sollte. Bei der neuen Synagoge von 1855/57 wurden substanzielle Teile des Vorgängerbaus einbezogen: Sie entstand auf dem gleichen Grundriss und übernahm mit einiger Sicherheit den Treppenturm an der Nordseite. Allerdings entfielen nun die Wohnräume und der Betsaal nahm das ganze Gebäude ein. Die stattliche, zweigeschossige Synagoge war mit einer Grundfläche von circa 15 x 9 Metern recht groß, blieb aber von der Straße abgerückt und durch die umliegenden Häuser teils verborgen. Eine kunstvoll gearbeitete Firststange mit Davidstern überragte das Dach, charakterisierte den Bau als jüdisches Gotteshaus und versuchte der Vorgabe im Talmud zu entsprechen, dass eine Synagoge das höchste Gebäude der Umgebung zu sein habe. Fünf Fensterachsen an den Längsseiten und zwei an jeder Schmalseite gaben genügend Licht. Zwischen den Bögen des Doppelportals war der rautenförmige Hochzeitsstein eingesetzt. Der Toraschrein an der Ostwand hat die Form eines orientalischen Kielbogens.
Nach 1937 kamen sechs Torarollen und andere Ritualien kamen zum Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden (VBIG) nach München, wo vermutlich alles in der Pogromnacht auf den 10. November 1938 verbrannte. Bereits am 9. September hatte Joseph Schülein als kommissarischer Geschäftsführer der aufgelösten Gemeinde die Synagoge an den Getreidehändler und Mühlenbesitzer Georg Bauer verkauft. Dieser war Christ, aber ein überzeugter Antifaschist und Schüleins persönlicher Freund. Durch diesen Handel überstand das Gotteshaus die Pogromnacht unbeschadet. Die ehemalige Synagoge verblieb letztendlich im Besitz der Marktgemeinde; sie kaufte es 1951 der JSO ab. Bis 1967 diente der Bau als Turnhalle für die Schule und den Sportverein. Erneute Verkaufsverhandlungen konnten den Abriss des inzwischen baufälligen Anwesens nicht verhindern. Aus dem Abraum wurden noch die Türflügel und die Wange einer Sitzbank gerettet, sie befinden sich heute in Privatbesitz.
(Patrick Charell)
Bilder
Literatur
- Cornelia Berger-Dittscheid: Thalmässing. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Katrin Keßler. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 639-651.