Jüdisches Leben
in Bayern

Pappenheim Synagoge

Das erste jüdisches Gotteshaus in Pappenheim wird in einem Ablassbrief von Papst Nikolaus V. erwähnt. Ausgestellt wurde dieser am 2. April 1452 für den vergrößerten, 1476 vollendeten Neubau der Marienkirche (heute evangelische Stadtpfarrkirche an der Graf-Carl-Straße). Auf dem Bauplatz stand eine Synagoge ("sinagoge Judeorum"), die im Zuge der Arbeiten abgerissen wurde. Über ihr Aussehen ist nichts überliefert. 1657 ist erneut von einer "Schul" die Rede, vermutlich identisch mit einem Betsaal im Wohnhaus des Juden Salomon (heute Deisinger Straße 19), die ab 1666 nachweisbar war. Sie verfügte über eine Mikwe im Keller. Ein Synagogenleuchter verursachte am 18. Juni 1712 einen Brand, der das ganze Haus zerstörte. An der Rettung von Ritualien beteiligten sich auch die christlichen Bewohner Pappenheims. Die Kultusgemeinde wehrte sich anschließend vergeblich gegen eine Geldstrafe von 400 Gulden, die ihnen die Obrigkeit wegen des fahrlässigen Feuers auferlegte.

An der Brandstätte wurde auf den Fundamenten ein neues, zweigeschossiges Gebäude errichtet, das gleichzeitig als Synagoge und Wohnhaus diente. Hirsch Oppenheimer veranschlagte als Vorstand der Gemeinde die Baukosten auf rund 1800 Gulden. Die Verhältnisse müssen außerordentlich beengt gewesen sein: Im Erdgeschoss befand sich der Männerbetsaal, die sogenannte „Weiberschul“ darüber im Obergeschoß. Das Ritualbad des Vorgängerbaus wurde weiterhin genutzt und blieb anscheinend in den 1820er Jahren unbeanstandet.

Am 5. Juni 1811 kauften die Pappenheimer Juden für 1500 Gulden das Hofdrucker-Anwesen Nr. 70a/b (heute Graf-Carl-Straße 27) einschließlich der Allmendeanteile. Das Wohnhaus mit Nebengebäude diente zunächst als Rabbinerwohnung, auf dem zugehörigen „Grabgärtlein“ wurde noch im selben Jahr eine neue Synagoge errichtet und am 13/14. September eingeweiht.

Als möglicher Architekt kommt aus stilistischen Erwägungen der Karlsruher Architekt Friedrich Weinbrenner (1766-1826) in Frage. Für die Südwand musste man zunächst noch einen Streifen des Nachbargrundstücks „Badgarten“ vom evangelischen Dekanat erwerben, den Rest des Anwesens ersteigerte die Kultusgemeinde erst im Jahr 1846. Benedikt Mainzer, ein junger jüdischer Privatlehrer im Ort, hatte für die Festrede eine Ansprache vorbereitet und dem Stadtpfarrer Redenbacher zur Korrektur vorgelegt. Aus Dankbarkeit widmete er ihm später die gedruckte Fassung der Rede, in der Mainzer die neue Zeit lobte, in der „[Gott] die Augen der Menschheit erhellet, und Irrthum und Aberglaube vernichtet“ habe.

Das zweigeschossige Gebäude mit hohem Walmdach war annähernd quadratisch; das Eingangsportal mit zweiflügeliger Tür dominierte die Westfassade, bekrönt von einem Giebel, in dem die Jahreszahl der Erbauung stand. Darüber beleuchtete ein großes halbkreisförmiges Fenster die Frauenempore, die man durch das nördlich anschließende Rabbinerhaus erreichte. Durch das Portal und einen breitgelagerten Vorraum hindurch gelangte man in den Betsaal. Zentral im Raum stand die Bima. Die Gläubigen saßen bereits auf fest eingebauten Sitzbänken (Subsellien) und blickten zum Toraschrein an der Ostwand: Über zwei Treppen links und rechts des Vorbeterpults erreichte man das Podest des Schreins, dessen Gebälk von toskanischen Säulen getragen wurde. Auf seinem Fries standen die hebräischen Worte „Wisse, vor wem du stehst“ unter den mosaischen Gesetzestafeln. Nach einer umfassenden Restaurierung und Neuausstattung wurde die Synagoge am 26. August 1842 neu eingeweiht.

Bereits 1937 kaufte die Stadt für 6000 Reichsmark die leer stehende Synagoge mit dem anschließenden Rabbiner-/Schulhaus, in dem inzwischen Christen wohnten. Die Ritualien kamen nach Treuchtlingen, wo sie während des Novemberpogroms zerstört wurden. Das ehemalige Gotteshaus sollte als Berufsschule und Versammlungsstätte kommunalen Zwecken dienen. Erste Pläne des Augsburger Architekten Anton Wenzel vom Mai 1938 sahen unter anderem die Entfernung aller jüdischer Symbole und die Anbringung eines großen steinernen Reichsadlers über dem Eingangsportal vor. Tatsächlich wurden bis 1945 keine größeren Arbeiten am Gebäude vorgenommen, das inzwischen als Sammelstelle für Wertstoffe diente.


Nach einem Vergleich mit der JRSO blieb die ehemalige Synagoge städtisches Eigentum und wurde 1954 zu einem Feuerwehrhaus und Station des BRK umgebaut. Das benachbarte Rabbinerhaus musste Garagen weichen. Eine Plakette am Gebäude erinnert an seine frühere Funktion als jüdisches Gotteshaus.


(Patrick Charell)

Bilder

Adresse / Wegbeschreibung

Graf-Carl-Straße 27, 91788 Pappenheim

Literatur

  • Angela Hager / Cornelia Berger-Dittscheid / Hans-Christof Haas: Pappenheim. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Kartin Keßler. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 522-534.
  • Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 3. Fürth 1998, S. 642-656.