Ein um 1710/1720 von dem Kitzinger Silberschmied Johann Heinrich Schneider geschaffener silberner Thoraschild, der 1776/1777 dem Ottershäuser Gemeindevorsteher Baruch ben Naftali gehörte, legt nahe, dass wahrscheinlich schon in der Barockzeit ein jüdischer Betsaal existierte. Die Schmiedearbeit zeigt den doppelköpfigen Reichsadler zwischen den gedrehten Säulen Jachin und Boas, auf denen ursprünglich Josua und Moses angebracht waren. Über den beiden Säulen steigen links und rechts als Anspielung auf den Namen der Stifterfamilie zwei Hirsche auf, die eine Krone – die Krone der Thora – halten.
Bei der ersten Öttershäuser Synagoge handelte es sich vermutlich um einen Betsaal, der in einem Doppelhaus eingerichtet war, das 1828 den Öttershäuser Juden Löser Gutmann und Raphael Frank gehörte, die bereits 1817 zu den Inhabern der Matrikelstellen gehörten. Da die alte Synagoge gegen Mitte des 19. Jahrhunderts baufällig war, entschloss sich die jüdische Gemeinde zu einem Neubau, der 1860 abgeschlossen war. Die neue Synagoge war mit der Wohnung des Lehrers und Vorsängers und dem Schulzimmer in einem Mehrzweckgebäude untergebracht. Das zweigeschossige Bauwerk wurde in beiden Stockwerken durch rechteckige Fenster erhellt.
1871 erwarben die Grafen von Schönborn die Synagoge, die sich weiter im Privatbesitz befunden hatte, und forderten 1872 von den ehemaligen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde, die Öttershausen verlassen hatten, sich an den rund 38 Gulden betragenden Reparaturkosten für das ehemalige Gotteshaus zu beteiligen. Nach der Auflösung der jüdischen Gemeinde Öttershausen zog der Viehhändler Hirsch Frank nach Schweinfurt und stiftete der dortigen Kultusgemeinde 1877 eine aus seinem Heimatort stammende Thorarolle, zu der vermutlich auch das barocke Thoraschild gehörte. 1929 beschrieb Theodor Harburger den aus Öttershausen stammenden barocken Thoraschild und zeigte ihn auch 1930 im Rahmen seiner "Ausstellung jüdischer Kultgeräte und -einrichtungen für Synagoge und Haus" in München.
Vermutlich während des Novemberpogroms 1938 wurde der Thoraschild in der Schweinfurter Synagoge beschädigt und verlor die Figur des Moses und zwei der drei Glöckchen. Am 10. November 1938 wurde das Kunstwerk beschlagnahmt. Der aus Öttershausen stammende Thoraschild gehört als Leihgabe heute zur Judaica-Abteilung des ehemaligen Mainfränkischen Museums, des heutigen Museums für Franken, und wurde auch 2018/2019 im Rahmen der Ausstellung "Sieben Kisten mit jüdischem Material" in München und Würzburg gezeigt. Die erhaltenen Außenwände und Fensterstöcke der ehemaligen Synagoge wurden in einen modernen Flachbau einbezogen.
(Stefan W. Römmelt)
Adresse / Wegbeschreibung
Teil des Anwesens Öttershausen 4, 97332 Volkach
Literatur
- Cornelia Berger-Dittscheid: Zeilitzheim mit Öttershausen. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.2. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1629-1650.