Im Jahr 1691 wurde eine vom Marktbreiter Schutzjuden Joseph gestiftete Torarolle in feierlicher Prozession durch den Ort zur ersten nachgewiesenen Synagoge getragen. Sieben Jahre später wurde eine zweite Synagoge durch die Übertragung einer Torarolle eingeweiht, die ein Schutzjude namens Michael Samson gestiftet hatte.17 Jahre später protestierten Rat und Bürgerschaft Marktbreits im Jahr 1715 erneut gegen jüdische Prozessionen unter freiem Himmel, zogen ihre Eingabe aber dann zurück.
1714 fiel die zweite Marktbreiter Synagoge einem Brand zum Opfer. Die Stiftertafel für die dritte Synagoge, die im Jüdischen Museum Franken verwahrt wird, nennt als wichtigste Stifter Schimschon (Samson) Wertheimer, den Barnos der schwarzenbergischen Landjudenschaft, und seine Frau Krönle, Tochter des Rabbiners Josef Wertheim. Das Paar hatte den Baugrund erworben und maßgeblich zur Finanzierung des Baus und der Ausstattung beigetragen.
Die barocke, auf einem rechteckigen Grundriss mit rund 10 Meter Länge und rund 8 Meter Breite errichtete Synagoge lag im Schul- und Pfarrviertel der Stadt und grenzte an die Latein-, Kantorats-, Knaben- und Mädchenschule, das Pfarrhaus, die evangelische Kaplanei und das Kantorat. Der steinerne, rund 4 Meter hohe und etwa 2,50 Meter breite Toraschrein bestand aus zwei Halbsäulen mit korinthischen Kapitellen, einem hohen Architrav und einem Gesims mit Vasen und Dreiecksgiebel. Bekrönt wurde er von einem hölzernen, heute im "Museum für Franken“ verwahrten Aufsatz mit zwei gekrönten Löwen, die eine ebenfalls gekrönte Kartusche mit den Zehn Geboten hielten.
1710 eröffnete die Verpflichtung des Rabbiners Isaak ("Säckel") Etthausens durch die Schwarzenberger Behörden eine Epoche, in der bedeutende Gelehrte mit engen Beziehungen zu den habsburgischen Territorien in der Marktbreiter Synagoge tätig waren. Nach seiner Zeit in Marktbreit amtierte Etthausen von 1730 bis 1763 als Landesrabbiner der vorderösterreichen Markgrafschaft Burgau und verfasste dort weit verbreitete Talmudkommentare.
Zu den überregional wahrgenommenen Marktbreiter Rabbinern des 18. Jahrhunderts gehört auch Pinchas Mose Katzenelnbogen. Der aus einer Gelehrtenfamilie stammende Rabbiner wirkte von 1722 bis 1750 in Marktbreit als Rabbiner und Vorsitzender des Rabbinatsgerichts in den Schwarzenbergischen Ländern. Eine Edition des umfangreichen Selbstzeugnisses, das der 1767 verstorbene Katzenelnbogen am Ende seines Lebens verfasst hatte, legte 1986 der Londoner Rabbiner Jitzchok Dov Feld vor.
Seit 1885 ersetzte eine von einem bisher unbekannten Architekten geplante vierte Synagoge im Stil des Späthistorismus das barocke, wohl für die gewachsene Gemeinde zu klein gewordene Gotteshaus aus dem Jahr 1718.
Das rund 15 Meter lange und etwa 10 Meter breite Gebäude, das doppelt so groß wie die alte Synagoge ist, weist vor allem an der allein von außen einsehbaren, fünfachsigen Südostfassade Merkmale verschiedener Baustile wie der Neoromanik und des neomaurischen Stils auf. Während das Sockelgeschoss, dessen Mitte der Standerker des Toraschreins bildet, aus Schilfsandsteinquadern gearbeitet ist, war das Obergeschoss ursprünglich von vier Rundbogenfenstern und dem Misrachfenster durchfenstert. Der querrechteckige Männerbetsaal orientierte sich an dem an der Ostwand gelegenen, von zwei Fensterbahnen flankierten und von einem Rundbogen abgeschlossenen Toraschrein. Über dem Toraschrein hing ein 1717 gestiftetes Ewiges Licht. Die dreiseitige, auf mehreren Säulen ruhende Frauenempore wurde vermutlich von Süden betreten. Ende der 1920er Jahre erfasste Kunsthistoriker Theodor Harburger die Ausstattung der Synagoge: Unter anderem zwei aus der dritten Marktbreiter Synagoge in den Neubau übernommenen Toraschilder und Rimonimpaare aus Silber, die wohl aus den in Marktbreit aufgegangenen jüdischen Nachbargemeinden stammten, auch ein Chanukka-Leuchter aus der Obernbreiter Synagoge. Gut erhalten ist die Mikwe im Hinterhaus des 1820 errichteten, dreigeschossigen Wohnhauses des zeitweiligen Gemeindevorstehers Salomon Jandorff.
Während des November-Pogroms wurde die Marktbreiter Synagoge am 10. November 1938 von Marktbreiter, Kitzinger und Mainbernheimer SS-Leuten geschändet. Da das Gotteshaus wegen seiner innerstädtischen Lage nicht ohne Brandgefahr angezündet werden konnte, zerschlug der Stoßtrupp das Mobiliar mit einem Hammer. Der Verbleib der Ritualien ist bis heute ungeklärt. Gerettet wurden nur eine jetzt in Israel verwahrte Torarolle, die der Marktbreiter Jude Menachem Mendel Rosenberg gerettet hatte, und einige Gebetbücher und Gebetsmäntel, die in das Marktbreiter Rathaus gebracht wurden. Im Jahr 1941 waren in der verwüsteten Synagoge jüdische Familien untergebracht. Nach der Deportation der Marktbreiter Juden lebten dort Kriegsgefangene.1953 und 1958 baute ein Privatmann die ehemalige Synagoge, die er von der Jewish Restitution Successor Organization (JRSO) erworben hatte, zu einem Lagerhaus für seine Schuhgroßhandlung und zu einer Wohnung um. Die Bausubstanz ist jedoch noch erhalten.
(Stefan W. Römmelt)
Bilder
Adresse / Wegbeschreibung
Schustergasse 12 und 14 (Zugang ausgeschildert), 97340 Marktbreit
Literatur
- Hans Schlumberger / Hans-Christof Haas: Marktbreit mit Gnodstadt, Marktsteft, Obernbreit und Segnitz, in: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.2. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1158-1240.
- Jüdisches Museum München / Museum für Franken in Würzburg (Hg.): "Sieben Kisten mit jüdischem Material". Von Raub und Wiederentdeckung 1938 bis heute. Berlin/Leipzig 2018, S. 280, Nr. 141 und S. 281, Nr. 142.
- Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 3. Fürth 1998, S. 381-383.