Bis 1862 gibt es nur wenige Nachrichten über die vereinzelte Anwesenheit von Juden in der Stadt. Nach dem Wegfall des Matrikelparagrafen 1861 ließen sich hier erstmals jüdische Familien – v.a. aus dem nahegelegenen Steinbach – nieder und beantragten 1863 bei der Kreisregierung die Genehmigung einer Religionsschule. Dies wurde ihnen aber verwehrt, da man sie noch der Kultusgemeinde Steinbach zurechnete. Daraufhin erfolgte 1864 die Gründung der israelitischen Kultusgemeinde Lohr.
Zum gemeinsamen Gottesdienst traf man sich vorerst in einem Betraum im Haus des Baruch Hirsch in der Turmstraße. Später wurde offensichtlich ein Zimmer im Haus Nr. 173 (früher Rentamtgasse, Heute Rathausgasse 2) angemietet und dort ein Betsaal eingerichtet. 1871 erwarb die Lohrer Judenschaft ein großes Anwesen auf dem Grundstück Nr. 351 /heute: Fischergasse 32) und ließ es zu einem Gemeindehaus mit umbauen. Das repräsentative, in seiner Substanz bis heute erhaltene Haus stammt aus der Barockzeit (1732 datiert). Es verfügt über ein massiv gemauertes Erdgeschoss, ein Obergeschoss mit verputztem Fachwerk und ein hohes Mansarddach. Im ersten Stock befand sich die Synagoge, im Erdgeschoss der Unterrichtsraum und die Lehrerwohnung und im Keller das jüdische Ritualbad. Die Einweihung erfolgte durch den Aschaffenburger Distriktsrabbiner Abraham Adler am 18. November 1871. 1885/86 wurden in der Synagoge 13 Männerstände und 10 Frauenstände vergeben. Eine Gasbeleuchtung wurde 1891 in der Synagoge und 1912 in der Mikwe installiert. 1909 hat man den Innenraum der Synagoge frisch getüncht.
Während des Novemberprogroms 1938 fiel der Sturmbannführer mit einigen SA-Leuten mehrmals in das jüdische Gemeindehaus ein. Sie zerschlugen die Marmorverkleidung in der Mikwe, verwüsteten den Gottesdienstraum, zerrissen die Torarollen und zerstörten den Aron ha-Kodesch. Auch das Schulzimmer mit alle Unterrichtsmaterialien wurden vernichtet. Kultusvorsteher Simon Strauß musste das Haus zwangsweise an einen Grundstücksnachbarn veräußern.
Ab Januar 1946 hat man das einstige jüdische Gemeindehaus für Wohnzwecke genutzt.
(Christine Riedl-Valder)
Literatur
- Schlumberger, Hans / Berger-Dittscheid, Cornelia: Lohr mit Steinbach, in: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hrsg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade, Lindenberg im Allgäu 2015, S. 257-271