Jüdisches Leben
in Bayern

Kleinwallstadt Synagoge

Da im Jahr 1691 bereits sechs jüdische Familien in Kleinwallstadt lebten, darf man davon ausgehen, dass zu diesem Zeitpunkt der Minjan erreicht war, der zum gemeinsamen Gottesdienst berechtigte. 1780 wird erstmals eine "Synagog" genannt. Es handelte sich dabei um einen kleine Betsaal im Privathaus des Schutzjuden Itzig. Wo sich dieses Haus befand, ist nicht bekannt. Dieser Sakralraum wurde auch von den benachbarten Israeliten aus Hofstetten und Unterhausen, die nicht Kurmainz unterstanden, genutzt. Sie mussten dafür Gebühren entrichten. Der Saal hatte jedoch nur geringe Ausmaße und bot kaum Platz für die Betenden.

Nachdem die Gemeinde stark angewachsen war, hat man sich im frühen 19. Jh. zum Bau einer neuen Synagoge entschlossen. Dazu wurde das „einsam am Main gelegene Haus des Schelchers Jörg Happel“ erworben und umgebaut. Dokumente und Pläne sind dazu nicht erhalten. Das Gemeindehaus mit Schule, Lehrerwohnung und Betsaal (Haus-Nr. 176, heute: Rathausgasse 11) wird erstmals 1829 erwähnt. Es handelte sich um ein zweigeschossiges Haus mit massiv gebautem Erdgeschoss, Fachwerk-Obergeschoss und Halbwalmdach. Es verfügte zur Straßenseite hin über drei hohe Segmentbogenfenster, die den Betsaal im 1. Stock belichteten. Der Schulraum und die Wohnung des Lehrers befanden sich im Erdgeschoss. Ein südlicher, eingeschossiger Anbau beherbergte das Ritualbad.

Nachdem eine Mehrheit der jüdischen Kleinwallstädter wegen der seit 1933 anwachsenden Anfeindungen und Terroranschläge den Heimatort verlassen hatte, verkaufte die Kultusgemeinde am 29. März 1938 die Synagoge. Die Ritualien wurden der Aschaffenburger Synagoge überstellt, wo sich 1942 ihre Spur verliert. Das Novemberpogrom ging daher spurlos am Gebäude vorüber. Der umgebaute Sakralbau wird bis heute als Wohnhaus genutzt. Eine Gedenktafel, die an der Nordseite des Alten Rathauses angebracht ist, erinnert an die einstige Synagoge und die jüdische Gemeinde in Kleinwallstadt.

 

(Christine Riedl-Valder)

Bilder

Adresse / Wegbeschreibung

Rathausgasse 11, 63839 Kleinwallstadt

Literatur

  • Axel Töllner / Cornelia Berger-Dittscheid Kleinwallstadt. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade. Lindenberg im Allgäu 2015, S. 424-435.