Dem Kunsthistoriker Theodor Harburger wurde 1929 bei seinem Besuch in Kleinsteinach mitgeteilt, dass die Gemeinde bereits 1436 eine Synagoge benutzt haben soll. Sollte diese Aussage auf heute verlorenen Quellen beruhen und zutreffen, bleibt die Frage offen, ob es sich um einen Betraum oder um jenes freistehende Gotteshaus handelte. Wo diese erste Synagoge stand, ist unbekannt. Eine Notiz aus dem Jahr 1735 verweist auf eine zweite Synagoge („schuhl“), die es zu jener Zeit bereits seit mehr als hundert Jahren gegeben haben soll. Die Erbauungszeit läge also im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts. Diese Synagoge stand auf Würzburger Grund (heute Kindergartenstraße 4), und die Kleinsteinacher Juden mussten eine jährliche Nutzungsgebühr von 12 Gulden 4 Batzen an die bischöfliche Kellerei in Haßfurt entrichten. Bedeutende Stiftungen von jüdischen Familien aus Haßfurt sind vielleicht ein Indiz dafür, dass die Synagoge zu bestimmten Anlässen von der Haßfurter Gemeinde mitbenutzt wurde – im späten 17. Jahrhundert genoss das Gotteshaus den Ruf herausragenden Torastudiums, vor allem in der Zeit von Rabbiner Samuel ben Mosche David Levi (ca. 1625-1681).
Mit dem Wachstum der Gemeinde wurde die alte Synagoge spätestens im Jahr 1719 zu klein. Erste Pläne zum Bau einer neuen, größeren Synagoge auf adeligem Grund scheiterten am Widerstand des fürstbischöflichen Kellerers in Haßfurt, der vor allem den Verlust der jährlichen Nutzungsgebühren fürchtete. Nach jahrelangem Streit wurde als Kompromiss auf demselben Grundstück ein Neubau ausgeführt. Das Kleinsteinacher Memorbuch rühmte den Haßfurter Bezirksvorsteher und Schtadtlan Jechiel Heidingsfeld ben Isaak Levi als Stifter des Baus. Die Arbeiten begannen im Juli 1735, noch vor dem Eintreffen der Würzburger Genehmigung. Das Gotteshaus sollte eigentlich auf Befehl des Erzbischofs hin nicht als Sakralbau zu erkennen sein, spätere bei Restaurierungsarbeiten angefertigte Pläne zeigen jedoch eine typische fränkische Landsynagoge mit hohem Walmdach, schlicht zwar und bescheiden, aber eindeutig ein Gotteshaus. Es stand wie sein Vorgänger in zweiter Reihe zum Anwesen Nr. 90 (Kindergartenweg 2), das wohl auch der jüdischen Gemeinde gehörte. Später lebte darin der Totengräber. Südlich des Grundstücks verlief ein kleiner, leicht ansteigender Fußweg zur Synagoge, aus dem später der Kindergartenweg entstand. Im Unterschied zu vielen anderen Landsynagogen dieser Zeit war der neue Bau nicht als multifunktionales Gemeindezentrum, sondern als reines Gebetshaus geplant. Den größten, östlichen Teil des rechteckigen Grundrisses nahm der Betsaal mit flacher Tonnendecke ein, wo der Toraschrein in einen Standerker auskragte. Die Decke schmückten laut Harburger "Stuckverzierungen und Bemalung in zarten Farben in Barockgeschmack". Der Zugang erfolgte vom Süden her, die Frauenabteilung war auf zwei Ebenen im Erdgeschoss und einer Empore aufgeteilt. Noch 1929 stammten die achteckige Bima aus Standstein und der Toraschrein aus der Erbauungszeit und dominierten den Raum. Der 3,26m breite und circa 5m hohe Aron ha-Kodesch folgte im Stil einem Altaraufbau des frühen Rokokos, reich geschmückt und mit gedrehten Säulen. Die Kleinsteinacher Synagoge war ein "stattlicher Bau auf einer Anhöhe" wie Harburger urteilte.
1842 musste die ohnehin schwer belastete Gemeinde die Decke und das Fachwerk der Nordwand renovieren lassen. Ob dabei wie vom beauftragten Maurermeister Brehm geplant zwei Stützsäulen eingezogen, oder das Gotteshaus anderweitig ertüchtigt wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Ende des Jahrhunderts befand sich die Synagoge erneut in einem schlechten Zustand. Noch vor der großen, bereits geplanten Sanierung musste die Gemeinde im Jahr 1900 einen Blitzableiter anbringen. 1903 wurde die Synagoge umfassend erneuert sowie die Süd- und Ostseite verputzt. Im Novemberpogrom 1938 zerstörten SA-Leute die Inneneinrichtung und viele Ritualien, andere sind seit jener Zeit verschollen. Die Synagoge selbst blieb stehen, weil die Flammen anstehende Gebäude gefährdet hätten. Am 6. Juni 1939 ging das Gotteshaus mit einem Zwangsverkauf in private Hände über und wurde als Holzlager genutzt. Nach 1945 war sie erneut in einem stark baufälligen Zustand, die Nordwand hatte sich verschoben. 1950 gab die Eigentümerin das Gebäude an die JRSO zurück. Nachdem in den frühen 1950er Jahren der Blitz eingeschlagen hatte, wurde es 1955 abgerissen. Neben dem Grundstück befindet sich heute eine Gedenktafel und seit 2015 eine Infotafel mit Abbildungen als Teil des historischen Rundgangs.
Bilder
Adresse / Wegbeschreibung
Kindergartenweg 4, 97519 Riedbach-Kleinsteinach
Literatur
- Staatsarchiv Würzburg (Hg.) / Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.): Mehr als Steine. Synagogen in Unterfranken. Eine Ausstellung des Staatsarchivs Würzburg in Kooperation mit dem Team des Synagogen-Gedenkbands Bayern und dem Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. München 2021 (= Staatliche Archive Bayerns - Kleine Ausstellungen 68), S. 26-28.
- Axel Töllner / Hans-Christof Haas: Kleinsteinach. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 498-513.
- Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 2. Fürth 1998, S. 330.