Jüdisches Leben
in Bayern

Kleinheubach Synagoge

Um 1726 gründeten die jüdischen Gemeinden Kleinheubach und Laudenbach eine Synagogen-Gemeinschaft. Man darf davon ausgehen, dass es spätestens ab dieser Zeit auch einen Betraum im Ort gab. 1725 und 1746 wurden laut den vorhandenen Quellen Baumaßnahmen zur Errichtung und Erweiterung eines Betsaales im Haus des Juden Raphael durchgeführt. Ab der Zeit um 1760 befand sich im Haus des Löw Abraham, der 1760 zum Ortsvorsteher der Judenschaft ernannt wurde, ein Betsaal, für den der Hausbesitzer einen jährlichen "Schulzins" erhielt. Die jüdische Gemeinde Laudenbach löste 1788 die Synagogen-Gemeinschaft auf und richtete sich einen eigenen Betraum und eine Mikwe ein.

Der Kleinheubacher Betsaal war Ende des 18. Jh. für die auf über 20 Familien angewachsene Gemeinde zu klein geworden. Daher beschloss man 1797 einen Neubau. Aufgrund von langwierigen Streitigkeiten über die Aufteilung der Baukosten kam es jedoch zu erheblichen Verzögerungen. Ende 1807 konnte endlich ein Bauplatz erworben werden. Es handelte sich um die Flurnummern 215 und 216 (Hausnr. 173 und 174, heute: Gartenstraße 9 und 10) am Rand des Ortszentrums. 1808 wurde auf Flurnummer 215 über rechteckigem Grundriss eine zweigeschossige Synagoge mit Walmdach errichtet. Der verputzte Außenbau, der sich als Steinbau von der größtenteils in Fachwerk ausgeführten Wohnbebauung der Umgebung abhob, verfügte über Eckpilaster toskanischer Ordnung, sowie Tür- und Fenstereinfassungen aus rotem Mainsandstein. Der sechs Meter hohe Innenraum schoss mit einer flachen Rabitzdecke ab, die zu den Längswänden gewölbt war. Über sein übriges Aussehen und seine Ausstattung existieren kaum Informationen. Auf Flurnummer 216 errichtete man einen schmalen Anbau, in dem die Wohnung des Vorsängers, später dann eine Lehrerwohnung mit zwei Zimmern, einer Kammer, einer Küche und einem Schulzimmer untergebracht wurde. Hinter der Synagoge lag ein Hof mit Backhaus und zwei Aborten. Bei einer Renovierung des Sakralbaus im Jahr 1898 wurden der Außenbau verputzt und gestrichen, Decke und Wände des Betsaales neu verputzt und getüncht, die Bänke und Fenster gestrichen, sowie der Fußboden ausgebessert.

Einer Zeugin zufolge zog während des Novemberpogroms 1938 am Nachmittag des 10. November eine größere Menschenmenge zur Synagoge. Die Leute warfen die bunt verglasten Fenster ein, stießen mit einem Baumstamm das Portal auf, demolierten die gesamte Inneneinrichtung, zerrissen die Schriftrollen und zündeten sie an. Rund zwei Jahre später erwarb die Marktgemeinde das ehemalige jüdische Gotteshaus von der Kultusgemeinde zu einem sehr günstigen Preis und baute es zum Feuerwehrhaus um. Der Anbau war damals vermietet und sollte später abgerissen werden.

Nach 1945 leistete die Marktgemeinde eine Ausgleichszahlung für die verbilligt erworbene einstige Synagoge, die weiterhin als Feuerwehrhaus genutzt wurde. 1969 ging das Gebäude durch Verkauf an eine Privatfrau, die es als Lagerhalle nutzte. 1993 wurde mit Unterstützung der Marktgemeinde und mehrerer staatlicher Behörden die Fassade saniert. Dabei konnte man den originalen Türsturz wieder einbauen. Heute gehört das einstige jüdische Gotteshaus zum denkmalgeschützten Ortskern. Eine Gedenktafel an der Westfassade erinnert an die Geschichte des Hauses.

 

(Christine Riedl-Valder)

Bilder

Adresse / Wegbeschreibung

Gartenstraße 9, 63924 Kleinheubach

Literatur

  • Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (Hg.) / Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.): Mehr als Steine. Synagogen in Unterfranken. Eine Ausstellung des Staatsarchivs Würzburg in Kooperation mit dem Team des Synagogen-Gedenkbands Bayern und dem Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. München 2021 (= Staatliche Archive Bayerns - Kleine Ausstellungen 68), S. 60 u. 114-116.
  • Axel Töllner / Cornelia Berger-Dittscheid: Kleinheubach. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade. Lindenberg im Allgäu 2015, S. 404-423.