Da in den 1720er Jahren bereits neun jüdische Familien in Kirchheim lebten, gab es sicher genug männliche Gemeindemitglieder, um den Minjan zu erfüllen und gemeinsam Gottesdienste feiern zu dürfen. Am 27. Februar 1727 genehmigte der Würzburger Erzbischof der Kirchheimer Kultusgemeinde den Bau einer "Schul". Sie entstand wenig später auf dem bereits zuvor erworbenen Bauplatz, der am Westrand des Dorfzentrums lag (heute Gartenstraße 3). Das kleine zweigeschossige, ursprünglich freistehende Haus wurde mit einem massiv gemauerten Erdgeschoss und einem in Fachwerk gearbeiteten Obergeschoss errichtet. In dessen Keller wurde die Mikwe eingebaut; im Erdgeschoss wurden die Religionsschule und die Lehrerwohnung eingerichtet; der erste Stock war dem Betsaal vorbehalten.
1734 oder 1739/40 erhielt diese Synagoge durch den polnischen Wanderkünstler Elieser Sussmann eine sehr aufwendig gestaltete Dekoration nach dem Vorbild osteuropäischer Volkskunst. Sie bestand aus farbenfroher Rankenmalerei, hebräischen Texten und einer Darstellung der Stadt Jerusalem. Nach der Auflösung der jüdischen Gemeinde 1908 wurde das Gebäude der Synagoge 1910/12 verkauft und anschließend umgebaut. Zuvor entfernte man noch die Einrichtung und deponierte sie in einer Scheune. Der ehemalige Kultusvorsteher der jüdischen Gemeinde von Würzburg, Dr. Otto Stern, und Kommerzienrat Herrmann Reiss erkannten den hohen kunst- und kulturhistorischen Wert dieser Ausstattung. Ihnen war es zu verdanken, dass die Einrichtung 1911 in den Besitz des Luitpoldmuseums Würzburg (heute Mainfränkisches Museum) gelangte. Dort wurde sie in einem eigenen Ausstellungsraum präsentiert und schon bald zu einer Attraktion für die Besucher. Den Zugang zu diesem Teil des Museums hat man in der Zeit des Dritten Reiches hinter Wandteppichen und Mobiliar verborgen. Am 16. März 1945 verbrannte die wertvolle Ausstattung jedoch nach einem Bombenangriff auf die Stadt. Das einstige Synagogengebäude wird bis heute als privates Wohnhaus genutzt.
(Christine Riedl-Valder)
Bilder
Adresse / Wegbeschreibung
Gartenstraße 3, 97268 Kirchheim
Literatur
- Cornelia Berger-Dittscheid: Geroldshausen mit Kirchheim, in: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hrsg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade, Lindenberg im Allgäu 2015, S. 640-650
- Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 3. Fürth 1998, S. 789-791.