Laut Quellen aus dem 15. bis 17. Jh. befand sich im Vorgängerbau des Anwesens an der Hauptstraße 28 eine "Judenschul". Um 1440 wurde hier jedoch eine Herberge mit Schankstätte eingerichtet, die auch in der Folgezeit bestehen blieb. 1590 erfolgte ein Entscheid des Würzburger Fürstbischofs, dass die "Judenschul in Ewigkeit ein Gasthof und Wirtshaus sein und bleiben soll". Das Gebäude wurde 1602 weitgehend neu errichtet. Dabei hat man in der Bauinschrift die einstige, hier befindliche Synagoge erwähnt: "...Dises Hauß steht in Gottes Handt undt ist zu der Jüdenschuel genandt".
Nachdem sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Karlstadt wieder eine kleine jüdische Gemeinde gebildet hatte, besuchte man anfangs zum gemeinsamen Gottesdienst an hohen Feiertagen die Synagoge in Laudenbach. Aus dem Jahr 1904 existiert ein erster Nachweis, dass die Kultusgemeinde Miete für eine "Synagoge" im Ort bezahlte. Es ist jedoch nicht bekannt, in welchem Gebäude sich dieser Betsaal befand. 1911 entwickelte die jüdische Gemeinde von Karlstadt einen ehrgeizigen Plan zur Errichtung eines großen Synagogen- und Schulhausgebäudes, der jedoch – wohl aufgrund der hohen Baukosten – nie in die Tat umgesetzt wurde. Doch ein Jahr später übereignete Emanuel Goldbach der Kultusgemeinde sein Anwesen (Hausnummer 402; heute: Hauptstraße 24, Ecke Schustergasse), damit sie darin eine Synagoge eröffnen konnte. Das stattliche Fachwerkhaus lag nicht weit vom Standort der mittelalterlichen "Judenschul" entfernt. Der Betsaal befand sich an einer nicht näher bekannten Standort im Erdgeschoss des Hauses. In der Folgezeit feierte die jüdische Gemeinde Karlstadt nun hier ihre Gottesdienste. Als wegen der Abwanderung in die größeren Städte in Karlstadt kein Minjan mehr zustande kam, schloss man sich ab Mai 1938 wieder der Laudenbacher Kultusgemeinde an.
Beim Novemberpogrom 1938 drangen SA-Leute in den Betsaal ein, plünderten Wertgegenstände und zertrümmerten das gesamte Inventar. Die Ausstattung der Synagoge wurde zusammen mit den drei, im Besitz der jüdischen Gemeinde Karstadt befindlichen Torarollen und anderen Ritualien am 10. November 1938 auf dem Marktplatz öffentlich verbrannt. Wenige Wochen später ging das Haus zu einem Spottpreis in den Besitz der Stadtgemeinde über. Ab 1940 diente es als Unterrichtsstätte für die Berufsschule. Das ehemalige Synagogengebäude (Hauptstr. 24) überstand, teilweise beschädigt, die Kriegszeit und hat sich bis heute als Wohn- und Geschäftshaus erhalten. An der Fassade wurde nach dem Zweiten Weltkrieg eine Gedenktafel angebracht, die an den einstigen, hier befindlichen jüdischen Betsaal erinnert.
(Christine Riedl-Valder)
Bilder
Adresse / Wegbeschreibung
Hauptstraße 24, 97753 Karlstadt
Literatur
- Hans Schlumberger / Cornelia Berger-Dittscheid: Karlstadt mit Karlburg. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade. Lindenberg im Allgäu 2015, S. 225-233.