Jüdisches Leben
in Bayern

Karbach Synagoge

Seit dem 18. Jahrhundert verfügte die jüdische Gemeinde Karbach über die nötige Anzahl an religionsmündigen Männer zur Abhaltung gemeinsamer Gottesdienste. Deshalb gab es damals sicher in einem der jüdischen Häuser im Dorf einen Betsaal. Laut einer Pfarrbeschreibung des Pfarrers Adam Heuler aus dem Jahr 1898 lebte ein "Judenschulmeister" um 1740 in dem Haus mit der Nummer 172 (heute gegenüber Marktplatz 3). Die Adresse der Schulmeister änderte sich jedoch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder. Aus jener Zeit existieren auch keine Quellen zum Standort einer Synagoge oder eines Betsaales.

Ab 1817 führte die jüdische Gemeinde Karbach einen Synagogenfonds, um finanzielle Mittel für den Bau eines jüdischen Gotteshauses zu sammeln. Um 1822 konnte die Judenschaft dann den ehemaligen Freihof der Herren von Sickingen (Haus-Nr. 181, später: Marktplatz 1) für 1.000 Gulden erwerben und zu einem Gemeindehaus mit Synagoge, Schule und Lehrerwohnung umbauen. Die Beträume für Männer und Frauen befanden sich im ersten Obergeschoss. Im Erdgeschoss war Platz für einen großen Unterrichtsraum und "Geräthschaften zum Todtenbegraben". Aus dem Jahr 1829 sind Dokumente vorhanden, die die Mitbenutzung der Karbacher Synagoge durch die Israeliten aus dem benachbarten Bergrothenfels nachweisen und regeln. 1843 ordnete das Bezirksamt Marktheidenfeld die dringend notwendige Sanierung des Gebäudes an. Die finanzschwache Kultusgemeinde plante zu diesem Zeitpunkt eigentlich einen Umbau und eine Vergrößerung ihrer Synagoge, musste aber dafür erst einmal eine überörtliche Kollekte durchführen. Das eingesammelte Geld reichte nur für die notwendigsten Reparaturen und die Anschaffung eines neuen Toraschreins, der am 21. Mai 1847 eingeweiht wurde. Im Jahr 1902/03 gelang jedoch der ersehnte Umbau des Gebäudes zu einer repräsentativen Synagoge im Rundbogenstil. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Decke und die Wände des Betsaales mit Schablonenmalerei verziert. Die großen Feierlichkeiten zur Einweihung fanden am 3. und 5. September 1903 statt.

Während des Novemberpogroms 1938 wurde die Synagoge von SA-Leuten aufgebrochen und das Innere völlig zerstört. Alle Gebetbücher, liturgische Gerätschaften und Kleidungsstücke, die kostbar geschmückten Torarollen und weitere Ritualien wurden dabei gestohlen oder vernichtet. Kultusvorsteher Julius Guttmann stellte drei Monate nach der Terrornacht beim Bezirksamt den Antrag um Genehmigung jüdischer Gottesdienste in seinem Privathaus, was ihm aber verboten wurde. Der äußerlich intakte Synagogenbau fiel 1939 an die Bayerische Bauernsiedlung München, später an das Finanzamt Lengfurt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man den einstigen Betsaal der Synagoge als Lagerraum und die übrigen Räume als Wohnungen genutzt. 1951 erwarb die Gemeinde das Gebäude von der JRSO und baute es zum Rathaus um. Dabei wurde der einstige Betsaal durch eine Zwischendecke in zwei Geschosse unterteilt. 2010/12 stieß man hier bei einer Renovierung auf Reste der Schablonenmalerei aus den Jahren 1902/03. Eine Gedenktafel an der Westseite des Gebäudes erinnert seit 2002 an seine Geschichte.

 

(Christine Riedl-Valder)

Bilder

Adresse / Wegbeschreibung

Marktplatz 1, 97842 Karbach

Literatur

  • Hans Schlumberger / Cornelia Berger-Dittscheid: Karbach. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade. Lindenberg im Allgäu 2015, S. 207-224.