Eine erste Synagoge ist in Ichenhausen im Jahr 1687 erwähnt. Sie war aufgrund der stark gestiegenen Anzahl von Gemeindemitgliedern aber schon bald zu klein geworden. Ab 1730 nutzte man daher einen zusätzlichen Betsaal in der Ostergasse. 1762 kaufte die Kultusgemeinde den an die Synagoge angrenzenden Garten und ließ 1781 auf dem vergrößerten Grundstück (neu: Vordere Ostergasse 22) einen repräsentativen, geräumigen Sakralbau mit südwestlich angebautem Rabbinerhaus errichten. Das Portal der alten Synagoge wurde dabei übernommen.
Das Innere des Neubaus hatte einen prachtvolle Stuck und reiche ornamentaler Dekoration im frühklassizistischen Stil, die Ausstattung war aufwendig und hochwertig. Eine Restaurierung der Synagoge und Umgestaltung des Betraums fiel 1852/53 und noch einmal 1896 an. Im Novemberpogrom (9./.10.11.1938) entwendeten Nationalsozialisten wertvolle Teile der Inneneinrichtung und zerstörten den Rest vollständig. Das Abbrennen des Gebäudes unterblieb nur wegen der Gefahr für die umliegenden Wohnhäuser verhindert. Am nächsten Tag wurden die Jüdinnen und Juden gezwungen, die zertrümmerte Ausstattung auf Lastwagen zu verladen. Danach wurde der Sakralbau von den Machthabern beschlagnahmt. Erst ab März 1939 erlaubte die Kreisverwaltung wieder jüdische Gottesdienstfeiern, die im Schulsaal der Kultusgemeinde stattfanden. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die ehemalige Synagoge als Lagerraum benutzt.
Nach Kriegsende fiel das Gebäude in den Besitz der Jewish Restitution Successor Organization, die es 1953 an die Stadt verkaufte. Danach hat man es zum Feuerwehrgerätehaus umgebaut und zu diesem Zweck zwei Tore in die Ostseite eingefügt, eine Zwischendecke eingezogen und einen Schlauchturm errichtet. 1980 erfolgte die Gründung des Vereins „Aktionskreis Synagoge Ichenhausen“, der sich die kulturelle Nutzung des ehemaligen Gotteshauses zum Ziel setzte. Die Stadt übereignete dem Verein das Haus 1984. Zwischen 1985 und 1987 wurde eine gründliche Restaurierung der Anlage durchgeführt. Dabei hat man auch die nachträglichen Veränderungen und Einbauten wieder entfernt. 1987 konnte die einstige Ichenhausener Synagoge als „Haus der Begegnung“ wiedereröffnet werden.
Vier Jahre später installierte das Haus der Bayerischen Geschichte in Zusammenarbeit mit der Stiftung "Ehemalige Synagoge Ichenhausen" hier und im benachbarten ehemaligen Rabbinerhaus die Dauerausstellung "Juden auf dem Lande. Beispiel Ichenhausen". Auf dem Vorplatz der Anlage erinnert eine Gedenktafel an die jüdischen Mitbürger aus der Stadt, die in der NS-Zeit ermordet wurden.
(Christine Riedl-Valder)
Bilder
Adresse / Wegbeschreibung
Vordere Ostergasse 22, 89335 Ichenhausen
Literatur
- Benigna Schönhagen (Hg.): "Ma tovu ... Wie schön sind deine Zelte, Jakob ...". Synagogen in Schwaben. München 2014, S. 61-66.
- Angela Hager / Frank Purrmann: Ichenhausen. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Frank Purrmann. Lindenberg im Allgäu 2007, S. 478-487.
- Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 2. Fürth 1998, S. 302-316.
- Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.): Juden auf dem Lande, Beispiel Ichenhausen. Katalog zur Ausstellung in der ehemaligen Synagoge Ichenhausen - Haus der Begegnung, 9. Juli bis 29. September 1991. München 1991 (= Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 22).
Weiterführende Links
- Synagoge Ichenhausen (Alemannia Judaica)
- Ehemalige Synagoge Ichenhausen - Haus der Begegnung (Museumsportal Bayern)
- Jüdische Synagoge Ichenhausen (Wikipedia)
- Archivalien zur Geschichte der Synagogen und Gemeinden in Bayerisch Schwaben (Jüdisches Museum Augsburg Schwaben)
- Ehemalige Synagoge Ichenhausen (Bayerischer Denkmal-Atlas)