Jüdisches Leben
in Bayern

Heidingsfeld (Würzburg) Synagoge

In Heidingsfeld gab es bereits im Mittelalter eine Synagoge, die jedoch erst 1490 als "Judenschule" in der "Judengasse" (Oberstadt) in den Quellen erscheint. Weder ist bekannt, welche Straße die damalige Judengasse war (möglicherweise die Zindelgasse), noch der genaue Standort oder die Ausstattung des Gotteshauses. Im selben Jahr ließ sich die Stadt ihr Recht auf das Judenregal bestätigen. Damals lebten mindestens 17 jüdische Familien im Ort, die allein von ihrer Anzahl her schon den Minjan erfüllen konnten. 1570 wird in den Ratsprotokollen eine weitere Synagoge genannt. Sie befand sich vermutlich auf dem Grundstück des heutigen Anwesens Berggasse 4/6 in der Nähe der Pfarrkirche.

Im Jahr 1695 bat die Kultusgemeinde Fürstbischof Johann Gottfried von Guttenberg (reg. 1684-1698) um Erlaubnis, eine im Süden der Stadt gelegene alte Burg, die auf einer Anhöhe (dem Dürrenberg) lag, drei Anwesen umfasste und ein Lehen des Würzburger Hochstifts war, für den Bau einer neuen, größeren Synagoge zu erwerben. Der Fürstbischof überließ diese Entscheidung dem Stadtrat. Dieser stimmte dem Vorhaben gern zu, da es ihm eine Anliegen war, die Synagoge aus dem Umfeld der Pfarrkirche zu verbannen. Nach dem 1698 erfolgten Kauf wurde Moyses Grumbach, Sohn des Samuel, vom Fürstbischof zum Lehensträger des Grundstücks bestimmt. 1698/99 entstanden hier unter Verwendung des alten Gemäuers die neue Synagoge und zwei Gemeindehäuser. Später wurde auch noch der Platz vor der Synagoge erworben und eine zwei Meter hohe Mauer um das jüdische Gemeindezentrum errichtet. In einem kleinen Nebengebäude befand sich das Ritualbad, das sein Wasser vom vorbeiführenden Mühlbach erhielt. Über das Aussehen und die Ausstattung der Gebäude gibt es nur spärliche Informationen. Die Synagoge wurde von den Juden des Domkapitels und des Hochstifts gemeinsam besucht. Das "Privatschulhalten" war bei Strafe verboten.

Nach der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Sakralbau zunehmend baufällig und war zu klein für die steigende Zahl der Gemeindeglieder geworden. Der Mühlbach überflutete bei Hochwasser stets das Erdgeschoss der Synagoge und hatte im Laufe der Jahre so große Schäden angerichtet, dass es 1778 zur Schließung des Gebäudes kam und die Gottesdienste auf Anordnung des Oberrabbiners Arje Löb nun in Privathäusern durchgeführt wurden. Nach der Genehmigung des Bauvorhabens durch Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim (Amtszeit 1755-1779) wurde noch im selben Jahr die alte Synagoge abgerissen und der Synagogen-Neubau begonnen. Er entstand nach Plänen von Johann Michael Fischer (1720-1788), einen Schüler Balthasar Neumanns und Hofarchitekten des Würzburger Fürstbischofs. Das monumentale Gebäude im mainfränkischer Spätbarockstil erregte aufgrund seiner geplanten Größe und prächtigen Architektur schon im Entwurf das Missfallen des Stadtpfarrers und weiter Kreise der Stadtbevölkerung. Es führte zu jahrelangen Repressalien, zuletzt auch tätlichen Angriffen gegen die Heidingsfelder Judenschaft. Zur feierlichen Einweihung kam es erst am 5. Mai 1780. Das nun fertig erstellte Bauensemble umfasste den Neubau des jüdischen Gotteshauses (Plan-Nr. 194, heute Dürrenberg 8), das angrenzende Rabbiner- bzw. Schulhaus mit neuem Versammlungsraum für die Gemeinde und einem neuen angebauten Ritualbad (Plan-Nr. 195) und dem Vorsängerhaus (Plan-Nr. 196), das im 18. Jahrhundert auch noch als Judenhospital diente. Die neue Synagoge von Heidingsfeld war trotz der erzwungenen Reduzierungen eine der imposantesten jüdischen Kultbauten der damaligen Zeit.

1929 veranlasste die Kultusgemeinde eine umfassende Renovierung ihrer Synagoge und ließ sie mit elektrischem Licht und einer Heizung ausstatten. Aufgrund der stark reduzierten Mitgliederzahl musste die jüdischen Gemeinde Heidingsfeld im Oktober 1937 aufgelöst werden. Die in der Stadt noch lebenden acht jüdischen Familien (42 Personen) gehörten nun der Kultusgemeinde Würzburg an. Bis zur Zerstörung ihrer Synagoge am 10. November 1938 feierten sie jedoch weiterhin die Gottesdienste in ihrem Gemeindezentrum auf dem Dürrenberg.

In der Reichspogromnacht 1938 wurde die Synagoge in Brand gesetzt. Augenzeugen berichteten, dass die gewaltige Feuersäule des jüdischen Sakralbaus bis nach Würzburg zu sehen war. Die gesamte Innenausstattung, sowie alle wertvollen Ritualien und Kunstgegenstände wurden zerstört, darunter gold- und silberbestickte Toraschrein-Vorhänge aus der Zeit um 1700, Toramäntel, Kupferleuchter aus dem 17. Jahrhundert und zwei kunstvoll gearbeitete Schabbat-Leuchter. Hunderte Schaulustige drängten sich am nächsten Morgen auf dem Dürrenberg, um die Verwüstung mit eigenen Augen zu sehen. Die JRSO schätzte nach dem Zweiten Weltkrieg den damals entstandenen materiellen Schaden auf mehr als eine halbe Million Reichsmark; der ideelle Verlust war unermesslich. Die Umfassungsmauern der zerstörten Synagoge standen zum Teil noch bis nach Kriegsende. Das benachbarte Fachwerkhaus der jüdischen Schule sowie die barocke Umfassungsmauer des gesamten Areals blieben gleichfalls bis nach 1945 erhalten.

Im Jahr 1954 war das gesamte ehemalige jüdische Gemeindezentrum im Besitz der Gemeinnützigen Wiederaufbaugenossenschaft Würzburg-Heidingsfeld und wurde bis 1956 vollständig abgerissen. Ein aufmerksamer Zeitgenossen stieß damals auf den im Schutt liegenden Chuppastein der Synagoge. Das Relikt ist heute im Museum Shalom Europa, dem Begegnungszentrum der IKG Würzburg und Unterfranken ausgestellt. An Stelle der ehemaligen Synagoge entstand bis 1957 ein zweigeschossiger Wohnblock. 1986 hat man auf dem davor befindlichen Platz (Ecke Dürrenberg/Zindelgasse) eine Gedenksäule des fränkischen Bildhauers Julian Walter (1935-2018) enthüllt. Die Inschrift erinnert an die Leiden der einstigen jüdischen Mitbürger von Heidingsfeld und an die Zerstörung ihrer Synagoge.

 

(Christine Riedl-Valder)

Literatur

  • Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (Hg.) / Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.): Mehr als Steine. Synagogen in Unterfranken. Eine Ausstellung des Staatsarchivs Würzburg in Kooperation mit dem Team des Synagogen-Gedenkbands Bayern und dem Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. München 2021 (= Staatliche Archive Bayerns - Kleine Ausstellungen 68), S. 28-31, 59f.
  • Jüdisches Museum München / Museum für Franken in Würzburg (Hg.): "Sieben Kisten mit jüdischem Material", Von Raub und Wiederentdeckung 1938 bis heute, Berlin/Leipzig 2018, S. 174 f., Nr. 30.
  • Cornelia Berger-Dittscheid: Heidingsfeld. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade. Lindenberg im Allgäu 2015, S. 681-717.
  • Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 2. Fürth 1998, S. 261-284.