Ab 1744 verlangte die örtliche Verwaltungsgemeinde von den Juden neben den üblichen Abgaben auch ein "Synagog gelt" in Höhe von 4 Gulden pro Familie. Es ist jedoch nicht bekannt, seit wann es im Gut Fechenbach/Reistenhausen einen jüdischen Betraum gab und wo er sich befand. 1781 ist erneut eine Synagoge verzeichnet, jedoch wiederum ohne weitere Hinweise. Um 1810 erwarb die jüdische Gemeinde von Seligmann Behr das Grundstück Hausnummer 97 (heute Kleine Gasse 10) und errichtete darauf bis 1811 ihr neues Gemeindehaus mit Synagoge, Ritualbad, Schulzimmer und Lehrerwohnung. Das Gebäude, das sich bis heute erhalten hat, liegt in der Nähe des Schlosses am Fechenbach (früher auch Mühlbach genannt).
Auf rechteckigem Grundriss umfasst es im Westen das aus Lehmfachwerk errichtete zweigeschossige Schul- und Wohnhaus und im Osten einem aus massiven Mainsandstein gemauerten Betsaal, der ein kleines Okulusfenster im Osten und (ursprünglich zwei) hohe Rundfenster im Süden hat. Die Männersynagoge verfügte über 28 Betstühle. Laut einem Bestuhlungsplan aus dem Jahr 1853 waren sie entlang der Wände um den im Zentrum stehenden achtseitigen Almemor platziert. Die Frauenabteilung bot zwölf Plätze. In der Folgezeit kam es öfters zu Verstößen gegen die Synagogenordnung und zu Streitigkeiten zwischen dem Synagogenvorsteher und einzelnen Mitgliedern der Kultusgemeinde, so dass der zuständige Rabbiner immer wieder einschreiten musste. 1866 galt die Synagoge als "sehr baufällig", denn ein Wolkenbruch im Jahr 1862 hatte große Schäden verursacht. Die Kosten für die umfassende Reparatur konnte die Kultusgemeinde nur aufbringen, weil die Regierung 1868 dafür eine bayernweite Kollekte genehmigte. Die in ihrem Mitgliederbestand erheblich reduzierte Kultusgemeinde brachte in den 1920er Jahren Jahren keinen Minjan mehr zustande. Seit dieser Zeit besuchten die Fechenbacher Gemeindemitglieder zum Gottesdienst die Synagoge in Miltenberg. Weil die Ritualien jedoch vor Ort blieben, dürfte der Fechenbacher Betsaal wohl auch noch gelegentlich benutzt worden sein.
In der Nacht des 10. November 1938 brachen Mitglieder der NSDAP die Synagogentür auf, zerstörten die Fenster, demolierten Fußboden und Wände und vernichteten die gesamte Inneneinrichtung. Am 10. Mai 1939 war der letzte Gemeindevorstand gezwungen, das Synagogen- und Schulhaus zu verkaufen. Die einstige Synagoge wurde 1941 zu einem Atelier umgebaut. Das ehemalige Schulhaus hat der neue Eigentümer lediglich renoviert und dann für Wohnzwecke genutzt. Der Besitzer der früheren Synagoge leistete Ausgleichszahlungen an die JRSO. Heute wird der noch gut erhaltene, einstige Sakralbau aus dem frühen 19. Jahrhundert als Wohnhaus genutzt. Das östliche Misrachfenster und das über zwei Stockwerke reichende Rundbogenfenster auf der Südseite erinnern noch an die einstige Funktion dieses Gebäudeteils als jüdischer Betraum.
(Christine Riedl-Valder)
Adresse / Wegbeschreibung
Kleine Gasse 10, 97903 Collenberg
Literatur
- Axel Töllner / Cornelia Berger-Dittscheid: Fechenbach/Reistenhausen. I: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade. Lindenberg im Allgäu 2015, S. 395-403.