Erstmals wird 1267/68 im Nekrolog des Stifts St. Peter und Alexander eine jüdische "Schule" genannt, die sich in einem ihrer verpachteten Häuser an der damaligen Hauptstraße befand (heute Dalbergstraße, Ecke Rathausgasse). Zwischen 1344 und 1437 wird dieses jüdische Gotteshaus mehrmals erwähnt, auf das zumindest in Teilen auch das heutige Anwesen noch zurückgeht. 1429 kam es im ganzen Kurfürstentum Mainz zu antijüdischen Ausschreitungen, bei denen wohl auch die Aschaffenburger Synagoge beschädigt wurde. 1459 war es schon völlig verfallen; trotzdem mussten dafür noch Steuern bezahlt werden. 1464 entstand auf dem Grundstück eine christliche Sattlerei, dennoch hielt sich jahrhundertelang die Bezeichnung "Zur Judenschul".
Nachdem sich im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts wieder rund hundert jüdische Personen in der Stadt angesiedelt hatten, genehmigte das Aschaffenburger Vizedomamt 1698 die Errichtung eines religiösen Zentrums. Ein Jahr zuvor hatte die Kultusgemeinde das unterkellerte Anwesen Haus-Nr. 89 (Treibgasse 18) erworben, das dann über L-förmigem Grundriss zu einem Baukomplex mit Männer- und Frauensynagoge, Schulzimmer, Gemeindestube und Wohnung für den Vorsänger ausgebaut wurde. Den wandelnden Bedürfnissen entsprechend, wurde dieses Gemeindezentrum in den folgenden zwei Jahrhunderten mehrfach erweitert und erneuert. Einen Einblick in die liturgischen Gepflogenheiten der Aschaffenburger Juden im 18. Jahrhundert vermittelte das Vereinsbuch der 1736 gegründeten "Chevra Mismore Tehillim" (Psalmengesellschaft), das bis 1782 geführt wurde. Diese Chronik wurde beim Novemberpogrom 1938 vernichtet, zuvor jedoch von Salomon Bamberg in seinen "Historischen Berichten über die Juden der Stadt und des ehemaligen Fürstentums Aschaffenburg" (Straßburg 1900) ausgewertet.
1835 galt der Synagogenbau als ruinös und einsturzgefährdet. Aus finanziellen Gründen konnten zu diesem Zeitpunkt jedoch nur die nötigsten Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden. Unter dem damals amtierenden Rabbiner Gabriel Leo Neuburger wurden eine Reihe liturgischer Neuerungen im Sinne des Reformjudentums angeregt. Eine umfassende Instandsetzung und Neueinrichtung der Synagoge hat man 1839/40 mit Hilfe einer Kollekte bei den jüdischen Gemeinden Bayerns wie auch durch größere Spenden realisiert. Gegen Ende des 19. Jh. war die Synagoge für die ständig wachsende jüdische Gemeinde endgültig zu klein geworden. Nach dem Kauf der Grundstücke Entengasse 9 und 11 in den Jahren 1888/1892 wurde ab 1890 die neue Synagoge (Entengasse 11a; heute: Wolfsthalplatz) erbaut. Es entstand ein sehr repräsentativer, moscheenartiger Zentralbau mit Tambourkuppel, dessen Eingangsbereich von zwei überkuppelten Türmen flankiert war. Das Äußere prägte eine auffällige weiß-rot gestreifte Sandsteinverkleidung. Im Innern trugen zehn Säulen die an drei Raumseiten umlaufende Emporen. Am 1. September 1893 erließ der Kultusvorstand eine neue Synagogenordnung. Die feierliche Eröffnung der neuen Synagoge wurde am 29. September 1893 gefeiert.
Während des Novemberpogroms 1938 legten SA-Leute Feuer an das imposante Bauwerk, so dass es bis auf die Grundmauern niederbrannte. Anschließend ließ der Stadtrat die Ruine abtragen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ordnete die amerikanische Militärverwaltung an, dass auf diesem Grundstück eine Gedenkstätte entstehen sollte, die an die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Aschaffenburg durch das NS-Regime erinnerte. Daraufhin wurde hier ein Gedenkstein mit einem Zitat von Friedrich Hölderlin aufgestellt („Ach, töten könnt ihr. Aber nicht lebendig machen, wenn es die Liebe nicht tut“.). Nach einer Umgestaltung hat man 1992 das Brunnen-Kunstwerk „Zeitwagen“ von Rainer Stoltz hinzugefügt. Benannt wurde der Platz nach dem Bankier Otto Wolfsthal, der einst als Vorstand der Kultusgemeinde wirkte und dem die Stadt Aschaffenburg ihr erstes Röntgengerät und viele weitere wohltätige Stiftungen zu verdanken hat. Wolfsthal hatte sich kurz vor seiner Deportation nach Theresienstadt zusammen mit seiner Frau und einigen Freunden zum kollektiven Selbstmord entschlossen.
(Christine Riedl-Valder)
Bilder
Adresse / Wegbeschreibung
Treibgasse 20 (Rabbinerhaus und Mahnmal), 63739 Aschaffenburg
Literatur
- Axel Töllner / Cornelia Berger-Dittscheid: Aschaffenburg. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade, Lindenberg im Allgäu 2015, S. 9-54.
- Simon Bamberger: Festpredigt zur Feier der Einweihung der neuen Synagoge zu Aschaffenburg: am 5. Tage des Sukkothfestes 5654 / 29. September 1893. Aschaffenburg 1893.
- Gabriel Neuburger: Trauer-Rede wegen des Ablebens Ihrer Majestät der höchstseligen Königin-Wittwe Karoline von Bayern. Gehalten am 25. November 1841 in der Synagoge zu Aschaffenburg. Aschaffenburg 1841.