Jüdisches Leben
in Bayern

1941: Zwangskennzeichnung der Juden

Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden vom 1. September 1941. In: Deutsches Reichsgesetzblatt, Jg. 1941, Teil I Nr. 100 (5. September), S. 547. Österreichische Nationalbibliothek - ALEX Historische Rechts- und Gesetzestexte Online, Deutsches Reichsgesetzblatt Teil I 1867-1945.


Vorbemerkung

Auf die Initiative von Propagandaminister Joseph Goebbels (1897-1945) wurde am 19. September 1941 ein neues diskriminierendes Zwangsabzeichen für Jüdinnen und Juden eingeführt. Die Gestaltung orientierte sich ganz bewusst an der deutschen Geschichte und lehnte sich an mittelalterliche Vorbilder an. Es bestand aus gelben Stoff in Form eines Sechssterns (Magen David), mit dem zentral eingefügten Wort "Jude" in pseudo-hebräischen Schriftzeichen. Der Judenstern, umgangssprachlich auch der "Gelbe Stern" war sichtbar auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks fest aufgenäht zu tragen.

Zuvor waren ähnliche Zwangskennzeichen für Juden bereits in den von Deutschland okkupierten Ländern eingeführt worden, so bereits ab Ende Oktober 1939 im besetzten Polen (gelber Winkel bzw. Stern, Armbinde mit blauem Davidstern auf weißem Untergrund). In den besetzten Gebieten wich die Ausführung und Trageweise des Judensterns ab; so konnte der Aufdruck der Landessprache angepasst sein oder auch ganz fehlen.

Die Schülerin Elisabeth Block aus Rosenheim schrieb in ihr Tagebuch: "Es ist uns Juden seit 19. September verboten, ohne Erlaubnis außerhalb unseres Polizeigebietes zu gehen und außerdem müssen wir jetzt alle einen riesigen gelben Davidstern, mit Jude in der Mitte, angenäht in der Öffentlichkeit tragen, was allerhand Schwierigkeiten mit sich bringt, sowohl beim Einkaufen in den Geschäften, wie auch sonst, und besonders auch für Papa. Man kann sich denken, dass die Stimmung ziemlich schlecht ist ob solch einer Gehässigkeit und Boshaftigkeit, denn weiter ist es doch nichts, als pure Boshaft".

Mit der Befreiung der Konzentrationslager und dem endgültigen Sturz der NS-Diktatur wurden die antisemitischen Kennzeichen durch das "Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht" vom 20. September 1945 abgeschafft. Die Bildsprache der Nationalsozialisten hat durch ihre mediale Rezeption weltweit bleibende Spuren hinterlassen. Ein Magen David auf der Kleidung oder einer Kopfbedeckung wird bis heute von Antisemiten verwendet, um jüdische Personen in beleidigenden Karikaturen oder Kunstwerken augenscheinlich zu kennzeichnen.

Quellentext

Auf Grund der Verordnung über die Polizeiverordnungen der Reichsminister vom 14. November 1938 (Reichsgesetzbl I S. 1582) und der Verordnung über das Rechtsetzungsrecht im Protektorat Böhmen und Mähren vom 7. Juni 1939 (Reichsgesetzbl. I S. 1039) wird im Einvernehmen mit dem Reichsprotektor für Böhmen und Mähren verordnet:

§ 1 (1) Juden (§ 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 11. November 1935 – Reichsgesetzbl. I S. 1333), die das sechste Lebensjahr vollendet haben, ist es verboten, sich ohne Judenstern in der Öffentlichkeit zu zeigen.

(2) Der Judenstern besteht aus einem handtellergroßen, schwarz ausgezogenen Sechsstern aus gelbem Stoff mit der schwarzen Aufschrift "Jude". Er ist sichtbar au der linken Brustseite des Kleidungsstücks fest aufgenäht zu tragen.

§ 2 Juden ist es verboten,

a) den Bereich ihrer Wohngemeinde zu verlassen, ohne eine schriftliche Erlaubnis der Ortspolizeibehörde bei sich zu führen;

b) Orden, Ehrenzeichen und sonstige Abzeichen zu tragen.

§ 3 Die §§ 1 und 2 finden keine Anwendung

a) auf den in einer Mischehe lebenden jüdischen Ehegatten, sofern Abkömmlinge aus der Ehe vorhanden sind und diese nicht als Juden gelten, und zwar auch dann, wenn die Ehe nicht mehr besteht oder der einzige Sohn im gegenwärtigen kriege gefallen ist;

b) auf die jüdische Ehefrau bei kinderloser Mischehe während der Dauer der Ehe.

§ 4 (1) Wer dem verbot der §§ 1 und 2 vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 150 RM oder mit Haft bis zu 6 Wochen bestraft.

(2) Weitergehende polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen sowie Strafvorschriften, nach denen eine höhere Strafe verwirkt ist, bleiben unberührt.

§ 5 Die Polizeiverordnung gilt auch im Protektorat Böhmen und Mähren mit der Maßgabe, daß der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren die Vorschrift des § 2 Buchst. a den örtlichen Verhältnissen im Protektorat Böhmen und Mähren anpassen kann.

§ 6 Die Polizeiverordnung tritt 14 Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.

Der Reichsminister des Inneren [Wilhelm Frick]

Im Auftrag

[Reichsprotektor Reinhard] Heydrich

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(Vorbemerkung und Transkription von Patrick Charell)