Jüdisches Leben
in Bayern

1825: Gebet für König Ludwig I. von Bayern

Gebeth für den König und das königliche Haus. (Littera A). In: Administration des Israelitischen Cultus (Hg.): Statuten für die innere Ordnung der Synagoge in München. Durch Regierungs-Rescript vom 12. Juni 1825 genehmigt. München (Hofdruckerei Lindauer) 1826, S. 31f. Stadtarchiv München, Ver-Bibl-31999.


Vorbemerkung

Schon der Prophet Jeremiah richtete sich an die Israeliten in Babylon mit den Worten: "Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Ewigen; denn wenn es ihr gut geht, so geht es auch euch gut" (Jer 29,7). Die Mischna besagt zudem, dass ein Mensch den anderen lebendig verschlingt, wenn es keine weltliche Autorität gäbe. Nicht nur in der Babylonischen Gefangenschaft waren Juden die Objekte königlicher Willkür: Auch in Europa blieben sie bis zu ihrer rechtlichen Emanzipation im Fahrwasser der Französischen Revolution auf die Gnade ihrer Schutzherren angewiesen.

Wohl im 15. Jahrhundert entstand das Standardgebet für den Landesherrscher (hebr. ha-Noten Teschua, dt. "Der den Königen Heil verleiht"). Aschkenasische Juden beteten es bis in das 20. Jahrhundert vor der Morgenandacht: Gotte sollte den Landesherrn schützen, seine Feinde vernichten und dafür sorgen, dass er es gut mit den Juden meint. Heutzutage wird in Deutschland anstelle des Noten Teschua ein Gebet für den Staat Israel gelesen.

Die Israelitische Kultusgemeinde München veröffentlichte im Jahr 1826 ihre "Statuten für die inneren Ordnung in der Münchner Synagoge", die im gleichen Jahr feierlich eingeweiht wurde. Diese Synagogenordnung beinhaltet am Schluss das Segensgebet für den damals regierenden König Ludwig I. von Bayern (reg. 1825-1848), seine Gemahlin Therese von Sachsen-Hildburghausen (1792-1854), für die Wittelsbacher Dynastie und für alle Menschen im ganzen Königreich Bayern.

Quellentext

GEBET FÜR DEN KÖNIG UND DAS KÖNIGL. HAUS

Er, der den Königen Heil, und den Fürsten Regierung verleihet; Er, dessen Reich aller Welten Reich ist, der seinen Knecht David von der Bosheit Schwert rettete; der einen Weg durch's Weltmeer, durch mächtige Fluthen bahnt, segne, behüte und beschütze unsern allergnädigsten Landesherrn

LUDWIG, KÖNIG VON BAYERN,

Seine glorreiche Herrschaft hebe sich hoch empor! (Die Gemeinde) Amen!

König aller Könige! mit deiner großen Gnade schau von deinem heiligen Wohnsitze auf Ihn herab, erhalte und bewahre ihn vor jedem Uebel und Leiden: Möge er noch unzählige Jahre sein erhabenes Zepter führen, und in allen Unternehmungen glücklich seyn!

(Die Gemeinde) Amen!

Segne und beschütze der Frauen würdigste, unsere erhabene Landesmutter und Königin

THERESE CHARLOTTE LUISE!

(Die Gemeinde) Amen!

Die Fülle deiner hohen Güte ströme über unseren huldreichen Kronprinzen

MAXIMILIAN.

(Die Gemeinde) Amen!

Sende dein Heil dem ganzen erlauchten Königshaus, und setze es zum ewigen Segen ein.

(Die Gemeinde) Amen!

Allgütiger! durch deine Allbarmherzigkeit verbreite deinen himmlischen Schutz über alle Bewohner Bayerns. Friede und Gerechtigkeit blühe im Lande, und ewige Eintracht und Zufriedenheit beglücke alle Erdenbewohner. Möge auch Israel Gunst und Wohlwollen bei allen Völkern finden, und stets glücklich leben!

So sey dein heiliger Wille. Amen.

(Die Gemeinde) Amen!


(Vorbemerkung und Transkription von Patrick Charell)