Jüdisches Leben
in Bayern

Werneck Gemeinde

Die Anfänge der jüdischen Gemeinde Werneck reichen zurück bis in das 17. Jahrhundert, als 1677 erstmals die drei jüdischen Familien der Schutzjuden Simon, Abraham und Löw erwähnt werden. Im 17. und 18. Jahrhundert lebten durchschnittlich vier bis fünf jüdische Familien in Werneck. So werden 1699 die Familien des Joseph, Amsell, Jacob und Joseph genannt, zu denen ingesamt 26 Personen gehörten. 1725 umfasste die jüdische Gemeinde Werneck die fünf Familien des Joseph d.Ä. und Jacob d.J., Davids und Samuels, während 1731 vier, 1746 drei und 1763 vier Familien erwähnt werden. Auch in den heute zu Werneck gehörenden Ortsteilen Ettleben, Schraudenbach, Vasbühl und Zeuzleben lebten im 17. und 18. Jahrhundert jüdische Einzelpersonen und Familien. Erstmals nachweisbar ist in Schraudenbach 1677/1678 ein Moyses Judt, der sich laut Überlieferung zu diesem Zeitpunkt bereits lange dort aufgehalten haben soll und 1678 im Ort auch ein Haus. erwarb. Für diesen Zeitraum ist auch in Zeuzleben der Jude Sand(er) nachgewiesen.

Im Jahr 1699 werden in Ettleben Jud Jacob mit Familie und in Schraudenbach die Juden Isaac und Moyses erwähnt. Rund 30 Jahre später lebten 1725 mit ihren Familien in Schraudenbach die Juden Pfeufer und Löser und in Ettleben die Juden Jacob und Michael. Fast 40 Jahre später, im Jahr 1763, sind in Ettleben Moyses Aaron, in Schraudenbach Faust und Wolf Löser und in Vasbühl Jacob und Meyer nachweisbar.

1806 wohnten in Werneck sechs jüdische Familien im Ort, zu denen insgesamt 28 Personen gehörten. Aufstellungen aus den Jahren 1814 und 1817 zeigen, dass die Wernecker Juden hauptsächlich vom Handel mit Waren und Vieh lebten. So betrieben laut einer Analyse der jüdischen Familienregister Itzig Kleemann und die Brüder Isaak und Lazarus Viehhandel, während Löb Weglein, die Witwe von Moses Aron Weglein und Itzig Federlein dem Warenhandel nachgingen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der jüdischen Einwohner von Werneck: Während 1817 sieben jüdische Familien mit 29 Person im Ort lebten, stellten sie 1839 mit 39 Personen rund 10 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die IKG Werneck gehörte dem Distriktsrabbinat Niederwerrn bzw. später Schweinfurt an und begrub seine Verstorbenen auf dem Friedhof bei Schwanfeld. Im Jahr 1843 würdigte der Wernecker Landrichter Ihl das ehrenamtliche Engagement eines Wernecker Juden. Laut einem am 4. Mai 1843 verfassten und in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" publizierten Artikel hatte sich der Kaufmann Wolf Aron Kohn von 1839 bis 1842 um die 1839 gegründete "Distrikts-Sparkasse" besonders verdient gemacht, für die er als Vertreter des "Distrikts-Armen-Pflegschaftsrats" vier Jahre ehrenamtlich als Kassier gewirkt hatte. Für diese Tätigkeit sprach ihm der Landrichter im Namen der "Sparkasse-Anstalt" seine Anerkennung aus. Kohns Engagement für die jüdische Gemeinde zeigte sich 1845 in einer Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums", in der der Kaufmann einen Elementar- und Religionslehrer mit Kenntnissen der englischen und französischen Sprache für drei Wernecker "Knaben" suchte.

Zeitweise hatte die Gemeinde laut Alemannia Judaica einen Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schächter fungierte. Überregional bedeutsam war der unter anderem in Amsterdam bei den Rabbinern Jakob Ettlinger und Israel Hildesheimer ausgebildete Lehrer Elieser J. Roos, der 28 Jahre in Werneck tätig war. Als Gründer und Förderer des "Bayerischen Landeslehrervereins" erlangte er überregionale Bedeutung. In Werneck engagierte sich Roos für die jüdischen Bewohner der 1855 gegründeten, im ehemaligen Schloss untergebrachten "Heil- und Pflegeanstalt" und wies beispielsweise in einem 1877 erschienenen Artikel auf die Notwendigkeit der geistlichen Betreuung auch der jüdischen Patienten hin. Die Lösung des Problems sah er in der Errichtung eines jüdischen Krankenhauses in Würzburg. Ein am 31. Januar 1907 in der Zeitschrift "Der Israelit" erschienener Nachruf würdigte die Weisheit, Charaktergröße und Menschenliebe des Verstorbenen, der die letzten acht Jahre seines Lebens in Frankfurt am Main verbrachte. Auf internationale Geschäftsbeziehungen einzelner Wernecker Juden lässt eine 1872 in der Zeitschrift "Der Israelit" erschienene Anzeige schließen, in der die Wernecker Jüdin N. Friedenhain für den von ihr vertriebenen Wein aus dem Heiligen Land warb.

Im Jahr 1904 lebten in Werneck nur noch vier Juden, daher wurde die Kultusgemeinde aufgelöst. Die jüdischen Patienten der "Heil- und Pflegeanstalt Werneck" wurden 1915 wurden laut einem Artikel in der Zeitschrift „Der Israelit“ nach Lohr überführt. Die Kosten für die koschere Verpflegung der Patienten übernahm der am 20. Juni 1915 in Würzburg gegründete "Verein zur Ermöglichung der rituellen Verpflegung israelitischer Nerven- und Geisteskranker im Regierungsbezirke Unterfranken und Aschaffenburg". Laut Alemannia Judaica stammen folgende Personen, die der Shoah zum Opfer fielen, aus Werneck oder lebten dort längere Zeit: Johanna Heinemann geb. Adler, Fanny Kleemann, Gustav (Gdalja) Sim Kleemann, Max Kleemann, Simon Kleemann, Jenny Levi geb. Kleemann, Hermine (Nina) Maier geb. Kleemann, Jacob Roos, Sara Thalheimer geb. Kleemann, Jeanette Ullmann geb. Kleemann, Josef Weglein und Mina Wiesengrund geb. Kleemann.  


(Stefan W. Römmelt)

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Gerhard Gronauer / Hans-Christof Haas: Schweinfurt mit Obereuerheim und Werneck. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.2. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1554-1611.
  • Dirk Rosenstock (Bearb.): Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Würzburg 2008 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 13), S. 245.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 242.