Jüdisches Leben
in Bayern

Weisbach Gemeinde

Bereits im 18. Jahrhundert waren Jüdinnen und Juden in Weisbach ansässig. Dies legt die Bezeichnung einer im 20. Jahrhundert aufgeforsteten Wiese als "Juden-Kerfich", einem mundartlichen Ausdrucks für "Friedhof" nahe. Einen zweiter Beleg liefert ein am 24. Dezember 1765 für Samuel Moyses aus Weisbach im Namen des Würzburger Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim (reg. 1755-1779) ausgestellter Schutzbrief. Dort werden auch Samuels Frau, Kinder und Bedienstete genannt. In Weisbach geboren wurde 1781 der 1841 in Bibra verstorbene Ahron Weisbacher. Dies belegt der Sterbeeintrag, der erwähnt, dass der Verstorbene und auch seine Eltern aus Weisbach vor der Rhön stammten. 

1813 lebten 22 Jüdinnen und Juden in Weisbach. Vier Jahre später trugen sich drei jüdische Haushalte in die bayerische Judenmatrikel ein, die die neuen Familiennamen "Schloss", "Goldvogel" und "Lichtstern" trugen und sich vom Schmusen ernährten. Schloss und Goldvogel betrieben auch Viehhandel. Faktisch bildeten Weisbach und Oberelsbach während des 19. Jahrhunderts eine Kultusgemeinde. Dies betonte beispielsweise 1864 der Oberelsbacher Kultusvorsteher, und auch 20 Jahre später wurde in einem Dokument vom 4. August 1884 auf die vollzogene Fusion der beiden Gemeinden verwiesen. In offiziellen Statistiken wurden beide Gemeinden allerdings noch bis 1906 getrennt aufgeführt. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Neustädtles beigesetzt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schrumpfte die jüdische Gemeinde, da junge Weisbacher in größere Ortschaften verzogen, um dort ihren Lebensunterhalt leichter verdienen zu können. Laut der Überlieferung feierten die jüdischen Kinder in Weisbach Ende des 19. Jahrhunderts als jüdisches Fasching das Purimfest. 

Seit 1900 beteiligten sich die jüngeren Weisbacher Jüdinnen und Juden intensiver am kommunalen Kulturleben. Dennoch entstanden im Dorf abstruse antisemitische Gerüchte, wonach sterbenden Juden kurz vor Sabbatbeginn das Genick gebrochen worden sei, um den Feiertag nicht mit Totenriten entweihen zu müssen. Bis in das 20. Jahrhundert waren die drei alteingesessenen jüdischen Familien Schloss, Goldvogel und Lichtstern in Weisbach ansässig. Um 1900 gehörte die von Frieda und Salomon Lichtstern betriebenen koschere Metzgerei zu den bekannten Wirtschaftsbetrieben im Ort. Das Unternehmen war in einem im 19. Jahrhundert errichteten, zweigeschossigen Fachwerkbau mit farbig verputzten Kanten und einem Satteldach untergebracht. Während an der Straße der Aufenthalts- und Verkaufsraum und die "Gute Stube" lagen, waren an der Rückseite die Küche und der Schlachtraum untergebracht. Bemerkenswert war die Raumhöhe von rund drei Metern im Erdgeschoss, die im Dorf sonst wohl nur selten anzutreffen war. Das Ehepaar Lichtstern hatte drei Söhne – Max, Isidor und Albin – und die zwei Töchter Ida und Meta. 

Während Ida mit ihrem christlichen Mann, dem aus Hamburg stammenden Georg Keller, die Shoah in einem Keller überlebte, emigrierte ihre Bruder Max, der seit 1924 eine Metzgerei in Neustadt an der Saale geführt hatte, 1937 mit seiner Familie nach Argentinien. Albin, der Selma Sitzmann aus (Unter-)Riedenberg geheiratet hatte, zog dorthin und wirkte von 1930 bis 1937 als Vorsteher der jüdischen Gemeinde. Wie sein Bruder Max emigrierte auch Albin 1937. Er entschied sich allerdings nicht für Argentinien, sondern für die USA, wohin er 1940 auch seine Mutter Frieda und Isidors Familie nachholte. Damit endete das jüdische Leben in Weisbach.

Im Jahr 2001 besuchte Albins Sohn Herbert Weisbach und die Rhön, um seiner Frau die Heimat seiner Vorfahren zu zeigen. 


(Stefan W. Römmelt)

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Gerhard Gronauer / Cornelia Berger-Dittscheid: Oberelsbach mit Weisbach. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 819-838.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 237.