Jüdisches Leben
in Bayern

Weilheim i.OB Gemeinde

In dem um 1236 zur Stadt erhobenen Weilheim lebten Juden bereits im Mittelalter. Sie waren von der Verfolgung während der Pestzeit 1348/49 betroffen. Von dieser zahlenmäßig wohl kleinen Gemeinschaft haben sich keine weiteren Spuren hinterlassen. Seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts lebten etwa zwölf jüdische Familien in Weilheim, die in der Bürgerschaft völlig integriert waren. Weil sie zu wenige waren, um gemäß der staatlichen Vorgabe (min. 50 Personen) eine eigene Kultusgemeinde gründen zu können, gehörten sie dem Distriktsrabbinat München an. Bis 1905 waren die meisten wieder abgewandert, nurmehr zwei jüdische Familien lebten in Weilheim: Die Harburger und die Buxbaum. Im Jahr 1911 reiste Lehrer Eisfeld aus München an, um den drei jüdischen Kindern in der Stadt zwei Stunden in der Woche Religionsunterricht zu geben. Emil Buxbaum kämpfte im Ersten Weltkrieg und besaß ein Textilkaufhaus am Weilheimer Marienplatz Nr. 6. Zur Erinnerung wurde 2007 eine nahe gelegene Gasse in "Buxbaumgasse" umbenannt. Der 13-jährige Max Harburger rettete 1921 einen Mitschüler vor dem Ertrinken. Dafür sprach die Regierung von Oberbayern dem Jungen die öffentliche Anerkennung aus. Von den in Weilheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen starben sechs Angehörige der Familien Schmidt und Buxbaum in der Shoah. Auf dem städtischen Friedhof steht seit 2010 ein Gedenkstein, die Frage der Verlegung von Stolpersteinen des Künstlers Gunter Demnig (*1947) wird noch diskutiert.

Nach dem Zweiten Krieg richtete die US-Armee gemeinsam mit der UNRRA eine jüdische DP-Gemeinde in Weilheim ein, wobei sie Wohnraum von (zumeist politisch belasteten) Privatpersonen requirierte. Die Verwaltung der größtenteils durch ein Komitee eigenständig organisierten DP-Gemeinde befand sich im Gasthaus "Bräuwastl" (Schmiedgasse 15, heute entkernt und zu einem großen Fachgeschäft umgebaut). Im November 1945 lebten 150 DPs über das Stadtgebiet verteilt, bis September 1947 stieg die Zahl kontinuierlich auf 625 Personen. Aus Kapazitätsgründen entstand außerhalb der Stadt auf dem Gelände des Sägewerks Neidhart ein temporäres Lager. Später wurde daraus der Kibbuz "Iczak Steiger". Ein weiterer Trainings-Kibbuz namens "Hachschara", auf dem die zumeist urban aufgewachsenen DPs landwirtschaftliche Kenntnisse erlernten, lag an der Fischergasse 10.

Die Weilheimer DPs lebten ihr Judentum mehrheitlich im orthodoxen Sinne, zumindest lassen darauf eine koschere Gemeindeküche (wohl ebenfalls im "Bräuwastl" eingerichtet) und ein Cheder für die Knaben bis 13 Jahre schließen. Über einen Betraum oder gar eine Synagoge ist jedoch nichts bekannt, er lag jedoch wahrscheinlich auch im Gemeindezentrum an der Schmiedgasse. Eine Mikwe wurde in den Waschräumen des ehemaligen Städtischen Volksbads (daher der Rufname "Judenbad") eingebaut, ein koscheres Schächthaus in einem kleinen Nebengebäude des ehem. Gefängnis (beides Unterer Graben, heute abgegangen). Daneben gab es auch eine Volksschule und eine Berufsschule, in der sich die DPs auf das neue Leben in Übersee oder Palästina vorbereiteten. Der Sportverein "Bar Kochba Weilheim" bot körperliche Entspannung. Vor allem nach Gründung des Staates Israel im Mai 1948 schrumpfte die DP-Gemeinde durch die Auswanderung rapide zusammen und wurde im Laufe des Jahres 1951 aufgelöst.


Persönlicher Dank für die freundliche Unterstützung geht an Dr. Joachim Heberlein, Stadtarchiv Weilheim i.OB.

(Patrick Charell)

Bevölkerung 1910

Adresse / Wegbeschreibung

Schmiedstraße 15, 82362 Weilheim i.OB

Literatur

  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 333.
  • Erfassung aller DPs in in der Stadt Weilheim mit Adressen, 1945-1948. Stadtarchiv Weilheim, OA 382
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 41.
  • Deutsch-Israelischer Gemeindebund: Handbuch der jüdischen Gemeindeverwaltung und
    Wohlfahrtspflege 20. Jg. (1911), S. 135.
  • Deutsch-Israelischer Gemeindebund: Statistisches Jahrbuch des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes Jg. 16 (1903), S. 89.