Weickersgrüben unterstand der Herrschaft der adeligen Familie von Thüngen. 1750 wurde den in Weickersgrüben lebenden jüdischen Familien das aufgegebene Schloss überlassen, das seitdem im Volksmund als "Thüngensches Judenschloss" bezeichnet wurde. Das ehemalige Schloss ist in den Bayerischen Denkmal-Atlas aufgenommen. Aus örtlichen Überlieferungen ist bekannt (Mitteilung von Christian Fischer, Weickersgrüben), dass es wohl auch am Ort selbst einen jüdischen Friedhof gab: Denn ein Acker, in Richtung Ochsenthal gelegen, wurde noch lange Zeit als "Jüdekirfich" (Judenkirchhof, Judenfriedhof) bezeichnet. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden die Toten der Gemeinde auf dem jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen/Hammelburg bestattet.
Erst die Erstellung der Matrikellisten 1817 durch das Patrimonialgericht wirft ein Schlaglicht auf die jüdische Gemeinde Weickersgrüben. Als "Vorgänger" wird der 40jährige Isack Feist Tannenberg, vom Beruf Krämer und Schlachter, genannt. Tannenberg war verheiratet und hatte vier Kinder. Möglicherweise war sein Bruder der Kramhändler Joseph Feist Tannenberg (37 Jahre alt, verheiratet, vier Kinder). Insgesamt vergaben die Beamten in Weickersgrüben zehn Matrikelstellen. Die Familienoberhäupter waren meist im Vieh- oder Kramhandel tätig. Keine Matrikelstelle hatten der Buchbinder Israel Hirsch Holzmann (53 Jahre alt, verheiratet vier Kinder) und der Lehrer Simon Levi Ortmann (56 Jahre alt, verheiratet 5 Kinder) erhalten. Die 41 jüdischen Einwohner von Weickersgrüben macht 1813 etwas über 16 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts blieb diese Zahl (1832 58 und 1833 55 jüdische Einwohner) ziemlich konstant. Nachdem schon in der Matrikelaufstellung 1817 etwa 35 Kinder gezählt wurden ist auch die Existenz einer Schule und die Beschäftigung eines Lehrers wahrscheinlich. Bereits zur Jahrhundertmitte nach die Zahl der jüdischen Familien stark ab. 1854 war es noch sechs Haushalte, 1871 nurmehr vier jüdische Einwohner. Der Grund dafür war auch die verstärkte Auswanderung nach Amerika. So wanderte 1840 Michael Stein mit seiner Frau Hannah und den Kindern aus. Michael Stein (1787-1846) wurde als Mayer Steiner als Viehhändler auf der Matrikelliste genannt. Ihre Enkelin war die amerikanische Schriftstellerin, Verlegerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein (1876-1946).
Literatur
- Dirk Rosenstock (Bearb.): Die Unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Würzburg 2008 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 19), S. 129.
- Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 133-