Wann sich die ersten Juden in Straubing niederließen, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Nach der Raffelstetter Zollordnung um 904 waren jüdische Kaufleute entlang der Donau tätig. Man kann also nur spekulieren, ob sie auch in der präurbanen Siedlung des späteren Straubing wohnten. Denkbar ist auch das 12./13. Jahrhundert, denn die Gründungsphase der Wittelsbacher Herzogsstädte fällt oft mit der Ansiedelung von Juden in einem Ort zusammen.
Eine erste konkrete Spur finden sich 1307 im Straubinger Stadtprivileg Herzog Stephans (reg. 1290-1310): Die ansässigen Schutzjuden mussten zur Stadtbefestigung ebenso wie die Christen „zu derselben zeit leiden und [bei]tragen“. Aus dieser Zeit stammt ein bemerkenswertes Dokument über die Geldgeschäfte eines Juden existiert ein, das als das „älteste erhaltene Geschäftsschriftgut aus dem deutschen Raum“ gilt. Erst um 1980 wurde als Vorsatzblatt eines Codex in der Vatikanischen Bibliothek entdeckt. Der unbekannte Verfasser muss ein in Straubing lebender Jude gewesen sein. Das Schuldenregister von 1329 bis 1332 weist detailliert Kredite nach und nennt dazu aus der Region Straubing 108 Namen mit entsprechenden Angaben aus allen Schichten der Bevölkerung: Adelige, Bürger, viele Landbewohner, darunter drei Pfarrer.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts lebte in Straubing eine zahlenmäßig kleine jüdische Gemeinschaft, die sich der Kehillah in Regensburg angeschlossen hatte und deren Friedhof nutzte. Jedoch besaßen die Juden in Straubing offensichtlich einen eigenen Betraum und eine Mikwe, außerdem ein Schulzimmer für den Melamed, aber vermutlich keine Synagoge (der mehrmals in Urkunden auftauchende Begriff „Judenschul“ ist nicht eindeutig). Ihr Siedlungsschwerpunkt lag in der "Judengasse" am südlichen Rand der Altstadt nahe der Stadtmauer, die heute Rosengasse heißt.
Straubing wurde mehrfach von grausamen Pogromen erfasst: Von der Rintfleisch-Verfolgung 1298, der Armlederbewegung und den begleitenden Pogromen 1338, und noch einmal zehn Jahre später in den Pestjahren 1348/49. Die Verfolgungen des Jahres 1338 trafen die kleine Gemeinde besonders hart: Alle Häuser der jüdischen Familien wurden durch den Mob geplündert und in Brand gesteckt. Eine Urkunde des Herzogs Heinrich XIV. von Niederbayern (reg. 1310-1339) rechtfertigte im Nachhinein die Plünderungen und erklärte alle Schulden für nichtig. Im Anschluss an die Pestpogrome ließen sich wieder Juden in Straubing nieder, gefördert durch die Herzöge, die in den Schutzgeldern eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle sahen. Im Urkundenbuch der Stadt finden sich etliche Einträge, dass Juden Häuser und Grundbesitz kauften.
Zumindest im Jahr 1415 gab es wieder eine nennenswerte Gruppe jüdischer Einwohner in Straubing, denn Kaiser Sigismund (reg. 1410-1437) forderte in einer Urkunde vom 7. Januar eine außerordentliche Reichssteuer von "allen und jeglichen Juden und Jüdinnen in den Städten zu Regensburg, Straubing, Tekkendorf [= Deggendorf], Vilshofen, Schärding, Landau, Dingelfingen [= Dingolfing]", sowie allen anderen Städten, Märkten und Adelssitzen in Niederbayern. Auch für den Kampf gegen die böhmischen Hussiten mussten Juden aus Straubing hohe Sondersteuern zahlen.
Der zukünftige Herzog Albrecht III. (reg. 1438-1460), seit 1433 Statthalter in Straubing, suchte seine klammen Kassen auf Kosten der Juden zu bereichern. Mit den üblichen diskriminierenden Vorwürfen (sexuelle Nötigung an Christinnen, Blasphemie, Zinswucher) ließ er sie festsetzen. Sein Vater, Herzog Ernst von Bayern-München (reg. 1373-1438), antwortete mit deutlichen Worten: „Denn hätten sie solche Übeltaten begangen wie Ihr schreibt, so hättet Ihr sie richtigerweise unter Anwendung des normalen Rechts strafen müssen, und auch nur die Juden, die derartiges begangen hatten, ebenso die Christin, mit der sie solches Übel getrieben haben, und dürftet deshalb nicht alle Juden gefangen halten.“
Schließlich wurden die Juden wieder entlassen, sie mussten aber eine "Kompensation" zahlen und einen Urfehdebrief unterzeichnen, mit dem sie auf alle zukünftigen rechtlichen Ansprüche verzichteten.
Als Herzog Ernst starb und Albrecht III. die Regierung im Teilherzogtum übernahm, setzte er seine judenfeindliche Politik konsequent durch. Im Zuge seiner landesweiten Ausweisung mussten die jüdischen Familien im Jahr 1442 Straubing endgültig verlassen.
Es vergingen 455 Jahre, bis sich erneut eine jüdische Gemeinde bilden konnte. Der Grabstein des Straubinger Juden Asaria ben Hosea (dat. 1328) ist jedoch noch ein heute sichtbares Zeichen des mittelalterlichen jüdischen Lebens in der Rosengasse. Nach der Auflösung des jüdischen Friedhofs in Regensburg wurde der Stein als Triumphsymbol gut sichtbar in einer Fassade eingemauert, niedrig genug dass der Schmutz der Straße ihn verunreinigt. Der Stein wurde inzwischen durch eine Replik ersetzt, im Straubinger Gäubodenmuseum wird das Original aufbewahrt.
Erst im 19. Jahrhundert sind wieder jüdische Familien in Straubing nachzuweisen: Im Jahr 1811/12 zunächst eine, 1835 waren es sieben. Eine dauerhafte Ansässigkeit blieb schwierig und an Bedingungen - vor allem eigenes Vermögen - gebunden. Offensichtlich hielten sich manche nur vorübergehend zu geschäftlichen Zwecken in Straubing auf. Mit der Abschaffung des Judenedikts im Jahr 1861 wurde den bayerischen Juden endlich die freie Wohnorts- und Berufswahl gewährt, wodurch eine Landflucht in die städtischen Zentren einsetze. Die Straubinger Gemeinschaft wuchs stetig: 1871 zählte man schon 22, 1880 dann 36, zehn Jahre später 41. Ihre Toten bestattete sie, wie ihre mittelalterliche Vorgängergemeinde, zunächst wieder in Regensburg.
Die Gründung einer Israelitischen Kultusgemeinde in Straubing wurde 1896 vom Stadtmagistrat und der niederbayerischen Regierung zunächst abgelehnt, weil man die Anzahl der jüdischen Einwohner für zu gering hielt, dann aber doch genehmigt. Am 11. Januar 1897 wurde die Gemeinde staatlich anerkannt und am 1. März offiziell gegründet: In dieser Zeit wohnten zwölf jüdische Familien mit insgesamt 48 Personen in Straubing, das etwa 15 000 Einwohner zählte. Die Zeitschrift „Der Israelit“ stellt 1897 dazu fest: „Das Leben ist hier billig und angenehm. Bei den Israeliten herrscht schöne Eintracht und sie leben mit den Andersgläubigen in schönstem Frieden.“
Um 1900 lebten 81 Jüdinnen und Juden in Straubing. Sie trafen sich für religiöse Andachten zunächst in Privaträumen und benutzten dann einen Betraum in der Steinergasse/Ecke Rosengasse. Die IKG konnte 1897 ein Betsaal im zweiten Stock des Hauses Rosengasse 15 mit den wichtigsten Ritualien einrichten. Dort wurde zunächst auch der Religionsunterricht erteilt, danach fand er bis 1907 vor allem in einem Klassenzimmer der katholischen Knabenschule St. Jakob statt. 1905 gründete sich ein Synagogenbauverein, der Geld für die Errichtung einer neuen großen Synagoge sammelte. Er erwarb einen Bauplatz in der Wittelsbacher Straße 2 und errichtete bis zum 4. September 1907 ein jüdisches Gotteshaus im neuromanischen Stil. Die Einweihung fand unter großer Beteiligung von Straubinger Prominenz statt. Damals umfasste die jüdische Gemeinde 24 Familien mit 112 Personen.
Der Straubinger IKG gliederten sich 1908 auch 35 Familien mit 121 Personen aus anderen niederbayerischen Orten an. Sie wohnten u.a. in Landshut, Passau, Deggendorf, Plattling, Vilshofen und Grafenau, wo teilweise schon im Mittelalter jüdische Gemeinden existiert hatten. Ab 1913 konnten sich die externen Jüdinnen und Juden als „außerordentliche Mitglieder“ in der Kultusgemeinde einbringen.
Im 1924 wurde mit Unterstützung der Kommune ein eigener jüdischer Friedhof am Thomasweg 4 eröffnet. Bis anfangs der Dreißiger Jahre betrug die Anzahl der Juden etwa 0,4 Prozent der Stadtbevölkerung. Die jüdischen Mitbürger übten verschiedene Berufe aus, sowohl als Akademiker (Mediziner, Privatbankiers und Lehrkräfte), öfter noch waren sie Geschäftsleute (Viehhandel und andere kaufmännische Berufe). Die jüdischen Geschäfte befanden sich fast alle am Stadtplatz oder in den anschließenden Seitenstraßen, die jüdischen Viehhändler wohnten meist zwischen dem Zentrum und der Bahnlinie.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verstärkte sich die Hetze und Ausgrenzung. Bereits am 1. April wurden Boykottaufrufe verbreitet und jüdische Geschäfte durch SA-Leute schikaniert. Es kam zu Sachbeschädigungen, und antisemitische Schmierereien. Im August 1933 wurde den Straubinger Juden der Besuch des Freibads verboten. Im Sommer 1934 gründeten die aus den örtlichen Vereinen ausgeschlossenen Jüdinnen und Juden einen eigenen "Jüdischen Turn- und Sportvereins Straubing", ein geplanter Sportplatz an der Donau wurde ihnen jedoch verwehrt. Mit den Nürnberger Gesetzen 1935 verloren die Jüdinnen und Juden alle bürgerlichen und humanen Rechte. Angesichts der zunehmend unerträglichen Lage verließen viele Familien die Stadt. Wer konnte, emigrierte ins Ausland oder zog doch in die vermeintliche Sicherheit der anonymen Großstädte. Die IKG halbierte sich von 110 Seelen im Jahr 1933 auf 51 im Mai 1939.
Während des Novemberpogroms 1938 kam es in der Nacht auf den 10. November zu Plünderungen und Vandalismus, 27 Männer wurden verhaftet und teilweise für einige Wochen in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Am 24. November wurde der jüdische Immobilien- und Grundbesitz arisiert, darunter das Mode-Kaufhaus Schwarzhaupt am Ludwigsplatz. Die Kommunalverwaltung nutzte die Gelegenheit und erwarb elf Anwesen weit unter Wert. Aus der Synagoge sollte ein Kinderheim werden, später wurde es von der Wehrmacht als Lagerhalle missbraucht.
1942 lebten nur noch 30 Juden in Straubing. Sie wurden in das Todeslager Lublin deportiert und dort ermordet. Für April 1945 sind noch zwei Juden in Straubing registriert, die vermutlich „untertauchen“ konnten.
Die 1907 erbaute Synagoge und die angrenzenden Nebengebäude wurden ab 1945 wieder zum religiösen und gesellschaftlichen Mittelpunkt. Von der ursprünglichen jüdischen Gemeinde kehrte nur ein Ehepaar aus dem KZ Theresienstadt nach Straubing zurück. Das "Hilfswerk für ehemalige KZ-Häftlinge Straubing" nahm sich ihrer an. Vielleicht schon am 15. Mai 1945 - das genaue Datum ist nicht belegt - sollen 700 Überlebende des KZ-Außenlagers Ganacker in der Straubinger Synagoge einen der ersten jüdischen Gottesdienste im Deutschland gefeiert haben.
Befreite Überlebende der Todes- und Arbeitslager wurden als Displaced Persons (DPs) von der US-Armee in beschlagnahmten Wohnungen über das Stadtgebiet verteilt untergebracht. Im November zählte die DP-Gemeinde 250 Köpfe, die Zahl schwankte in den kommenden Jahren zwischen 248 (März 1946) und 435 (Juli 1947), was aber auch der Höchststand war. Die Community wählte einen eigenen Vorstand (Stefan Schwarz, Heinrich Holländer, Victor Kupfer) und verwaltete sich selbstständig, obwohl die bayerischen DPs pro Forma der UNRRA unterstanden und vom ORT unterstützt wurden. Die jüdische DP-Gemeinde unterhielt eine Volksschule, einen Kindergarten, ein Sanitätszimmer im Jüdischen Gemeindezentrum und einen eigenen Sportclub, außerdem wurde eine separate Station im UNRRA-Krankenhaus eingerichtet.
Stefan Schwarz, auch Vizepräsident der zionistischen Organisation in Deutschland, gründete wohl schon im Februar 1946 eine neue IKG Straubing. Sie hatte ihren Sitz im alten Gemeindezentrum an der Synagoge, die notdürftig hergerichtet und wieder für regelmäßige Gottesdienste genutzt wurde. Das Hauptziel der DPs war die Immigration in die USA, Kanada und ab 1948 nach Israel, daher sank die Zahl der DPs Ende der 1940er kontinuierlich ab. Die Organisation der verbliebenen 97 Mitglieder ging 1951 in der Kultusgemeinde Straubing auf. Ihr erster Vorsitzender war Israel Offmann (1925-2018), der das Todeslager überlebt und im israelischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatte, bevor er nach Straubing zurückkehrte.
Am 8. November 1964 wurden in der restaurierten Synagoge zwei Gedenktafeln mit 92 Namen der niederbayerischen Opfer der Shoah angebracht. In den 1960er und 1970er Jahren zählte die jüdische Gemeinschaft in Straubing nur etwa 100 Personen. Zum 50. Jahrestag des Novemberpogroms 1988 ergänzte die Kommune Straubing das militärischen Ehrenmal im Pulverturm um eine Tafel mit den Namen von 43 Opfern des Holocausts. Es waren jedoch circa 50 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, die in der NS-Herrschaft ums Leben kamen. Im Jahr 1991 wurde der kulturell und sozial sehr aktive "Verein für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Niederbayern e.V." gegründet. Mit der Zuwanderung von jüdischen Familien aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nach 1993 stieg die Zahl auf über 1000 Personen an. Das machte auch einen neuen Friedhof nötig, der in Lerchenhaid auf einer Fläche von 12 000 m² angelegt und am 4. November 2002 eröffnet wurde.
Ein neuer, modern ausgestatteter Anbau am Gemeindezentrum der Synagoge ist das Symbol für den zukunftsorientierten, vitalen Zustand der IKG Straubing. 2007 feierte sie ihr Hundertjähriges Jubiläum. Etwa 900 Personen aus ganz Niederbayern gehörten 2012 zur Straubinger Kultusgemeinde, davon ca. 800 Zuwanderer aus Osteuropa. Seit Jahren finden wieder regelmäßig Gottesdienste und Andachten statt, werden Seminare, Kurse, Vorträge sowie religiöse und gesellige Veranstaltungen angeboten. 2008, 2013 und 2022 verlegte der Künstler Gunter Demnig (*1947) insgesamt 37 vor den Wohnstätten der deportierten Familien.
Persönlicher Dank geht an Dr. Dorit-Maria Krenn, Stadtarchiv Straubing, für ihre freundliche Unterstützung.
(Text von Guido Scharrer, bearbeitet von Patrick Charell)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Stefan Maier: OT 0095 Grabstein des Asaria ben Hosea [1328]. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Peter Wolf u.a. (Hg.): Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung [...] in Friedberg / Aichach 2020. Augsburg 2020 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 69), S. 106f.
- Dorit-Maria Krenn: Stolpersteine in Straubing. Wittelsbacherstraße 11 – Julius, Jenny, Lore und Sabina Baumblatt, Wittelsbacherstraße 11 – Nathan, Flora und Sara Frank, Äußere Passauer Straße 60 – Ludwig Egner und Matthias Miehling, in: JHVS 2018 (120), Straubing 2019, S. 313-347.
- Dorit-Maria Krenn: Stolpersteine in Straubing. Bahnhofstraße 6 – Siegfried und Nanette Pfeiffer. Obere Bachstraße 14 – Otto, Sophie und Recha Selz, Heinrich Springer. Obere Bachstraße 12 – Emma und Karl Schwarzhaupt, in: JHVS 2009 (111), Straubing 2010, S. 175-231.
- Barmherzige Brüder gemeinnützige Behindertenhilfe GmbH (Hg.) / Dorit-Maria Krenn: Sie waren unsere Nachbarn. Stolpersteine in Straubing. Straubing 2013.
- Guido Scharrer, Synagoge und jüdisches Leben in Straubing. Geschichte und Gegenwart. Straubing 2012.
- Barbara Eberhardt / Cornelia Berger-Dittscheid: Straubing. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Frank Purrmann. Lindenberg im Allgäu 2007, S. 309-319.
- Anita Unterholzner: Straubinger Juden – Jüdische Straubinger. Straubing 1995.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 43.